An Reimar Leo von Simon Dach

Jetzt schlaffen Berg' vnd Felder
Mit Reiff vnd Schnee verdeckt,
Auch haben sich die Wälder
In jhr weiß Kleid versteckt,
Die Ströme stehn geschlossen,
Vnd sind in stiller Ruh,
Die lieblich sonst geflossen
Mit lauffen ab vnd zu.
 
Die Bäume, die sonst tragen
10 
Schön Obst in grün verkleidt,
11 
Die müssen jetzt beklagen
12 
Des strengen Nordens Neid,
13 
Nichts ist anjetzt zu finden,
14 
Was sonsten vns erfrewt,
15 
Die Lust der Berg' vnd Gründen
16 
Ist jetzund Trawrigkeit.
 
17 
So lange biß sich reget
18 
Der sanffte Westenwind,
19 
Vmb Berg' vnd Feld sich leget,
20 
Zun Wäldern auch sich findt
21 
Vnd weckt, was sich verkrochen
22 
Hatt' in den tieffen Schnee:
23 
Der Lentz ist angebrochen,
24 
Ein jedes nun auffsteh':
 
25 
Alß muß die Welt erwachen,
26 
Das Winterkleidt außziehn,
27 
Die Berg' vnd Felder lachen,
28 
Die Hügel werden grün,
29 
Die Wälder sich vernewen,
30 
Ein jedes sich erfrewt,
31 
Wie wann man geht zum Reyen,
32 
Vnd anders sich verkleidt.
 
33 
Die Ströme müssen lauffen
34 
In jhren alten Gang,
35 
Der Vögel leichte Hauffen
36 
Stimpt an den Lobgesang,
37 
Die Lerche thut sich schwingen,
38 
Schreyt in die Lufft hinein:
39 
Wir, wir, wir, wir, wir singen
40 
Dir, dir, dir Gott allein.
 
41 
Jetzt steht das Heer der Sternen
42 
Am Himmel auff der Wacht,
43 
Vnd leuchten vns von fernen,
44 
Vmb das es Mitternacht,
45 
Bald wird mit jhren Straalen
46 
Aurora bey vns seyn,
47 
Der Berge Spitzen mahlen,
48 
Die Sternen führen ein.
 
49 
Nichts mag gefunden werden,
50 
Was nicht den Wechsel helt,
51 
Bald steht ein Ding auff Erden,
52 
Bald hin es wieder felt,
53 
Vorauß wir die wir schweben
54 
Vmb dieses wüste rund,
55 
Daß dieß sey vnser Leben,
56 
Ist allenthalben kund.
 
57 
Wir müssen außgetauschet
58 
Eins vmb das ander seyn,
59 
Wie eine Flut hinrauschet,
60 
Die andre schlegt herein,
61 
So bald wir vns verkriechen
62 
Ein jeder in das Grab
63 
Vnd Todes sind verbliechen,
64 
Sind die vns lösen ab.
 
65 
Das grosse Hauß der Erden
66 
Das nemmen ander' ein,
67 
Die schon gebohren werden,
68 
Dieweil wir hie noch seyn,
69 
Darumb wir offt vns hassen
70 
Vnd krencken ohne Ruh,
71 
Daß muß man andern lassen
72 
Vnd Rückwerts sehen zu.
 
73 
Der Wechsler aller Sachen,
74 
Der fest hierüber helt,
75 
Hat dieses war zu machen
76 
Bey Euch auch auffgestelt,
77 
Fraw Braut, der Euch ergetzet,
78 
Nach dem er abgeführt,
79 
Der sich mit Euch geletzet
80 
Vnd ewer Hertz gerührt.
 
81 
Der Leib bloß ohne Sinnen
82 
Ist todt vnd muß vergehn,
83 
Die Regimenter künnen
84 
Nicht ohne Häupt bestehn,
85 
Ohn' jhren König sterben
86 
Die Bienen, ohne Hirt
87 
Die Herde muß verderben,
88 
Ein Hauß auch ohne Wirt.
 
89 
Drumb jhr die Stell' ersetzet
90 
Recht wol mit einem Mann,
91 
Der Euch in dem ergetzet,
92 
Was Euch mag liegen an,
93 
Doch seyd jhr deß Bescheiden
94 
Sampt allen in gemein:
95 
Vermischtes Leid mit Frewden
96 
Muß jeder Ehstand seyn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.5 KB)

Details zum Gedicht „An Reimar Leo“

Autor
Simon Dach
Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
96
Anzahl Wörter
434
Entstehungsjahr
1649
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „An Reimar Leo“ ist Simon Dach. Dach wurde im Jahr 1605 in Klaipeda (Memel) geboren. 1649 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Dach ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entfaltete. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinflusst – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für großes Leid bei der Bevölkerung Europas. So verkleinerte sich die Bevölkerung in Deutschland von ca. 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Die Literaturepoche des Barocks zeichnet sich hauptsächlich durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es in der Literatur des Barocks vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Wollust und Tugend oder Weltzugewandtheit und Weltverneinung. Der Barock war die erste Epoche, die in Deutschland zur Folge hatte, dass Literatur von nun an nicht mehr in lateinischer Sprache, sondern auch auf Deutsch veröffentlicht wurde. Eine besondere zur Zeit des Barock priorisierte Form der Lyrik stellte das sogenannte Sonett dar. Die wichtigen Vertreter der Lyrik im Barock sind Martin Opitz, Paul Fleming, Andreas Gryphius, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Simon Dach, Johann Christian Günther, Angelus Silesius und Friedrich von Logau.

Das 434 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 96 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Weitere Werke des Dichters Simon Dach sind „Wenn Gott von allem Bösen“, „Betrachtung der unseligen Ewigkeit“ und „Es wil des lieben Creutzes Pein“. Zum Autor des Gedichtes „An Reimar Leo“ haben wir auf abi-pur.de weitere 255 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Simon Dach (Infos zum Autor)

Zum Autor Simon Dach sind auf abi-pur.de 255 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.