Das Kätchen von Heilbronn von Louise Otto-Peters

Ihr kennt wohl die alte Märe
Und kennt wohl das schöne Gedicht
Und wißt was vom Kätchen von Heilbronn,
Man immer noch kundet und spricht?
 
Wie einst sie gelaufen dem Ritter,
Dem Wetter von Strahl lange nach,
Bis Lieb seinen Stolz überwunden,
Er plötzlich zu Füßen ihr lag!
 
Und habt Ihr das Mädchen gescholten,
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Das der inneren Stimme vertraut
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Habt ihr sie doch gern als Prinzessin
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Am Ziel ihrer Sehnsucht geschaut.
 
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Ich mache die Mär mir zu Nutze
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Erneu sie in jetziger Zeit;
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Auch ich folge treu einem Ritter
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Aus meiner Verborgenheit.
 
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Er sitzet gar stattlich zu Rosse,
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Hoch flattert der Helmbusch ihm nach,
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Es blitzet die mächtige Klinge,
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Der mancher Gewaltge erlag.
 
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Mich treibt eine innere Ahnung,
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Durchzittert ein stürmischer Drang
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Ihm immer und ewig zu folgen –
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Doch oftmals wie wird mir so bang!
 
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Wenn alle die Knappen und Ritter
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Ich sehe zur Seite ihm ziehn,
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Geschmücket auf mutigen Rossen,
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Im Glanze die Waffen erglühn: –
 
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Und seh nun mich Arme daneben
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Von Rittern wohl nimmer bemerkt,
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Von Knappen gehöhnt und gescholten –
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Dann hab ich umsonst mich gestärkt! –
 
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Der Ruhm ist der herrliche Ritter,
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Der Ruhm ist Graf Wetter von Strahl!
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Dem werd ich zu folgen getrieben
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Aus Ahnung und Drang – nicht aus Wahl!
 
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Doch bleib ich die niedrige Käthe,
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Zu klar nur erkennt das mein Sinn,
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Wenn ich nicht die Tochter des Kaisers,
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Des Schöpfers des Genius bin!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Das Kätchen von Heilbronn“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
229
Entstehungsjahr
1840–1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Kätchen von Heilbronn“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst, einer bedeutenden Frauenrechtlerin und Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts, die maßgeblich zur Gründung der modernen Frauenbewegung in Deutschland beigetragen hat. Ihr Literaturschaffen fällt damit in die Epoche der Hochromantik.

Das Gedicht erzeugt auf den ersten Eindruck den Eindruck von Verlangen, Sehnsucht und zugleich Unsicherheit beim lyrischen Ich, das zwischen persönlichem Wunsch und gesellschaftlicher Erwartung zu flattern scheint.

Im Gedicht berichtet das lyrische Ich, eine weibliche Figur, von ihrer Zuneigung zu einem Ritter. Das Gedicht spielt auf die mittelalterliche Geschichte „Das Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist an, eine romantische Erzählung von einer einfachen Magd, die einem romantischen, aber unerreichbaren Ritter folgt. Louise Otto-Peters aktualisiert diese Geschichte und entwirft das Selbstbild des lyrischen Ichs als einer Frau, die einem unerreichbaren Ritter - in diesem Fall ein Symbol von Ruhm und Gewalt - unbeirrt nachstrebt.

Formal ist das Gedicht in zehn vierzeilige Strophen unterteilt. Die Sprache ist einfach und klipp, wobei das lyrische Ich seine Empfindungen und Gedanken offen und unverhüllt darstellt. Das Gedicht ist in einem rhythmischen, singbaren Stil geschrieben, wie es für traditionelle Lieder charakteristisch ist.

Die Botschaft des lyrischen Ichs lässt sich als Appell an die Freiheit und Unabhängigkeit der Frau interpretieren. Dabei ist die Erwähnung, dass sie dem Ritter nicht aus Wahl, sondern aus einem inneren Antrieb oder „Drang“ folgt, besonders hervorzuheben. Sie bekennt sich bewusst zur Verfolgung ihres eigenen Ziels, unabhängig von gesellschaftlichen Normen oder Erwartungen, auch wenn sie dafür mit Spott und Ablehnung rechnen muss.

Louise Otto-Peters bedient sich dabei der Form und Sprache eines romantischen Volksliedes, um auf poetische Art und Weise eine zeitlose Botschaft zu übermitteln: die Unabhängigkeit und Stärke der Frau, die ihre eigenen Wege geht, egal wie unerreichbar das Ziel oder wie groß die Hindernisse auf dem Weg dorthin auch sein mögen.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Das Kätchen von Heilbronn“ ist Louise Otto-Peters. Geboren wurde Otto-Peters im Jahr 1819 in Meißen. Das Gedicht ist im Jahr 1850 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 229 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Louise Otto-Peters sind „An August Peters“, „An Byron“ und „An Georg Herwegh“. Zur Autorin des Gedichtes „Das Kätchen von Heilbronn“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.

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