Bedächtig von Wilhelm Busch

Ich ging zur Bahn. Der Abendzug
Kam erst um halber zehn.
Wer zeitig geht, der handelt klug.
Er kann gemütlich gehn.
 
Der Frühling war so warm und mild,
Ich ging wie neubelebt,
Zumal ein wertes Frauenbild
Mir vor der Seele schwebt.
 
Daß ich sie heut noch sehen soll,
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Daß sie gewiß noch wach,
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Davon ist mir das Herz so voll,
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Ich steh und denke nach.
 
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Ein Häslein, das vorüberstiebt,
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Ermahnt ich: Laß dir Zeit,
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Ein guter Mensch, der glücklich liebt,
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Tut keinem was zuleid.
 
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Von ferne aus dem Wiesenteich
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Erklang der Frösche Chor,
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Und überm Walde stieg zugleich
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Der goldne Mond empor.
 
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Da bist du ja, ich grüße dich,
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Du traulicher Kumpan.
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Bedächtig wandelst du wie ich
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Dahin auf deiner Bahn.
 
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Dies lenkte meinen Denkersinn
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Auf den Geschäftsverlauf;
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Ich überschlug mir den Gewinn.
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Das hielt mich etwas auf.
 
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Doch horch, da ist die Nachtigall,
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Sie flötet wunderschön.
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Ich flöte selbst mit sanftem Schall
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Und bleib ein wenig stehn.
 
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Und flötend kam ich zur Station,
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Wie das bei mir Gebrauch.
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O weh, was ist das für ein Ton?
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Der Zug der flötet auch.
 
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Dort saust er hin. Ich stand versteint.
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Dann sah ich nach der Uhr
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Wie jeder, der zu spät erscheint.
40 
So will es die Natur.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Bedächtig“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bedächtig“ wurde von Wilhelm Busch verfasst, einem deutschen Dichter und Zeichner, der vor allem für seine humoristischen und satirischen Werke bekannt ist. Busch lebte im 19. Jahrhundert, eine zeitliche Einordnung des Gedichts ist daher im Kontext der literarischen Strömungen dieses Jahrhunderts, insbesondere der realistischen Schreibweise von Busch, zu sehen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht beschaulich und verträumt. Es schildert eine ruhige, nachdenkliche Stimmung, die von Momenten gewöhnlichen Lebens gefüllt ist.

Inhaltlich erzählt das Gedicht von einem Spaziergang des lyrischen Ichs zur Bahn. Die Gedanken des Ichs sind bei einer geliebten Frau und dem Genuss des warmen Frühlings. Es nährt dabei eine Art Zweisprache mit der Natur, spricht zu einem Hasen, begrüßt den Mond und genießt eine Nachtigall. Doch als es an der Bahnstation ankommt, hat es den Zug verpasst.

Dem lyrischen Ich ist es wichtig, die Ruhe und Schönheit der Welt um sich herum zu genießen. Dabei verliert es jedoch das Ziel aus den Augen, nämlich den Zug zu erreichen. Vielleicht möchte Busch damit aufzeigen, dass es im Leben wichtig ist, ein Gleichgewicht zwischen dem Genießen des Moments und dem Erreichen von Zielen zu finden.

Formal besteht das Gedicht aus zehn gleich strukturierten vierzeiligen Strophen, einer weit verbreiteten Form in der Dichtung. Die Sprache des Gedichts ist klar und leicht verständlich, spiegelt aber trotzdem die feinen Nuancen der Gedanken und Gefühle des lyrischen Ichs wider.

In Bezug auf die Sprache zeigt Busch seinen gewohnten Witz und Humor. Er personifiziert den Mond, spricht sogar mit einem Hasen und der Nachtigall, eine unterhaltsame Art, seine freundliche Verbundenheit zur Natur zu zeigen. Der abrupte Stilwechsel in der letzten Strophe mit dem verpassten Zug bringt einen humorvollen und zugleich nachdenklichen Abschluss.

Weitere Informationen

Wilhelm Busch ist der Autor des Gedichtes „Bedächtig“. Der Autor Wilhelm Busch wurde 1832 in Wiedensahl geboren. In der Zeit von 1848 bis 1908 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Wiesbaden u. Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 206 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Busch sind „Ach, ich fühl es! Keine Tugend“, „Ach, wie geht’s dem Heilgen Vater“ und „Als Christus der Herr in Garten ging“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Bedächtig“ weitere 208 Gedichte vor.

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