Die Wolken von Stefan Zweig

Vom Glanz des Mittags golden angeglüht
Lieg' ich im Gras. Ich bin so wohlig müd.
 
Ein Schweigen flimmert. Warmen Atems ruht
Das Leben aus. Nur hoch in blauer Flut
 
Gehn Wolken hin ... Ich seh' die linden leisen
Gestalten leichtbeschwingt wie Träume reisen.
 
So weiß sind sie, so lächelnd aller Schwere,
Daß ich zutiefst so leises Glück begehre.
 
Du erste, träumerisch und mädchenzart,
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Dir geb' ich meine Sehnsucht auf die Fahrt,
 
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Und dir, du zweite, mit den hellen schnellen
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Armen dich stoßend durch die blauen Wellen,
 
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Nimm die Erinnerung! Die kettet an
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Die Welt mein Herz. Du weißer wilder Schwan
 
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Schaust auch die Welt, doch deine Schwingen spüren
16 
Die Dinge nicht, die sie im Flug berühren.
 
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Und du mit dem demantenen Geleucht,
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Nimm diese Träume, noch von Tränen feucht!
 
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Du Dunkle aber, wandernd ohne Ziel,
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Verliebten Winds unwilliges Gespiel,
 
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Du nimm mein Leid an deine vollen Brüste
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Und wieg' es weiter! Ferne winkt die Küste
 
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Des Abends schon wie dunkelblaue Seide. ?
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Ihr Wolken, weißes wehendes Geschmeide,
 
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Wie rasch ihr geht! Mit lauen Händen streicht
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Der Wind euch weiter. Und mein Herz wird leicht.
 
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Was Unrast noch in meinem Blute war,
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Weht weit im Wind wie loses Frauenhaar.
 
29 
Was sehnte ich? Ich seh die Wolken wehn,
30 
Ihr Lächeln friedsam auf mich niedersehn.
 
31 
Nichts will ich mehr ... Der letzte Wunsch entglitt.
32 
Nichts hält mich mehr ... Ich reise träumend mit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Die Wolken“

Autor
Stefan Zweig
Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
226
Entstehungsjahr
1881 - 1942
Epoche
Moderne,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Wolken“ stammt von Stefan Zweig, einem österreichischen Schriftsteller und Pazifisten, der von 1881 bis 1942 lebte. Zeitlich ist sein Schaffen dem späten Naturalismus, dem symbolistischen Modernismus und der anschließenden literarischen Moderne zu zuordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht entspannt und meditativ. Es spiegelt eine Szenerie wider, in der das lyrische Ich regungslos im Gras liegt und den Himmel beobachtet, während die Wolken am Himmel vorbeiziehen.

Das lyrische Ich beschreibt insbesondere die Beobachtung und die kommunikative Interaktion mit den Wolken und seine Gefühle in Bezug auf diese Betrachtung. Es wirkt, als ob das lyrische Ich seine Gedanken, Träume, Sehnsüchte, Vergangenheiten und seinen Kummer mit den Wolken teilt, in der Hoffnung, dass sich dadurch seine Seele erleichtert. Dadurch repräsentieren die Wolken nicht nur physikalische Phänomene, sondern werden zu metaphorischen Trägern für das Innenleben des lyrischen Ichs.

Das Gedicht ist in einem traditionellen Versmaß, dem Jambus, verfasst und besteht aus 16 umarmten Reimpaaren. Jede Strophe besteht aus zwei Versen und die Anzahl der Silben variiert zwischen zehn und sechzehn pro Vers. Hinsichtlich des Satzbaus verwendet Zweig zumeist Hauptsätze, die den Inhalt klar und deutlich vermitteln. Damit betont er die thematische Bedeutung der Wolken und deren metaphorische Verwendung.

Die Bildsprache ist hochentwickelt und schafft ein Gefühl der Leichtigkeit und Idylle und eine Atmosphäre der Kontemplation. Das lyrische Ich ist in einer passiven Position, beobachtet und reflektiert, während die Situation ihm ein Gefühl der Loslösung, des Loslassens und der Selbsterneuerung verleiht. Es überwindet seine Angst, seinen Kummer und seine Vergangenheit und überlässt diese den Wolken, den Boten des Himmels.

Abschließend ließe sich erklären, dass Stefan Zweigs Gedicht „Die Wolken“ eine Allegorie auf das Loslassen von Ängsten, Lasten und dem Festhalten an der Vergangenheit darstellt. Es zeigt, wie das lyrische Ich durch einfache Naturbeobachtung zur Selbsterkenntnis und inneren Freiheit gelangt. Darüber hinaus kann diese Reflexion als ein Beweis für Zweigs Pazifismus und seine Überzeugung, dass einzelne Beobachtungen und Wertschätzungen den Menschen Frieden und Beruhigung bringen, gedeutet werden.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Wolken“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Stefan Zweig. 1881 wurde Zweig in Wien geboren. Im Zeitraum zwischen 1897 und 1942 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Exilliteratur zugeordnet werden. Der Schriftsteller Zweig ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Schriftsteller ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. Daraufhin flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur bildet eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den typischen Themenschwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus ausmachen. Anders als andere Epochen der Literatur, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das vorliegende Gedicht umfasst 226 Wörter. Es baut sich aus 16 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Gedichte „Nach dem Frühlingsregen“, „Noch immer hat kein liebes Band“ und „Morgenlicht“ sind weitere Werke des Autors Stefan Zweig. Zum Autor des Gedichtes „Die Wolken“ haben wir auf abi-pur.de weitere 12 Gedichte veröffentlicht.

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