Der grüne Esel von Christian Fürchtegott Gellert

Wie oft weiß nicht ein Narr durch töricht Unternehmen
Viel tausend Toren zu beschämen!
 
Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel grün,
Am Leibe grün, rot an den Beinen,
Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehn;
Er zieht, und Jung und Alt erscheinen.
»Welch Wunder!« rief die ganze Stadt,
»Ein Esel, zeisiggrün! der rote Füße hat!
Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen,
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Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab!«
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Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen;
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Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab;
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Denn alles will den grünen Esel sehn,
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Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn.
 
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Man lief die beiden ersten Tage
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Dem Esel mit Bewundrung nach.
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Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,
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Wenn man vom grünen Esel sprach.
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Die Kinder in den Schlaf zu bringen,
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Sang keine Wärterin mehr von dem schwarzen Schaf;
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Vom grünen Esel hört man singen,
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Und so gerät das Kind in Schlaf.
 
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Drei Tage waren kaum vergangen:
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So war es um den Wert des armen Tiers geschehn.
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Das Volk bezeigte kein Verlangen,
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Den grünen Esel mehr zu sehn.
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Und so bewundernswert er anfangs allen schien:
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So dacht' itzt doch kein Mensch mit einer Silb' an ihn.
 
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Ein Ding mag noch so närrisch sein,
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Es sei nur neu, so nimmt's den Pöbel ein:
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Er sieht und er erstaunt. Kein Kluger darf ihm wehren.
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Drauf kömmt die Zeit und denkt an ihre Pflicht;
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Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu bekehren,
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Sie mögen wollen oder nicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Der grüne Esel“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
34
Anzahl Wörter
250
Entstehungsjahr
1715 - 1769
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der grüne Esel“ des Autors Christian Fürchtegott Gellert. Gellert wurde im Jahr 1715 in Hainichen geboren. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 250 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 34 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert sind „Krispin und Krispine“, „Das Testament“ und „Der reiche Geizhals“. Zum Autor des Gedichtes „Der grüne Esel“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.

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