Blumen von Achim von Arnim

Nieder zieht der Abendwind,
Wiegt in Schlaf manch schönes Kind,
Löscht die Lichter,
Doch es weckt der Vollmondglanz
Blumen zu dem Abendtanz,
Himmlische Gesichter.
 
Blumen springen aus dem Bett,
Waschen sich im Tau so nett
Und sich schmücken;
10 
Manches krause weiche Blatt
11 
Sich erst neu entfaltet hat
12 
Ahnendem Entzücken.
 
13 
Jede sich im Bach besieht,
14 
Nun sie hin zum Tanze zieht,
15 
Ob sie glänze.
16 
Und das Bächlein wird so glatt,
17 
Jeder zugemurmelt hat:
18 
»Amor bringt dir Kränze.«
 
19 
Alle Blumen schwesterlich
20 
Grüßen, küssen, herzen sich
21 
Hier im Kreise.
22 
Jede wartet auf den Gott,
23 
Der so oft nur leichten Spott
24 
Giebt nach seiner Weise.
 
25 
Nachtigall ist auch bestellt,
26 
Sich im Laub verstecket hält,
27 
Spielt zum Tanze;
28 
Und ein jedes Gartenbeet,
29 
Schon voll schöner Tänzer steht,
30 
In dem Vollmondglanze.
 
31 
Doch die Frauen sehen kalt
32 
Auf die Herren jung und alt,
33 
Und sich brüsten;
34 
Denn ein Gott, der gilt viel mehr,
35 
Als der Nachbarn Lustverkehr,
36 
Die zum Tanz sich rüsten.
 
37 
Nachtviole bleibt zu Haus,
38 
Wagt sich nicht zum Tanz hinaus,
39 
Steht vergessen;
40 
Doch ihr Duft die Luft durchzieht,
41 
Und der Feuerwurm erglüht,
42 
Fliegt ihr zu vermessen.
 
43 
Amor ist der Feuerwurm,
44 
Und sein Licht, das löscht kein Sturm,
45 
Machts nur heller;
46 
Und er leuchtet Liebchen vor,
47 
Führt sie selbst zum Tanz vors Thor,
48 
Und der Tanz rauscht schneller.
 
49 
Eintracht schien im bunten Saal,
50 
Zwietracht kommt zu aller Qual,
51 
Mit den beiden;
52 
Weil der Gott von Lust und Leid
53 
Einer zuflog, sucht der Neid
54 
Sie mit List zu scheiden.
 
55 
Gänseblümchen weiß nur nicht,
56 
Wie sie zornge Blicke richt',
57 
Ist verlegen;
58 
Stetes Lachen läßt nicht gut,
59 
Gar zu traurig sie nun thut,
60 
Muß sich viel bewegen.
 
61 
Ob wir schon viel klüger sind,
62 
Als dies liebe weiße Kind,
63 
Ruft Peone,
64 
Kommt es uns doch nimmer ein,
65 
Amor könne unser sein
66 
Auf dem Götterthrone.
 
67 
Doch wir bleiben hier allein,
68 
Weil wir ganz geruchlos rein
69 
Keinen locken;
70 
So die Lilien seufzen still,
71 
Weil sie niemand nehmen will,
72 
Trotz der großen Glocken.
 
73 
Tulpe hängt den Kopf sogleich,
74 
Wie ein Vöglein hängt am Zweig,
75 
Zu Narzissen;
76 
Hat den Kelch ihm zugewandt
77 
Spricht von Ehre und von Stand,
78 
Und von dem Gewissen.
 
79 
Rose lockt mit hellem Strahl
80 
Nachtgevögel ohne Zahl,
81 
In dem Zorne;
82 
Jedem ihre Dornen reicht,
83 
Daß er an dem Gott hinstreicht,
84 
Und ihn blutig sporne.
 
85 
Rittersporn und Eisenhut
86 
Wählet sie im wilden Muth,
87 
Zu dem Fechten;
88 
Und das Tausendgüldenkraut
89 
Bietet sie zur Werbung laut,
90 
Als ein Lohn den Knechten.
 
91 
Gleich der hohen dunklen Stadt,
92 
Die sich rings gelagert hat
93 
An dem Garten,
94 
War hier Stille nur zum Schein,
95 
Neid schlägt Licht zu seiner Pein,
96 
Schlägt in Klingen Scharten.
 
97 
Doch des Gottes leicht Geschoß
98 
Jagt zurück den wilden Troß,
99 
Ohne Schaden:
100 
»Stören lasse ich mich nicht,
101 
Gönne jeder ihren Wicht,
102 
Bin ein Gott der Gnaden.«
 
103 
Nachtviole hebt das Haupt,
104 
Amors Feuer sanft bestaubt
105 
Ihre Wangen:
106 
»Jeder regt der Gott die Brust,
107 
Gönnt dies Heute meiner Lust,
108 
Laßt mich einmal prangen.
 
