Elbeisgang von Louise Otto-Peters
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Weg von der Brust ihr starren Eiseslasten, |
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Ich kann auch fürder nicht darauf ertragen! |
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Auf einem Strom seh gern ich stolze Masten |
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Und höre gern die leichten Ruder schlagen. |
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Und fühl ich einen Strom nicht in mir wallen |
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Des Herzens Fühlen in bewegten Wogen? |
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Drauf hört ich jetzt kein Fischerliedlein schallen, |
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Kein Schiff der Hoffnung kam einhergezogen. |
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Ja, alle Schiffe, die sonst schwer befrachtet |
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Mit gold’nen Liedern da und dorthin fahren, |
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Sie lagen still, zerfroren und verachtet, |
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Traurig wie Todesbilder zu gewahren. |
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Der Weg der Töne zu des Ruhms Altären |
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War jetzt mir nur zur glatten Eisbahn worden, |
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Gefroren fest von den erstarrten Zähren |
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Der Tausende die sich mit Liedern morden – |
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Denn Lieder Waffen sind, die uns verwunden, |
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Nicht fromme Kreuze um uns selbst zu segnen! |
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Denn Poesie schafft allen Schmerzensstunden |
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Gefährlich ist’s der Muse zu begegnen. |
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Nicht einmal diese Schmerzen sollt ich haben! |
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In mir war’s starr, kalt wie ein Wintermorgen. |
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Nur Eis und Schnee mein trotzig Herz umgaben, |
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Ich konnte nimmer seinen Schlägen horchen. |
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Was draußen noch das Leben frisch bewegte, |
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Das hört ich an wie eine fremde Kunde, |
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Zu keiner Thräne sich das Auge regte. |
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Kein Seufzer kam, kein Wort aus meinem Munde |
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In mir war’s still und dumpf, ja todesstille. |
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Nicht Schmerz, nicht Freude fühlt ich in mir wogen, |
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Gebrochen war die Thatkraft, war der Wille, |
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Wo Krähen krächzend um das Haupt mir flogen. |
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Und da geschah’s. Es kam ein mildes Wehen |
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Dann kam ein Sturm und brach des Stromes Banden |
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Die Eisesschollen ließ er fast zergehen. |
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Und rief im Trotz: Der Frühling ist erstanden! |
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Und von den Türmen hallte Festgeläute, |
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Die Glocke rief: Es ist der Herr erstanden! |
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Der Schnee ertrug nicht diese Osterfreude, |
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Er ward zunicht, er war vor ihr zu Schanden. |
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Da sank ich auf die Kniee brünstig nieder |
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Und meine Seele rief: „Ich bin erstanden!“ |
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Ein Ostern, einen Frühling hab ich wieder, |
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Den freien Strom begrüß ich als Verwandten. |
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Ein freier Strom braust wieder meine Lieder |
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Und grüßt mein Volk in allen deutschen Landen |
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Und alle Dichter grüßt die Hoffnung wieder: |
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Einst singen wir: „Mein Deutschland ist erstanden!“ |
Details zum Gedicht „Elbeisgang“
Louise Otto-Peters
12
48
351
1840-1850
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Elbeisgang“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst, die zwischen 1819 und 1895 lebte. Sie gilt als bedeutende Frauenrechtlerin und Mitbegründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Das lyrische Werk lässt sich in die Epoche des Realismus einordnen.
Beim ersten Lesen des Gedichts fallen die Naturmetaphern auf, die gleichzeitig für innere emotional-psychische Zustände des lyrischen Ichs stehen. Diese Metaphern ermöglichen eine Tiefeninterpretation des Textes.
Das lyrische Ich, welches als Otto-Peters selbst angenommen werden kann, spricht zu Beginn über eine Eislast, die es nicht mehr ertragen kann und sich nach dem Fluss mit stolzen Masten und leichten Ruderschlägen sehnt. Anschließend beschreibt es, wie ein innerer Fluss des Herzens vereist ist und anstatt fröhlicher Lieder und hoffnungsvoller Schiffe nur Stille und eine Atmosphäre wie in einem Todesbild vorherrscht. Sie spricht von eingefrorenen Liedern und der Gefahr der Poesie, die tiefgreifenden Schmerz hervorrufen kann. Das Ich beschreibt eine Zeit innerer Kälte und Gefühlslosigkeit und drückt Verzweiflung und Abgestumpftheit aus.
Diese Phase der Stille und Kälte wird jedoch in der neunten Strophe unterbrochen, als ein milder Wind und anschließend ein Sturm das Eis brechen. Hier greift das lyrische Ich auf das Bild des Frühlings und der Osterzeit zurück, was einer Wiederauferstehung und Neuanfang symbolisiert. Sie vergleicht ihre innere Erneuerung mit dem Schmelzen des Eises und der Rückkehr des Frühlings und endet mit der Hoffnungsbotschaft, dass auch das ganze Land, Deutschland, eine solche Renaissance erleben kann.
Form und Sprache des Gedichts sind traditionell, bestehend aus regelmäßigen vierzeiligen Strophen mit durchgängigem, paarendem Reimschema (aabb). Otto-Peters' Sprache ist bildreich und metaphorisch, geprägt von bildlichen Ausdrücken und Vergleichen. Sie verbindet Naturbilder (wie Eis, Fluss, Frühling) mit emotionalen Zuständen und gesellschaftspolitischen Hoffnungen.
Zusammenfassend erzählt das Gedicht von einer inneren Wandlung, die für Otto-Peters typisch ist: von Kälte und Stagnation zu Hoffnung und Erneuerung, vom inneren Tod zum Wiederauferstehen. Es spiegelt ihre Lebensphilosophie und ihr gesellschaftliches Engagement wider, insbesondere ihren Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung und Verbesserung von Frauenrechten.
Weitere Informationen
Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Elbeisgang“. Die Autorin Louise Otto-Peters wurde 1819 in Meißen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1850. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 351 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „Am Schluß des Jahres 1849“, „Am längsten Tage“ und „An Alfred Meißner“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Elbeisgang“ weitere 106 Gedichte vor.
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- An Richard Wagner
- Auf dem Kynast
Zum Autor Louise Otto-Peters sind auf abi-pur.de 106 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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