Sonette von Louise Otto-Peters

Du weißt, wie ich in meiner Kindheit Tagen,
Die wie ein Märchen traumdurchwebt verronnen,
Ein hohes Bild den Dichtern abgewonnen,
Die mich erquickt mit ihren Heldensagen.
 
Ein Ritter, der die Laute bald geschlagen,
Und bald das Schwert geführt, kühn und besonnen,
Mit goldnem Haar und blauer Augen Bronnen –
Es war Dein Bild, das ich in mir getragen!
 
Wie ich Dich sah – da stand es vor mir wieder,
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Verwirklicht waren die Heroen-Lieder,
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Die ich als Spiel der Phantasie verklagt.
 
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Fast sank die stolze Jungfrau vor Dir nieder,
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Und daß Du selbst ihr Deine Lieb’ gesagt,
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Das hatte sie zu denken nie gewagt!
 
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II.
 
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Entsetzt lag ich vor Deinen Eisengittern,
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Weil ich umsonst gestrebt Dich zu erretten,
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Indes sie Dich auf hartem Pfühle betten.
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Trank ich den Kelch der Leiden still, den bittern.
 
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Doch hört ich auf zu bangen und zu zittern,
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Wallfahrend zog ich zu den Kerkerstätten,
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Und Liebes-Rosen wandt ich in die Ketten,
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Und Sonnenaufgang folgte den Gewittern.
 
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Ein neuer Himmelsruf war mir ergangen:
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Den Heldenkämpfer, der so lang gefangen.
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Empor ob allem irdschen Leid zu heben,
 
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Ich durft ihn aus dem Kerker nicht befreien,
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Ich durfte mehr: den Kerker selber weihen,
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Dem Dichtergeiste neue Schwingen geben.
 
30 
III.
 
31 
Mir ist so froh, mir ist so leicht zu Sinnen,
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Und doch trennt uns des strengen Kerkers Gitter,
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Und zeigt mir ganz, wie das Geschick so bitter,
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Das mich nach kurzem Gruße treibt von hinnen.
 
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Das ist die Macht im selig süßem Minnen,
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Wie es mit Dir mich eint, mein holder Ritter!
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Da wird der Schmerz zum fliehenden Gewitter
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Von dem die Fluren Segen nur gewinnen!
 
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Der Himmel über uns er bleibt uns offen,
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Die Sonne bleibt in ihrem Glanze thronen,
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Und Märzenluft, die kündet Frühlingszeit!
 
42 
Drum laß nicht ab vom Gottvertraun und Hoffen:
43 
Der Liebe schönste Paradieseszonen
44 
Erwarten uns noch so viel Qual und Leid!
 
45 
IV.
 
46 
O sage nicht, daß draußen Lenz und Leben
47 
Und Glück und Freiheit ihr Panier entfalten,
48 
Ich sah die Welt sich anders ganz gestalten
49 
Seit diese Kerkermauern Dich umgeben!
 
50 
Laß mich auf Flügeln an Dein Gitter schweben –
51 
Die Menschheit ist was wir von ihr gehalten;
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Hoch ob uns allen herrscht des Schöpfers Walten,
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Der heute stürzt und morgen kann erheben!
 
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Doch über allen Hader unermessen,
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Der noch die Welt zerwühlt mit spitzen Waffen
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Vom Sonnenaufgang bis zum Niedergange:
 
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Ward doch das ew’ge Werde nicht vergessen,
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Das jedem Herzen seine Welt erschaffen.
59 
„Ich liebe Dich!“ spricht es im Jubelklange.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.3 KB)

Details zum Gedicht „Sonette“

Anzahl Strophen
19
Anzahl Verse
59
Anzahl Wörter
403
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sonette“ stammt von der Dichterin Louise Otto-Peters, die im 19. Jahrhundert lebte und schrieb. Sie war eine der wichtigsten Frauen der deutschen Frauenbewegung und bekannt für ihre romantischen und gesellschaftskritischen Werke.

Auf den ersten Blick fällt die komplizierte Struktur des Gedichts auf, das aus vier Abschnitten besteht, die jeweils aus mehreren Strophen bestehen. Es entfaltet sich eine romantische, leicht melancholische Stimmung, die durch die lyrischen und emotionalen Verse erzeugt wird.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um die unerfüllte Liebe des lyrischen Ichs zu einer heroischen Figur, die in der Kindheit verehrt wurde und später in der Realität wiedergetroffen wurde. Die Gefühle des lyrischen Ichs sind geprägt von Bewunderung, Liebe und Leid. Sie durchlebt ein Auf und Ab der Emotionen, die sowohl von glücklichen Momenten der Verbundenheit als auch von Trauer und Verzweiflung über deren Unmöglichkeit geprägt sind. Das lyrische Ich lässt sich jedoch nicht unterkriegen und findet immer wieder neue Hoffnung und Stärke.

In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um eine Sammlung von Sonetten, einer strengen Gedichtsform, die jeweils aus vierzehn Versen besteht. Louise Otto-Peters verwendet eine hochsprachliche, bildreiche Sprache, die reich an Metaphern und Vergleichen ist. Die Strophen sind meistens nach einem bestimmten Reimschema organisiert, das eine musikalische, fließende Wirkung hat.

Sprachlich zeichnet sich das Gedicht durch eine sehr bildreiche und metaphorische Sprache aus. Die Verse sind voller Anspielungen und Vergleiche, die die Gefühlswelt des lyrischen Ichs besonders eindrücklich machen. Es werden viele Symbole verwendet, wie beispielsweise das Schwert für Mut und Kampfgeist, die Kerkermauer für Isolation und Einsamkeit oder die Sonne für Hoffnung und Wärme. Sie verleihen dem Gedicht eine große Tiefe und Vielschichtigkeit und lassen dem Leser viel Raum für eigene Interpretationen.

Insgesamt ist „Sonette“ ein komplexes und emotionales Gedicht, das die Gefühlswelt einer liebenden Person auf intensive Weise ausdrückt. Es verbindet die Romantik der Kindheitsträume mit der Wirklichkeit des Erwachsenenlebens auf eine Weise, die sowohl berührend als auch nachdenklich macht.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sonette“ der Autorin Louise Otto-Peters. Geboren wurde Otto-Peters im Jahr 1819 in Meißen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1860. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 403 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 59 Versen mit insgesamt 19 Strophen. Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für das Gedicht „An Georg Herwegh“, „An Ludwig Börne“ und „An Richard Wagner“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Sonette“ weitere 106 Gedichte vor.

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