Meine Pfleglinge von Georg Busse-Palma

Als ich heut über die Wiesen ging,
Sah ich mit einmal ein seltsam Ding.
Kleine Gesellchen
Mit langen Löffeln und braunen Fellchen
Trottelten dort so behaglich umher,
Als ob auch rein gar nichts zu fürchten wär'.
 
Leise trat ich an sie heran,
Sah mir die Tierchen von nahe an:
Dicke Mäulchen, dumme Gesichter,
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Das rechte drei Tag alte Häschengelichter.
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Wie sie noch guckten: was mag das sein?
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Hüllte mein Sacktüchel beide schon ein.
 
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Hase und Häsin verfielen dem Schrot.
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Zur Schonzeit schoß sie ein Tölpel tot.
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Elend zu Grund wär die Brut wohl gegangen
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Hatte zu laufen kaum angefangen
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Hätt' ich die Waislein nicht zeitig entdeckt
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Und sie geschwind in die Tasche gesteckt.
 
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Als ich sie glücklich nach Hause gebracht,
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Schnell ward ein Körbchen zurecht gemacht.
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Gräser und Klee und zum reichlichen Leben
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Ward noch ein Fläschlein voll Milch gegeben,
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Oben ein Luller, und alle zwei Stund'
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Kriegten die Kerlchen das Ding in den Mund.
 
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Hei wie sie tranken! Es war eine Lust.
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Just wie ein Kindlein die Mutterbrust.
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Waren sie hungrig, die zierlichen Dinger,
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Nahmen sie gläubig auch meinen Finger;
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Und blieb der trocken und tränkte sie nicht,
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Zu allerliebst dämlich war dann ihr Gesicht!
 
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Waren so klein, so täppisch und dumm,
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Krempelten dennoch mich um und um.
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Jeden Abend und jeden Morgen
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Dachte ich: du hast doch für einen zu sorgen.
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Ist es kein Weib, ist es kein Kind,
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Sei froh, daß es wenigstens Häschen sind!
 
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Wer nicht viel Liebe empfangen im Leben,
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Hat ach so viel Liebe zum weitergeben!
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Auf wen ich sie lege, auf wen ich sie wende,
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Es hält über allem der Herr seine Hände.
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Und ob mich auch tausend drum töricht schelten:
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Auch diese Liebe wird Gott vergelten!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Meine Pfleglinge“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
284
Entstehungsjahr
1876 - 1915
Epoche
Naturalismus,
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Meine Pfleglinge“ stammt von Georg Busse-Palma, einem Dichter, der vom 20. Juni 1876 bis zum 14. Februar 1915 lebte. Es ist daher dem ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zuzuordnen.

Bei einer ersten Betrachtung springt die sanfte, fast kindliche Zärtlichkeit ins Auge, mit der die Situation beschrieben wird. Das lyrische Ich erzählt von einer Begegnung mit zwei kleinen Hasen, die es in seine Obhut nimmt und pflegt, nachdem ihre Eltern getötet wurden.

Das Gedicht erzählt eine Geschichte von Liebe und Fürsorge. Das lyrische Ich findet zwei verwaiste Hasenkinder und nimmt sie bei sich auf. Es wendet ihnen seine Liebe und Fürsorge zu und gibt ihnen das, was sie zum Überleben benötigen. Die Liebe, die das lyrische Ich zu den Hasen empfindet, steht im Widerspruch zur Welt, die diese Tiere gejagt und ihre Eltern getötet hat. Es wird betont, dass diese Liebe vor Gott gültig ist, und es wird angedeutet, dass vielleicht die Menschen in ihrer Tendenz zur Gewalt und Grausamkeit hier der Lektion bedürfen.

Was die Form betrifft, so besteht das Gedicht aus sieben Strophen, die jeweils aus sechs Zeilen bestehen. Die Reime sind klar und deutlich, was dem Ganzen einen eher einfachen und direkten Ton verleiht. Die Sprache ist leicht verständlich und unkompliziert, was zur Einfachheit der Botschaft beiträgt, die das Gedicht vermitteln will. Es gibt eine Reihe von liebevollen und zärtlichen Beschreibungen der Hasen – „Kleine Gesellchen / Mit langen Löffeln und braunen Fellchen“ – die zur positiven Stimmung und heimeligen Atmosphäre des Gedichts beitragen.

Die Liebe, die das lyrische Ich für seine Pfleglinge zeigt, sowie die Tendenz zu kindlichen Beschreibungen, legen die Vermutung nahe, dass es sich um eine Person handelt, die selbst keine eigenen Kinder hat (Verse 35 und 36). Dies wird auch durch die Zeile „Wer nicht viel Liebe empfangen im Leben, / Hat ach so viel Liebe zum weitergeben!“ unterstrichen. Hier wird eine universelle menschliche Botschaft transportiert, die auf Erkenntnisse von Mitgefühl und Liebe verweist, die von jedem Lebewesen empfangen und gegeben werden können.

Zusammengefasst handelt es sich bei „Meine Pfleglinge“ um ein liebevolles und engagiertes Gedicht, das eine Botschaft von Fürsorge und Mitgefühl vermittelt und auf die Fähigkeit aller Menschen hinweist, Liebe zu erleben und zu teilen, auch in unerwarteten Kontexten und mit unerwarteten Geschöpfen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Meine Pfleglinge“ des Autors Georg Busse-Palma. 1876 wurde Busse-Palma in Lindenstadt bei Birnbaum/Posen geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1892 bis 1915 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 284 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Weitere Werke des Dichters Georg Busse-Palma sind „Erloschen“, „Unnütz“ und „Trost“. Zum Autor des Gedichtes „Meine Pfleglinge“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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