Das junge Mädchen von Christian Fürchtegott Gellert

1	Ein junger Mensch sprach einen wackern Mann
2	Durch einen guten Freund um seine Tochter an.
3	Der Alte, der sein Kind noch nicht versprechen wollte,
4	War dennoch ungemein erfreut
5	Und bat den Freund mit vieler Höflichkeit,
6	Daß er bei ihm zu Tische bleiben sollte.
7	Die Tochter, ob sich gleich der Vater sehr verstellt,
8	Errät die Sache bald. »Was?« fängt sie an zu schließen,
9	»Ein fremder Herr, den man zu Tische gleich behält,
10	Was bringt doch der? Ich soll's nicht wissen;
11	Allein umsonst bückt er sich nicht so tief vor mir.
12	Ist auch der gute Freund wohl meinetwegen hier?«
13	Der Fremde hofft, es soll ihm noch gelingen,
14	Und wagt es bei dem Glase Wein,
15	Das Wort für seinen Freund noch einmal anzubringen.
16	»Mein Herr«, fiel ihm der Vater ein,
17	»O! denken Sie doch nicht, daß ich zu hart verfahre:
18	Mein Kind kann wirklich noch nicht frein,
19	Sie ist zu jung; sie ist erst vierzehn Jahre.«
20	Indem er dies noch sprach, trat Fickchen selbst herein
21	Und trug ein Essen auf. »Was?« fing sie an zu schrein,
22	»Was sagten Sie, Papa? Sie haben sich versprochen.
23	Ich sollt' erst vierzehn Jahre sein?
24	Nein, vierzehn Jahr und sieben Wochen.«
25	Ließ sie der Vater denn nicht frein?
26	Das weiß ich nicht; doch nein, ich will's nur sagen:
27	Denn unter denen, die mich fragen,
28	Da könnten wohl selbst junge Mädchen sein;
29	Die zu beruhigen, will ich's aufrichtig sagen:
30	Der Vater schämte sich und ließ die Tochter frein.

Details zum Gedicht „Das junge Mädchen“

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das junge Mädchen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Fürchtegott Gellert. Der Autor Christian Fürchtegott Gellert wurde 1715 in Hainichen geboren. Im Zeitraum zwischen 1731 und 1769 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Gellert handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 239 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert sind „Der Jüngling und der Greis“, „Krispin und Krispine“ und „Das Testament“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das junge Mädchen“ weitere 164 Gedichte vor.

Weitere Gedichte des Autors Christian Fürchtegott Gellert (Infos zum Autor)

• Der Selbstmord
• Nicht jede Besserung ist Tugend
• Der Jüngling und der Greis
• Krispin und Krispine
• Das Testament
• Der reiche Geizhals
• Der Leichtsinn
• Das Kind mit der Schere
• Der junge Krebs und die Seemuschel
• Das Glück und die Liebe

Zum Autor Christian Fürchtegott Gellert sind auf abi-pur.de 164 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.