Fragen eines lesenden Arbeiters von Bertolt Brecht

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen
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Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
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Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
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Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
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Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
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Der junge Alexander eroberte Indien.
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Er allein?
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Cäsar schlug die Gallier.
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Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
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Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
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Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
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Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
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Siegte außer ihm?
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Jede Seite ein Sieg.
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Wer kochte den Siegesschmaus?
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Alle zehn Jahre ein großer Mann.
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Wer bezahlte die Spesen?
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So viele Berichte.
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So viele Fragen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
162
Entstehungsjahr
1898 - 1956
Epoche
Exilliteratur,
Nachkriegsliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ wurde von Bertolt Brecht verfasst, einem bedeutenden dramatischen Autor und Lyriker des 20. Jahrhunderts. Das Gedicht wurde vermutlich zwischen den 1920er und 1940er Jahren, in der Phase seiner Karriere, in der er sich verstärkt mit dialektischer Theorie und Marxismus auseinandersetzte, geschrieben.

Beim ersten Eindruck kann man die Kritik gegenüber historischer Darstellung und die Wertschätzung der Arbeiterschaft erkennen, die Brecht in seinen Werken häufig zum Vorschein bringt. Der Titel deutet auf das lyrische Ich hin, einen lesenden Arbeiter, der die historischen Ereignisse hinterfragt, die oft von den herrschenden Klassen überliefert werden.

Der Inhalt des Gedichts scheint auf den ersten Blick eine Serie von Fragen zu sein. Doch dahinter verbirgt sich eine Kritik an der Darstellung der Geschichte, in der die Arbeitenden und die unterdrückten Klassen oft nicht erwähnt werden. Brecht spielt auf die Rolle an, die diese Menschen in der Gestaltung der Weltgeschichte gespielt haben - das Bauen von Städten, die Unterstützung von Kaisern und Königen und die Bezahlung für die Kriegsführung.

Brecht nutzt einfache, direkte Sprache, um eine starke Botschaft zu vermitteln. Die Form des Gedichts ist freier Vers ohne strikte Reimstruktur, was typisch für Brechts Stil ist. Er stellt die Fragen rhetorisch, um die Leser zum Nachdenken zu zwingen.

Zusammenfassend, stellt Brecht in „Fragen eines lesenden Arbeiters“ die etablierte Darstellung der Geschichte in Frage und betont die oft übersehene Rolle der Arbeiterklasse und der Unterdrückten in der Gestaltung der Welt um uns herum. Durch seine einfache Sprache und seine klare Botschaft bleibt dieses Gedicht ein relevantes Stück Literatur, das heute genauso bedeutsam ist wie zur Zeit seiner Veröffentlichung.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ des Autors Bertolt Brecht. Brecht wurde im Jahr 1898 in Augsburg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1914 bis 1956 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Exilliteratur oder Nachkriegsliteratur zuordnen. Bei Brecht handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen viele Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Die anderen Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 27 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 162 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Bertolt Brecht sind „Schlechte Zeit für Lyrik“, „Von der Freundlichkeit der Welt“ und „Die Lösung“. Zum Autor des Gedichtes „Fragen eines lesenden Arbeiters“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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