Warum, mein Gott? von Franz Werfel

Was schufst du mich, mein Herr und Gott,
der ich aufging, unwissend Kerzenlicht,
und da bin jetzt im Winde meiner Schuld,
was schufst du mich, mein Herr und Gott,
zur Eitelkeit des Worts,
und daß ich dies füge
und trage vermessenen Stolz,
und in der Ferne meiner selbst
die Einsamkeit?!
10 
Was schufst du mich zu dem, mein Herr und Gott?
 
11 
Warum, warum nicht gabst du mir
12 
zwei Hände voll Hilfe,
13 
und Augen, waltend Doppelgestirn des Trostes?
14 
und eine Stimm aprilen, regnend Musik der Güte,
15 
und Stirne überhangen
16 
von süßer Lampe der Demut?
17 
Und einen Schritt durch tausend Straßen,
18 
am Abend zu tragen alle
19 
Glocken der Erde
20 
ins Herz, ins Herze des Leidens ewiglich?!
 
21 
Siehe, es fiebern
22 
so viele Kindlein jetzt im Abendbett,
23 
und Niobe ist Stein und kann nicht weinen.
24 
Und dunkler Sünder starrt
25 
in seines Himmels Ausgemessenheit.
26 
Und jede Seele fällt zur Nacht
27 
vom Baum, ein Blatt im Herbst des Traumes.
28 
Und alle drängen sich um eine Wärme,
29 
weil Winter ist
30 
und warme Schmerzenszeit.
 
31 
Warum, mein Herr und Gott, schufst du mich nicht
32 
zu deinem Seraph, goldigen, willkommen,
33 
der Hände Kristall auf Fieber zu legen,
34 
zu gehn durch Türenseufzer ein und aus?!
35 
Gegrüßt und geheißen:
36 
Schlaf, Träne, Stube, Kuß, Gemeinschaft, Kindheit, mütterlich?!
37 
Und daß ich raste auf den Ofenbänken,
38 
und Zuspruch bin, und Balsam deines Hauses,
39 
nur Flug und Botengang, und mein nichts weiß,
40 
und im Gelock den Frühtau deines Angesichts!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Warum, mein Gott?“

Autor
Franz Werfel
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
232
Entstehungsjahr
1890 - 1945
Epoche
Expressionismus,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Warum, mein Gott?“ des Autors Franz Werfel. Der Autor Franz Werfel wurde 1890 in Prag / Österreich-Ungarn geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1906 und 1945. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Expressionismus oder Exilliteratur zuordnen. Werfel ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den typischen Themenschwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus ausmachen. Anders als andere Epochen der Literatur, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das vorliegende Gedicht umfasst 232 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere Werke des Dichters Franz Werfel sind „Was ein Jeder sogleich nachsprechen soll“, „Geheimnis“ und „Gesang einer Frau“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Warum, mein Gott?“ weitere 22 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Franz Werfel

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Franz Werfel und seinem Gedicht „Warum, mein Gott?“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Franz Werfel (Infos zum Autor)

Zum Autor Franz Werfel sind auf abi-pur.de 22 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.