An Georg Herwegh von Louise Otto-Peters

Und den Ruf hab ich vernommen aus dem kühnen Dichtermunde
Und ich nahm das Wort zu Herzen, nahm es für Prophetenkunde,
Fröhlich will das Schwert ich tragen, fröhlich für mein Volk es schwingen,
Jubelnd deutsche Schlachtenlieder, unserm Feind entgegen singen.
 
Nicht die Kraft ein Schwert von Eisen in der schwachen Hand zu zücken,
Nicht der Mut aus tiefen Wunden blutge Blumen uns zu pflücken.
Nicht die Kunst den Blitz zu lenken aus dem mörd’rischen Geschoß –
Solches ward uns nicht gegeben, solches nicht der Frauen Los.
 
Aber wenn Ihr zieht zum Streite für des Vaterlandes Rechte,
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Sticken wir die Freiheitsfahne, die Euch leitet im Gefechte,
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Schlingen wir um Eure Schultern, schöngewebte Kriegerbinden
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Sind es wir die Eure Wunden pflegen, Eure Lorbeern winden.
 
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Doch so lang Ihr Euch nicht rüstet, eine Freiheitsschlacht zu schlagen,
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Für die höchsten Menschenrechte eine kühnen Strauß zu wagen,
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Doch so lang noch Eure Waffen in der engen Scheide bleiben,
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Werden wir es denn vermögen Euch hinaus ins Feld zu treiben?
 
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Alle Mädchen müssen schwören keinen, keinen Mann zu minnen
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Der nicht für die Freiheit stritte seinem Volk sie zu gewinnen.
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Wie Frau Gertrud einst gesprochen, müßten alle Frauen sprechen,
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Als sie Stauffacher den Gatten, hieß der Schweizer Knechtschaft brechen.
 
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Also, also müßt es werden, könnt ich meiner Schwestern Herzen
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So begeistern wie ich selber, fühle meines Volkes Schmerzen.
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Könnte ich die kalten Herzen, die nur kleine Qual und Freuden
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Füllen und in Schlummer singen, könnt ich sie zum Großen leiten.
 
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Was vermag ein deutsches Mädchen, still und arm in enger Zelle,
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Aber frei gleich wie vom Berge niederschäumt die freie Quelle –
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Aber singend wie das Vöglein, das sich wiegt in blauen Lüften,
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Aber feurig wie der Blitzstrahl, kommt aus dunklen Wolkenklüften:
 
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Was vermag ein solches Mädchen, dies zu schaffen will ich streben
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Für die Freiheit für den Fortschritt weihe ich mein ganzes Leben.
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Denn mein Herz kennt nur ein Sehnen, nur ein stetig Vorwärtsringen
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Und dem Vaterland gehört es und der Freiheit will ich singen.
 
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Singen, denn im Kampf mit Liedern, denn im Kampf mit kühnen Reden,
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Darf auch ich, die Fahne tragend, zu den Gleichgesinnten treten,
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Darf mit heil’gem Eide schwören, nimmer mich von ihr zu trennen,
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Darf der kriegerischen Muse treu ergebne Magd mich nennen.
 
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Und auf meine Kniee sink’ ich – über mir die Fahne wehet:
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Bis das Vaterland vereinigt und mit neuem Glanz erstehet:
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Schwör ich brünstig im Gebete – will ich nicht vom Banner weichen,
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Bis die Frauen gleich den Männern ihrer Heimat wert sich zeigen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.7 KB)

Details zum Gedicht „An Georg Herwegh“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
414
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Georg Herwegh“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst. Otto-Peters wurde 1819 geboren und starb 1895, was das Gedicht zeitlich in die Mitte des 19. Jahrhunderts einordnet, eine Zeit, in der viele gesellschaftliche und politische Umbrüche stattfanden, einschließlich der ersten Welle des Feminismus, für den Otto-Peters bekannt ist.

Im Gedicht spricht das lyrische Ich, wahrscheinlich eine Darstellung von Otto-Peters selbst, an den Dichter Georg Herwegh, einen bedeutenden Figur der revolutionären Bewegungen in Deutschland im 19. Jahrhundert. Das lyrische Ich betont die Rolle und Bedeutung von Frauen im Kontext der politischen Kämpfe jener Zeit.

Das Gedicht ist in zehn Strophen unterteilt, jede Strophe besteht aus vier Versen. Es spricht Themen wie Patriotismus, Freiheit, Gleichberechtigung, Krieg und Frauenaktivismus an. In den ersten zwei Strophen spricht das lyrische Ich von der Hingabe an den revolutionären Kampf, betont aber, dass Frauen nicht die Möglichkeit haben, Waffen zu tragen oder in Schlachten zu kämpfen. Statt dessen spielen sie eine unterstützende Rolle, indem sie die Freiheitsfahne sticken oder die Wunden der Krieger pflegen. Dennoch stellt das lyrische Ich fest, dass Frauen die Männer dazu auffordern sollten, gegen die Tyrannei zu kämpfen, und sie nicht lieben sollten, wenn sie nicht für die Freiheit kämpfen.

Die Form des Gedichtes ist rhythmisch und folgt einer bestimmten Reimstruktur, die ein traditionelles Merkmal der deutschen Poesie ist. Die Sprache ist pathetisch und voller patriotischer und kriegerischer Metaphern. Dennoch legt das Gedicht einen starken Schwerpunkt auf weibliche Präsenz und Rolle in diesen Prozessen. Auch wenn Otto-Peters den Frauen eine unterstützende Rolle zuweist, stellt sie sie doch in die vorderste Front des politischen Kampfes, indem sie sie dazu auffordert, Männer zum Handeln zu drängen und sie dazu zu bringen, die Freiheit zu erreichen. In diesem Sinne stellt das Gedicht einen feministischen Ansatz dar, indem es die Bedeutung von Frauen in revolutionären Prozessen betont, auch wenn ihre Rolle anders ist als die der Männer. Gleichzeitig ist das Gedicht ein Aufruf für Gleichberechtigung und die Aktivierung des weiblichen Teils der Bevölkerung.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „An Georg Herwegh“ ist Louise Otto-Peters. Die Autorin Louise Otto-Peters wurde 1819 in Meißen geboren. Im Jahr 1850 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 414 Worte. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „Allein“, „Am Schluß des Jahres 1849“ und „Am längsten Tage“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „An Georg Herwegh“ weitere 106 Gedichte vor.

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