Römisch und Deutsch von Louise Otto-Peters

Und fühlt Ihr endlich nun des Joches Drücken
Und wollt Ihr rächen nun die lange Schmach?
Seid Ihr es müde, daß auf Deutschlands Rücken
Des Römers Fuß noch immer treten mag?
Daß immer noch das alte Stück soll spielen,
Das alte Stück aus Deutschlands Kaiserzeit,
Wo, wenn mit Frevelsflüchen Rom gedräut
Die Mächtgen selber ihm zu Füßen fielen?
 
Und ahnt Ihr endlich, daß die Nacht muß weichen,
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In der noch finstrer Zauberwahn regiert
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Und manchen Wanderer ein trügend Zeichen
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Als Irrlicht in die tiefsten Sümpfe führt?
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Noch einmal zuckte jene Riesenschlange,
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Die zweite Hyder, welche Rom gebar,
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Ihr Haupt empor und rief der Christen Schar
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Zum Götzendienst mit schnödem Glaubenszwange.
 
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Sie meinte jubelnd schon zu triumphieren
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Und überall wuchs ihr ein neues Haupt,
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Da mochte wohl die Frage uns gebühren:
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Wer hat dies neue Gaukelspiel erlaubt? –
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Und mag es noch so glänzend sich gebärden,
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Nicht fürder wachsen soll die Lügensaat,
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Schon ist sie reif und eine Ernte naht,
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Wo all ihr Gift uns soll zum Heilkraut werden.
 
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Deutschland kann trotzen allen fremden Mächten
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Und lieber deutsch als römisch will es sein,
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Kein fremder Zwang soll seinen Glauben knechten,
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Ja, seinen Glauben muß es sich befrei’n.
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Umsonst schlug Hermann Romas Legionen,
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Umsonst wird ihm ein ehern Mal geweiht,
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Wenn Rom noch herrscht in später Enkel Zeit,
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Deutschland sich beugt wo einst gesiegt Teutonen.
 
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An uns’re Zeit ergeht ein heilig Mahnen,
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Ein heilig Mahnen an das Vaterland,
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An Deutschlands Volk: sei würdig Deiner Ahnen,
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Sei einig, knüpf in Dir ein dauernd Band.
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Wir stehen fragend an der Zukunft Pforten,
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Wir suchen Rat bei der Vergangenheit,
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Noch ist ein Traum ja Deutschlands Einigkeit –:
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Wir werden einig, wenn wir deutsch geworden!
 
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Ja nur erst deutsch, wir sind’s nur nach den Namen,
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Wohl auch im Sinn, doch nicht in Sitt und Brauch,
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In unsre Heimat streut man fremde Samen,
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Durch unsre Thäler weht ein fremder Hauch.
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Die fremde Saat tilgt von der fremden Erde,
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Das fremde Reich brecht ab vom deutschen Baum
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Gebt seinem Wachstum Luft und freien Raum –
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Dann erst ist’s Zeit, daß Deutschland einig werde!
 
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Du wirst Dich jetzt, mein Vaterland, erheben,
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Für Deinen Glauben trittst Du in die Schranken,
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Du willst nicht mehr im römschen Joche leben,
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Frei forderst Du den Glauben, den Gedanken.
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Heil ihm, der jüngst zuerst das Wort gesprochen,
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Das in dem Vaterland ein Losungswort!
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Ja, „deutschkatholisch“ schallt es hier und dort
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Und Rom erschrickt – der Zauber ist gebrochen.
 
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Wir wollen lieben, segnen und vergeben,
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Wir wollen Christentum in seiner Reinheit
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Und eine neue Kirche wird sich heben,
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Vielleicht ein würdig Sinnbild deutscher Einheit.
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Wir wollen nicht in blindem Haß entflammen,
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Deutschland wird frei, allein und groß bestehn,
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Mag wer da will gen Rom noch gläubig sehn –
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Es stürzt ja in sich selber doch zusammen.
 
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Nicht fürder soll es uns Gesetze schreiben,
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Der Deutsche darf die lange Schande rächen,
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Das römsche Recht vom Richterstuhle treiben,
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Denn mündig ist er, selbst sich Recht zu sprechen!
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Nur deutsches Flehn, nur deutsches Urteil sprecht
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Vorm Altar, vor der Armensünderbank –
71 
Die Güter heischt der neuen Zeiten Drang:
72 
Die deutsche Kirche und das deutsche Recht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.4 KB)

Details zum Gedicht „Römisch und Deutsch“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
515
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Römisch und Deutsch“ wurde von Louise Otto-Peters, eine der wichtigsten deutschen Frauenrechtlerinnen des 19. Jahrhunderts, geschrieben. Otto-Peters wurde 1819 geboren und starb 1895, daher lässt sich das Gedicht zeitlich in das 19. Jahrhundert einordnen.

Auf den ersten Blick beschäftigt sich das Gedicht mit dem Kampf gegen Fremdherrschaft und die Aufrechterhaltung der nationalen Identität des Deutschen Reiches. Otto-Peters thematisiert deutlich die Auseinandersetzungen zwischen dem „deutschen“ und dem „römischen“, das hier als Symbol für Fremdherrschaft und Knechtschaft steht.

Im Detail geht das Gedicht auf die Verwerfung römischer Herrschaft in Deutschland ein. Das lyrische Ich drängt darauf, dass Deutschland von ausländischen Einflüssen befreit wird und fordert die Deutschen auf, sich ihrer Identität und Stärke bewusst zu sein. In Anspielung auf historische Ereignisse wie die Schlacht im Teutoburger Wald, in der die Germanen die Römer besiegten, wird der Ruf nach Stärke und Unabhängigkeit betont. Das lyrische Ich sieht eine Zukunft voraus, in der Deutschland vereint und stark sein wird, befreit von römischen Einflüssen in Religion und Rechtssystem.

Das Gedicht „Römisch und Deutsch“ besteht aus neun Strophen, die alle jeweils acht Verse umfassen. Versucht man, die Reimstruktur zu bestimmen, so fällt auf, dass sie innerhalb der Strophen variiert und keine sich wiederholende Reimform wie etwa ein Kreuz- oder Paarreim zu erkennen ist. Obwohl die Reimstruktur uneinheitlich ist, sind dennoch Reime vorhanden, die den Klang des Gedichts beeinflussen.

In Bezug auf die Sprache verwendet Louise Otto-Peters starke und emotionale Wörter und Bilder, um ihre Botschaft zu vermitteln. Sie bedient sich der symbolischen Sprache und Metaphern, um den Druck und das Joch der römischen Herrschaft zu veranschaulichen sowie den Wunsch nach Selbstbestimmung und Freiheit der deutschen Nation. Die Verwendung von historischen Bezugnahmen wie „Hermann“ und „Roma“ betont die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit des Themas.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Römisch und Deutsch“ der Autorin Louise Otto-Peters. Im Jahr 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1850 entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 515 Worte. Weitere Werke der Dichterin Louise Otto-Peters sind „An Georg Herwegh“, „An Ludwig Börne“ und „An Richard Wagner“. Zur Autorin des Gedichtes „Römisch und Deutsch“ haben wir auf abi-pur.de weitere 106 Gedichte veröffentlicht.

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