Der Sklave von Achim von Arnim

Ihr Götter! wenn ich schwebend
Nah' euerm heil'gen Kreis,
In euern Wolken strebend
Euch ahne auch schon leis:
Wer wagt die goldnen Flügel
Zu reißen tief herab,
Bis zu dem dunkeln Hügel
Wo nüchtern gähnt mein Grab!
 
Die Furcht macht Luft so dünne,
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Die Federkron fiel aus,
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Eh' ich mich recht besinne,
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Wo euer festes Haus!
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Ein Sturmwind kommt geflogen,
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Nimmt mich auf seinen Arm,
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Hat mich hinab gezogen
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Zum Winter kalt und arm.
 
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Ich lieg' an dürrem Boden,
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Das Aug' schließt sich beschämt,
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Gehemmt ist mir der Odem,
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Mein Flügel war gelähmt;
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Der Frost bestrickt mit Eise,
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Die Federn leicht und frei,
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Aus ist es mit der Reise,
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Der Jäger kommt mir bei!
 
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Der Hund mich schlau umstehet,
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Und bellt und lockt den Herrn,
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Der Jäger eilender gehet,
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Nimmt mir die Freiheit gern;
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Er legt mir um die Augen
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Die Kappe eng und dicht,
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Kann nicht die Flügel brauchen,
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Ich sehe ja kein Licht.
 
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Zieht dann mir ab die Kappe,
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Ich denk', nun bin ich frei
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Und flücht von seinem Stabe,
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Zu euch ihr Götter treu.
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Von seinem Ruf bezwungen
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Aus freier Luft ich raub'
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Die fromme Lerch', gelungen
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Ist mir der freche Raub!
 
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Das ist der Knechtschaft Schande,
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Daß ich gezwungen bin,
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Zu legen in die Bande
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Auch andrer Freien Sinn!
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So klagt der Falk' mit Trauern,
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Da rief sein Herr ihm bald:
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Du klagst! - nun sollst du lauern
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Auf deine Jungen im Wald!
 
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Der Falke wollt sich wehren;
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Er stand in Herrensold,
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Die nackte Brut muß er stören,
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Dem Herrn er sie zitternd holt.
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Sie sind mir noch nicht flügge,
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Doch dien' dir dies zur Lehr':
55 
Jetzt nimm sie noch zurücke,
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Und meine Großmuth ehr'!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Der Sklave“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
279
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

„Achim von Arnim ist der Autor des Gedichts „Der Sklave“, das in der Epoche der Romantik, genauer gesagt im frühen 19. Jahrhundert, entstand.

Beim ersten Lesen wirkt das Gedicht melancholisch und hoffnungslos, da es die traurige Realität der Versklavung und Herrschaft thematisiert. Das lyrische Ich wird als Sklave des menschlichen Herrschers dargestellt, der sich vergeblich bemüht, seine Freiheit und Autonomie zu erlangen.

Unter Beobachtung der sieben Strophen des Gedichts findet man eine fortschreitende Geschichte des lyrischen Ichs, das ursprünglich als edler Falke dargestellt wird, aber schließlich durch seinen Herren versklavt wird. Die symbolischen goldenen Flügel des Falken, die seine Freiheit und Hoheit darstellen, werden im fortlaufenden Text durch die grausame Realität der Unterdrückung und Knechtschaft gebrochen und verwelken. Es wird klar, der Falke ist kein freier Vogel mehr, sondern ein nützliches Werkzeug in den Händen seines Herren.

In Bezug auf die Form und Sprache ist das Gedicht in sieben Strophen unterteilt, jede mit acht Versen. Arnim verwendet eine klar verständliche und schlichte Sprache, um die poetische Erzählung zu transportieren. Es ist in Reimen verfasst, was eine angenehme rhythmische Struktur erzeugt, aber gleichzeitig den Inhalt der Verse betont und in den Vordergrund stellt.

Der Hauptzweck des Gedichts scheint zu sein, die furchtbaren Bedingungen der Versklavung anzuprangern und die Bedeutung von Freiheit und Autonomie hervorzuheben. Es drückt die emotionale Traurigkeit und Verzweiflung aus, die durch die Unterwerfung unter eine höhere Macht entsteht. Es appelliert an die menschliche Empathie und fordert die Moral heraus, in der Hoffnung, eine universelle Anerkennung der grundlegenden Freiheit und Gerechtigkeit herauszufordern.„

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Sklave“ ist Achim von Arnim. Im Jahr 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Musik und Philosophie spürbar. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die beginnende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 279 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Achim von Arnim ist auch der Autor für Gedichte wie „Zum Abschiede“, „Der Weber und die Spinnerin“ und „Bibliothek“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Sklave“ weitere 173 Gedichte vor.

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