Seelied von Bettina von Arnim

Es schien der Mond gar helle,
Die Sterne blinkten klar,
Es schliefen tief die Wellen,
Das Meer ganz stille war.
 
Ein Schifflein lag vor Anker,
Ein Schiffer trat herfür:
Ach wenn doch all mein Leiden
Hier tief versunken wär.
 
Mein Schifflein liegt vor Anker,
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Hat keine Ladung drin,
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Ich lad ihm auf mein Leiden
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Und laß es fahren hin.
 
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Und als er sich entrissen
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Die Schmerzen mit Gewalt,
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Da war sein Herz zerrissen,
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Sein Leben war erkalt'.
 
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Die Leiden all schon schwimmen
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Auf hohem Meere frei,
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Da heben sie an zu singen
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Eine finstre Melodei.
 
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Wir haben festgesessen
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In eines Mannes Brust,
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Wo tapfer wir gestritten
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Mit seines Lebens Lust.
 
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Nun müssen wir hier irren
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Im Schifflein hin und her:
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Ein Sturm wird uns verschlingen,
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Ein Ungeheuer im Meer.
 
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Da mußten die Wellen erwachen
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Bei diesem trüben Sang;
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Verschlangen still den Nachen
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Mit allem Leiden bang.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Seelied“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
146
Entstehungsjahr
1785 - 1859
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das hier vorgelegte Gedicht „Seelied“ stammt von der Autorin Bettina von Arnim, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, während der Epoche der Romantik, lebte. Sie ist bekannt für ihre umfangreiche Korrespondenz mit bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Zeit und kam durch ihre Ehe mit dem Dichter Achim von Arnim in engen Kontakt mit der literarischen Welt.

Bereits auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht melancholisch und düster. Die Seelandschaft und das Meer werden als Schauplätze der inneren Gefühlswelt des lyrischen Ichs genutzt, eine typische Charakteristik der Romantik.

Im Zusammenhang erzählt das Gedicht die Geschichte eines Mannes, der sein seelisches Leiden auf ein Schiff verlädt und dieses davonsegeln lässt, in der Hoffnung, dass dadurch seine Schmerzen gelindert werden. Dabei ist das Meer Ausdruck seiner inneren Gefühle und die Abwendung seiner Leiden wird als ein tiefgreifender Schmerz dargestellt, der sein Herz zerreißt und sein Leben erkaltet.

Im Fortgang des Gedichts erfolgt eine Personifikation seiner Leiden, die auf dem Meer schwimmen und eine düstere Melodie anstimmen. Sie erzählen, wie sie in der Brust des Mannes gelebt und mit seiner Lebenslust gekämpft haben. Nun sollen sie durch einen Sturm oder ein Meeresungeheuer verschlungen werden, wodurch die Leiden des Mannes ins Vergessen geraten.

Das Gedicht ist in einer präzisen Form mit acht gleich langen Strophen aus jeweils vier Versen verfasst. Die Sprache ist einfach und klar, ohne abstrakte oder komplizierte Metaphern und Symbole. Die Strophenbauart und die Versform sind für die Romantik typisch.

Die maritime Symbolik sowie der zentrale Konflikt zwischen den persönlichen Leiden und der Lebenslust des Protagonisten spiegeln einen zentralen Topos der Romantik wider, nämlich die Sehnsucht nach einem Leben jenseits von Leiden und Einschränkungen, selbst wenn der Preis hierfür der Tod ist.

Abschließend lässt sich sagen, dass Bettina von Arnim in ihrem Gedicht „Seelied“ eine typisch romantische Weltsicht präsentiert, in der individuelle Leidensgeschichten durch detaillierte Naturbetrachtungen zum Ausdruck gebracht werden. Dabei eröffnet sie den Lesern die Möglichkeit, eigene Gefühle und Lebenserfahrungen zu reflektieren und diese in einem größeren Zusammenhang zu sehen.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Seelied“ ist Bettina von Arnim. Die Autorin Bettina von Arnim wurde 1785 in Frankfurt am Main geboren. Im Zeitraum zwischen 1801 und 1859 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Die Schriftstellerin Arnim ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Die zentralen Motive der Literatur der Romantik sind das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Romantiker sehnen sich nach der Einheit von Geist und Natur. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 146 Worte. Die Gedichte „Der Vulkan“ und „Auf diesem Hügel...“ sind weitere Werke der Autorin Bettina von Arnim. Zur Autorin des Gedichtes „Seelied“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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