109 
Morgen ist ein andrer Tag,
110 
Wo er andre lieben mag
111 
Nach Gefallen;
112 
Zeigt nur, daß ihr würdig seid
113 
Dieser Liebe, die sich weiht
114 
In der Einen allen.«
 
115 
Frau Peone klüglich denk
116 
An das goldene Geschenk,
117 
Heb' den Schleier,
118 
Sieh die Flamme an dem Platz,
119 
Der jetzt trägt den reichen Schatz,
120 
Heb' ihn auf den Freier;
 
121 
Rose, sieh des Sternes Schein,
122 
Er will ein Komet nun sein,
123 
Er will schießen,
124 
Spann die weichen Blätter aus,
125 
Fällt der Stern dir nicht ins Haus,
126 
Fällt er dir zu Füßen.
 
127 
Und ihr Lilien, seht herab,
128 
Steht er nicht auf einem Grab,
129 
Seht die Flammen,
130 
Sieh ihn, der mit Irrlichtschein
131 
Sinkt in deinen Kelch hinein,
132 
Nacht bringt euch zusammen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (33.8 KB)

Details zum Gedicht „Blumen“

Anzahl Strophen
22
Anzahl Verse
132
Anzahl Wörter
591
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Blumen“ wurde von dem deutschen Dichter Achim von Arnim verfasst, der von 1781 bis 1831 gelebt hat. Arnim gehörte zusammen mit seinem Freund und Schwager Clemens Brentano zu den Hauptvertretern der Heidelberger Romantik, einer literarischen Bewegung, die das Alltagsleben idealisierte und stark durch Emotionen und Sensibilität geprägt war.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht genau von diesen romantischen Idealen und verwendet dabei blumige Metaphern und eine bildhafte Sprache. Es erzählt von einem abendlichen Fest, an dem sich verschiedene Blumenarten - die als Metapher für Menschen stehen könnten - versammeln, um zu tanzen, zu feiern und sich zu bewundern.

Das Gedicht besteht aus insgesamt 22 Strophen zu je sechs Versen. Die Verse sind in freien Rhythmen verfasst und es dominiert der jambische Versfuß, bei dem eine unbetonte auf eine betonte Silbe folgt. Assoziationen und Metaphern prägen die poetische Sprache des Gedichts. Es ist in einer leicht verständlichen, aber metaphorisch reichen Sprache geschrieben.

Im ersten Teil besingen die Pflanzen, angeführt vom Mond, ein nächtliches Fest im Garten, zu dem auch die Nachtigall als Musikant eingeladen ist. Dann aber spitzen sich die Ereignisse zu: Es entsteht Zwietracht unter den anwesenden Blumen. Jede Blume, die von Menschenhand gezüchtet wurde, versucht, das Herz des Gottes, vermutlich Amor, zu gewinnen. Es wird auch vom Neid gesprochen und jeder, der den Gott erreicht, wird verspottet. In der vorletzten Strophe spricht die Nachtviole, die bisher schüchtern und bescheiden geblieben ist, sich geliebt und erhoben. Am Ende bleibt die Frage, wer von den Blumen den Gott gewonnen hat - sie sind alle gleich unter seinem glänzenden Schein.

Das Gedicht charakterisiert auch die verschiedensten Blumensorten. So wird die Nachtviole als bescheiden und zurückhaltend dargestellt, die Rose hingegen als eine stolze und kraftvolle Figur, die andere anzieht und doch zurückweist.

Insgesamt ist „Blumen“ von Achim von Arnim ein poetisches Werk, das die menschliche Natur und die sozialen Verhältnisse in einer poetischen, romantischen Sprache darzustellen weiß. Es ist eine Parabel auf die menschlichen Sehnsüchte, Eitelkeiten und den Hang zur Zwietracht und zum Neid, verkörpert durch verschiedene Blumen in einem Garten.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Blumen“ des Autors Achim von Arnim. Geboren wurde Arnim im Jahr 1781 in Berlin. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Der Schriftsteller Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Philosophie und Musik spürbar. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Schriften gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Als Merkmale der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das vorliegende Gedicht umfasst 591 Wörter. Es baut sich aus 22 Strophen auf und besteht aus 132 Versen. Die Gedichte „Der Weber und die Spinnerin“, „Bibliothek“ und „Zur Weihnachtszeit“ sind weitere Werke des Autors Achim von Arnim. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Blumen“ weitere 173 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Achim von Arnim

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Achim von Arnim und seinem Gedicht „Blumen“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Achim von Arnim (Infos zum Autor)

Zum Autor Achim von Arnim sind auf abi-pur.de 173 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.