Die beiden Schwalben von Christian Fürchtegott Gellert

1	Zwo Schwalben sangen um die Wette
2	Und sangen mit dem größten Fleiß;
3	Doch wenn die eine schrie, daß sie den Vorzug hätte,
4	Gab doch die andre sich den Preis.
5	Die Lerche kömmt. Sie soll den Streit entscheiden;
6	Und beide stimmen herzhaft an.
7	»Nun«, hieß es, »sprich, wer von uns beiden
8	Am meisterlichsten singen kann?«
9	»Das weiß ich nicht«, sprach sie bescheiden,
10	Und sah sie ganz mitleidig an
11	Und wollte sich nach ihrer Höhe schwingen.
12	Doch nein, sie suchten ihr den Ausspruch abzuzwingen.
13	»So«, sprach sie, »will ich's denn gestehn:
14	"Die kann so gut wie jene singen,
15	Doch singt, so lang ihr wollt, es singt doch keine schön.
16	Hört man das Lied geistreicher Nachtigallen:
17	So kann uns eures nicht gefallen.«
18	Ihr mittelmäßigen Skribenten,
19	O! wenn wir euch doch friedsam machen könnten!
20	Ihr zankt, wer besser denkt? Laßt keinen Streit entstehn.
21	Wir wollen keinen von euch kränken;
22	Der eine kann so gut wie jener denken;
23	Doch keiner von euch denket schön.
24	Ihr Schwätzer! zankt nicht um die Gaben
25	Der geistlichen Beredsamkeit.
26	So lange wir Mosheime haben:
27	So sehn wir ohne Schwierigkeit,
28	Daß ihr beredte Kinder seid.
29	Zankt nicht um eure hohen Gaben,
30	Ihr Gründlichen, o bleibt in Ruh'!
31	Du demonstrierst wie er, und er so fein wie du;
32	Allein so lange wir Leibnize vor uns haben:
33	So hört euch keine Seele zu.
34	O zankt nicht um des Phöbus Gaben,
35	Reimreiche Sänger unsrer Zeit!
36	Ihr alle reimt mit gleicher Fertigkeit;
37	Allein so lange wir noch Hagedorne haben:
38	So denkt man nicht daran, daß ihr zugegen seid.

Details zum Gedicht „Die beiden Schwalben“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Die beiden Schwalben“ ist Christian Fürchtegott Gellert. Gellert wurde im Jahr 1715 in Hainichen geboren. In der Zeit von 1731 bis 1769 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Der Schriftsteller Gellert ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 253 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Christian Fürchtegott Gellert ist auch der Autor für Gedichte wie „Der reiche Geizhals“, „Der Leichtsinn“ und „Das Kind mit der Schere“. Zum Autor des Gedichtes „Die beiden Schwalben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 164 Gedichte vor.

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• Nicht jede Besserung ist Tugend
• Der Jüngling und der Greis
• Krispin und Krispine
• Das Testament
• Der reiche Geizhals
• Der Leichtsinn
• Das Kind mit der Schere
• Der junge Krebs und die Seemuschel
• Das Glück und die Liebe

Zum Autor Christian Fürchtegott Gellert sind auf abi-pur.de 164 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.