Der Eremit und das Glück von Friedrich von Hagedorn

Es lebt ein Eremit, der, eitlem Zwange feind,
Die Kunst der schlauen Wollust lernet,
Die keine Mühe kennt, vom Ekel weit entfernet,
Nach dem Genusse schöner scheint.
 
Verzeiht es mir, erhabne Musensöhne,
Für die schon unsre Pflicht den Lorbeerkranz bestellt,
Mein Held ist kein gelehrter Held;
Und er besaß auf dieser Welt
Nichts, als ein Buch, ein Glas, und eine Schöne.
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Doch diese drei, ihn zu erfreun,
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Sind, wie man sagt, nur selten ungelesen,
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Unangefüllt, und ungeküßt gewesen.
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Er lebet. Wie gar viel schließt dieses Wort nicht ein!
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Ihr Weisen, saget mir, heißt leben mehr, als sein?
 
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Ihn hält ein Schieferdach vor Neid und Hohn verstecket.
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Einst, als er unbesorgt bei seiner Phyllis saß,
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Und so die Welt, wie ihn die Welt vergaß,
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Ward er um Mitternacht durch einen Lärm geschrecket.
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Man klopft an seine Thür. Er horcht. Wer ist's? Das Glück.
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Macht auf! ich bin es selbst. Ihr selbst? Wer darf es wagen,
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Wer ist so groß, nur einen Augenblick
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Dem Glück, und was ihm folgt, die Einkehr abzuschlagen?
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Ihr zögert? macht uns auf! Der Eremite spricht:
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Geht weiter, Freund, ich kenn' euch nicht,
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Die Herberg ist zu klein, zu schlecht, euch zu empfangen.
 
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Ruhm, Ehre, Hoheit sind bei mir,
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Erwiderte das Glück; sie kommen jetzt zu dir.
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Das ist mir wahrlich leid; es ist kein Platz allhier.
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Bewirthe doch zum mindsten das Verlangen.
 
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Auch dieses wird, versetzt der Biedermann,
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Hier diese Nacht kein Lager kriegen;
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Man trifft ein einzig Bett hier an;
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Und das gehöret dem Vergnügen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Der Eremit und das Glück“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
33
Anzahl Wörter
249
Entstehungsjahr
1708 - 1754
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Eremit und das Glück“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich von Hagedorn. Geboren wurde Hagedorn im Jahr 1708 in Hamburg. Zwischen den Jahren 1724 und 1754 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Der Schriftsteller Hagedorn ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 33 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 249 Worte. Friedrich von Hagedorn ist auch der Autor für Gedichte wie „Leichen-Carmen“, „An den Schlaf“ und „Die Nacht“. Zum Autor des Gedichtes „Der Eremit und das Glück“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 252 Gedichte vor.

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