Die Wachtel von Louise Otto-Peters

Der Mond vergoldet schon die Ähren,
Die Wachtel schlägt im hohen Korn,
Ein Lockruf tönt, ein hold Gewähren
Wie aus „des Knaben Wunderhorn.“
 
Und unterm Landvolk hör ich’s sagen:
„Wo sich ihr Nest die Wachtel baut,
Hat nie der Blitz noch eingeschlagen,
Der Hagel sich nicht hingetraut.“
 
Drum tönt’s wie eine frohe Kunde
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Durch’s ganze Dorf für Jung und Alt:
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„Die Wachtel baut im Wiesengrunde,
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Ihr trauter Ruf ringsum erschallt!“
 
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Die Saat der Freiheit wuchs und wallte
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Schon oft in Halmen hoch empor,
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Und mancher Freudenruf erschallte
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Ob ihres Blühens schönem Flor.
 
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Da kam es wie mit Donnerwettern,
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Und Blitz und Hagel fielen schwer,
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Die stolzen Halme zu zerschmettern –
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Am Boden lagen sie umher. –
 
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O sagt: wann wird die Wachtel bauen
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Auf dieser Flur, in diesem Feld,
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Daß wir die Halme sicher schauen,
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Wenn gut der Freiheit Saat bestellt?
 
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Noch haben wir kein sichres Zeichen,
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Daß nicht ein Wetter sie verheert –
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Am Himmel dunkle Wolken schleichen,
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Drinn steckt der Blitz als Feuerschwert.
 
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Und wird er aus der Scheide fahren,
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Trifft er der Freiheit grün Gebiet,
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Dann tröstet nur: „Vielleicht nach Jahren!“ –
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Das ist ja Euer altes Lied!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Die Wachtel“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
190
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Wachtel“, wurde von Louise Otto-Peters verfasst, einer deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, die im 19. Jahrhundert (geboren 1819, gestorben 1895) lebte. Daher kann man das Gedicht der Epoche des bürgerlichen Realismus zuordnen. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine idyllische Naturbetrachtung, jedoch finden sich darin tiefgründige gesellschaftliche und politische Aussagen.

Inhaltlich geht es im Gedichten um eine Wachtel, die ihr Nest in einem Kornfeld baut. Es wird betont, dass, wo immer die Wachtel ihr Nest baut, nie ein Blitz einschlägt oder Hagel fällt. Diese Information verbreitet sich als frohe Kunde im Dorf. Allerdings wandelt sich die Stimmung, wenn das Gedicht auf die Metapher der „Saat der Freiheit“ übergeht, die oft zum Wachsen gebracht wurde, aber immer wieder von Unwettern zerstört wurde. In den letzten beiden Strophen wird die Frage aufgeworfen, wann die Wachtel, als Symbol für Sicherheit und Frieden, ihr Nest auf diesem Felde der Freiheit bauen wird, damit dessen Saat sicher blühen kann.

Das lyrische Ich greift hier also das Thema Freiheit auf und die Schwierigkeiten und Hürden, diese in der Gesellschaft zu etablieren. Es drückt die Hoffnung aus, dass die Präsenz der Wachtel, als Glücks- und Sicherheitsbringer, die Durchsetzung und Bewahrung der Freiheit sichern könnte. Ebenso kommt Kritik zum Ausdruck, angesichts ständiger Rückschläge und anhaltender Ungewissheit.

Formal besteht das Gedicht aus acht gleich aufgebauten Strophen zu je vier Versen und folgt einem regelmäßigen Reimschema (Kreuzreim). Die Sprache ist einfach und verständlich, dennoch durchdrungen von Metaphern und symbolhaften Bildern (z.B. die Wachtel als Glückssymbol, die Saat als Metapher für die Freiheit, das Unwetter als Metapher für widrige Umstände und Widerstände). Der Verweis auf „'des Knaben Wunderhorn'“, eine Sammlung volkstümlicher Lieder und Gedichte, deutet auf die Inspiration aus dem Volksmund und ein Bewusstsein für kulturelles Erbe hin. Dies alles macht das Gedicht zu einer anspruchsvollen Reflexion über gesellschaftliche Zustände und politische Ideale, verpackt in einer scheinbar simplen Naturbeobachtung.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Die Wachtel“ ist Louise Otto-Peters. Im Jahr 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Im Jahr 1850 ist das Gedicht entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 190 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Louise Otto-Peters sind „An Georg Herwegh“, „An Ludwig Börne“ und „An Richard Wagner“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Die Wachtel“ weitere 106 Gedichte vor.

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