Der Vulkan von Bettina von Arnim

Ja, die Zeichen sind alle erfüllet,
Als sich der Himmel so dunkel umhüllet,
Sonne auf blutenden Gleisen entstieg.
Wie die häuslichen Tiere sich bargen,
Ha, da schauderte allen vorm Argen,
Ahnend der Unteiwelt nahenden Sieg.
 
Glühender; stiller werden die Winde,
Vögel verfliegen vom Neste geschwinde,
Säulen des Wassers wirbeln im Meer.
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Rollende Donner von unten und oben,
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Gegen die Flammen, die unter uns toben
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Stiebet der Himmel in Blitzen sich leer.
 
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Gärende Tiefe will neu sich erheben,
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Unterwelt-Schatten durchstoßen im Beben
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Lieblicher Auen blühenden Grund.
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Jupiter schleudert vergeblich die Blitze
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Von des dröhnenden Götterbergs Spitze
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Nach des Vulkanes eröffnetem Schlund.
 
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Weh, die Titanen sich wieder erkühnen,
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Schon die feurigen Augen erschienen,
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Schon der dampfende Atem sich hebt,
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Schön wie ein Fruchtbaum im Herbste
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zu schauen,
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Doch den Früchten ist nimmer zu trauen,
 
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Denn sie zerschmettern alles, was lebt.
 
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Sehet, die Zähne im geifernden Munde
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Reißen dem Berge die berstende Wunde,
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Lange verschlossen die glühende Wut.
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Sehet, der Atem der Riesen entbrennet,
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Zündend mit bläulicher Flamme, hinrennet
 
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Wider der Menschen kämpfenden Mut.
 
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Könnten sie dräuend die Glieder noch regen,
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Kämpfend die Brust entgegen ihm legen,
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Fühlten sie rächend dies Leiden nicht ganz.
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Aber in glühenden Armen sie schwinden,
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Mutige Augen im Schauen erblinden,
 
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Flammend verrinnet begeisternder Glanz.
 
38 
Erde und Himmel zusammen sich brennen,
39 
Chaos, das alte, will keinen erkennen,
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Wehe dem Besten, der alles das sieht.
41 
Jeglicher glaubt sich geblendet der letzte,
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Ehe die strömende Lava sich setzte,
 
43 
Wie sie da drohend hier nieder sich zieht! -
 
44 
Doch da stehet der Glutstrom gebannet,
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Langsam sich jeder vom Schrecken ermannet,
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Suchet und findet das eigene Haus,
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Forschet und findet die Seinen entzücket,
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Wie sie dem Feinde alle entrücket,
 
49 
Alle erkennen ein Wunder im Graus.
 
50 
Leiser ertönt der siegende Himmel,
51 
Ziehet zum Berge der Wolken Getümmel,
52 
Ströme zum alten Bette zurück,
53 
Kühlende Blitze durchspielen die Ferne,
54 
Einzeln entzünden sich wieder die Sterne
 
55 
Wie der Versöhneten liebender Blick.
 
56 
Luna, die ziehet im glänzenden Wagen,
57 
Schauet verwundert die Freuden und Klagen,
58 
Leuchtet, beleuchtend das Wallen der Welt,
59 
Daß die Verirrten die Straßen erkennen
60 
Und die Verwirrten sich freudig anrennen...
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Vulkan“

Anzahl Strophen
16
Anzahl Verse
60
Anzahl Wörter
344
Entstehungsjahr
1785 - 1859
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bettina von Arnim ist die Autorin des Gedichtes „Der Vulkan“. 1785 wurde Arnim in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1801 und 1859. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bei der Schriftstellerin Arnim handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Epoche lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Schriften gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde ausgedrückt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 16 Strophen und umfasst dabei 344 Worte. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Bettina von Arnim sind „Eros“, „Petöfi dem Sonnengott“ und „Seelied“. Zur Autorin des Gedichtes „Der Vulkan“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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