Der Narr von Wilhelm Busch

Er war nicht unbegabt. Die Geisteskräfte
Genügten für die laufenden Geschäfte.
Nur hat er die Marotte,
Er sei der Papst. Dies sagt er oft und gern
Für jedermann zum Ärgernis und Spotte,
Bis sie zuletzt ins Narrenhaus ihn sperrn.
 
Ein guter Freund, der ihn daselbst besuchte,
Fand ihn höchst aufgeregt. Er fluchte:
Zum Kuckuck, das ist doch zu dumm.
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Ich soll ein Narr sein und weiß nicht warum.
 
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Ja, sprach der Freund, so sind die Leute.
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Man hat an einem Papst genug.
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Du bist der zweite.
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Das eben kann man nicht vertragen.
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Hör zu, ich will dir mal was sagen:
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Wer schweigt, ist klug.
 
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Der Narr verstummt, als ob er überlege.
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Der gute Freund ging leise seiner Wege.
 
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Und schau, nach vierzehn Tagen grade
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Da traf er ihn schon auf der Promenade.
 
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Ei, rief der Freund, wo kommst du her?
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Bist du denn jetzt der Papst nicht mehr?
 
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Freund, sprach der Narr und lächelt schlau,
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Du scheinst zur Neugier sehr geneigt.
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Das, was wir sind, weiß ich genau.
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Wir alle haben unsern Sparren,
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Doch sagen tun es nur die Narren.
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Der Weise schweigt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Der Narr“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
183
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Wilhelm Busch, ein deutscher Dichter und Zeichner, der vor allem im 19. Jahrhundert aktiv war.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll, mit einer zugrundeliegenden Ernsthaftigkeit. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der davon überzeugt ist, der Papst zu sein, und deshalb als Narr bezeichnet und letztendlich in ein Narrenhaus gesperrt wird. Ein Freund besucht ihn dort und rät ihm zur Mäßigung, indem er ihm sagt „Wer schweigt, ist klug“. Nach einiger Zeit trifft der Freund den Narr erneut an, jetzt frei und anscheinend geheilt von seiner Wahnvorstellung. Auf die Frage, ob er immer noch glaubt, der Papst zu sein, antwortet der Narr schlau: „Wir alle haben unsere Sparren, doch sagen tun es nur die Narren. Der Weise schweigt.„

Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist der unbekannte Erzähler. Der Erzähler möchte offenbar auf die Tatsache hinweisen, dass wir alle unsere Eigenheiten und Wahnvorstellungen haben, aber die gesellschaftliche Norm verlangt, dass wir sie für uns behalten. Der Narr im Gedicht wird nur deshalb als solcher bezeichnet und isoliert, weil er seine Wahnvorstellung laut ausspricht und nicht nach den Konventionen der Gesellschaft spielt.

In Bezug auf Form und Sprache hat das Gedicht eine klare und eingängige Struktur, die aus mehreren Strophen besteht, von denen jede eine bestimmte Anzahl von Versen hat. Auch wenn das Thema ernst ist, bleibt die Sprache des Gedichts klar und unkompliziert, was typisch für Busch ist. Der Sprachstil ist auch sarkastisch, vor allem in den Äußerungen des Narren, der die Scheinheiligkeit und Doppelmoral der Gesellschaft aufzeigt.

Insgesamt ist das Gedicht eine scharfsinnige Darstellung der gesellschaftlichen Normen und des Umgangs mit Menschen, die sich nicht an diese Normen halten. Es stellt die Frage, wer wirklich der Narr ist - derjenige, der seine Wahnvorstellungen laut ausspricht, oder die Gesellschaft, die diese Menschen abweist und isoliert.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Narr“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. 1832 wurde Busch in Wiedensahl geboren. Im Zeitraum zwischen 1848 und 1908 ist das Gedicht entstanden. In Wiesbaden u. Berlin ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 183 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“ sind weitere Werke des Autors Wilhelm Busch. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Narr“ weitere 208 Gedichte vor.

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