Ueber eben Dieselbe von Albrecht von Haller

Geliebte! wann itzt solch ein Name
Nicht zu vermessen ist von mir,
Ich weiß, daß nichts von Leid und Grame
Mehr Wege finden kann zu dir;
Doch, wann vom Licht der wahren Sonne
Noch Strahlen fallen niederwärts,
So wirf auch du, vom Sitz der Wonne,
Ein Aug auf deines Hallers Herz.
 
Dich heißet mich die Welt vergessen!
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Dich tadelt man in meiner Brust!
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Mein Herz, ein Herz, das dich besessen,
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Soll offen sein für andre Lust!
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Ja, dich und mich schmäht der zusammen,
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Der mein Betrübniß unterbricht;
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O kennt er selber reine Flammen,
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Er schölte meine Thränen nicht!
 
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Doch wenig kennen wahre Liebe,
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Die Anmuth zeugt und Tugend weiht;
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Sie ist kein Freibrief wilder Triebe,
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Nicht eine Magd der Ueppigkeit.
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Dein lieben war mein Leid ergötzen
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Mit heimlich sorgender Geduld;
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Mein lieben war mich selig schätzen,
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Belohnung suchen deiner Huld.
 
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Ihr holden Jahre, die wir beide
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Einander, ach! so kurz gemacht,
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O hätt ich nur, was wir im Leide
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Bei manchem Sturme hingebracht!
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Wir suchten Ruh in zärterm scherzen,
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Wie Tauben, die ein Wetter fliehn,
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Und fanden Lust, selbst in den Schmerzen,
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Weil unsre Treu nie heller schien.
 
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O Bern! o Vaterland! o Worte
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Voll reger Wehmuth, banger Lust!
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O zärtlich Bild geliebter Orte,
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Voll wunder Spuren in der Brust!
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O bleibt bei mir, erneut die Stunden,
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Da sie die Hand mir zitternd gab!
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Wo seid ihr? ach, ihr seid verschwunden!
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Ich bin allein, sie deckt ein Grab.
 
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Ein Grab? in deinen schönen Tagen?
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Du Rose, frisch vom reinsten Blut?
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Ach ja! dort ward sie hingetragen,
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Hier ist der Tempel, wo sie ruht,
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Der Stein, den ich beschrieben habe
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O wie ists hier so öd und still!
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O hier ists, wo in ihrem Grabe,
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Ich meine Schmerzen enden will.
 
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Ja, fern von allen, die uns lieben,
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Die Blut und Freundschaft uns verband,
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Hier, wo mir nichts als du geblieben,
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Hier ist mein letztes Vaterland!
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Hier, wo kein Freund wird um mich weinen,
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Wo nichts ist mein, als deine Gruft,
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Hier steht mein Grabmal bei dem deinen,
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Wohin mich mein Verhängniß ruft.
 
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O daß ich doch dich lieben musste!
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Wie glücklich warst du ohne mich!
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Dein Muth, der nichts von Sorgen wusste,
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Sah nichts als Lust und Scherz um dich!
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Du warst vergnügt, gesucht bei allen,
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Mit Tugend, Zierd und Gut geschmückt!
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O hätt ich niemals dir gefallen!
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Wär ich nur arm und du beglückt!
 
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Doch nein! ich kann mein Glück nicht hassen,
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Und deine Huld verdient nicht Reu;
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Gott hat dich mir aus Wahl gelassen;
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Er liebet uns mit weiser Treu;
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Gott ists, der dich der Welt genommen,
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Der mich vielleicht dir schaden sah;
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Der mich den gleichen Weg heißt kommen;
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O sei er rauh, ist er nur nah!
 
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O Wonne! flammendes Entzücken!
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O Freude, die die Zunge bindt!
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O Thränen nur, dich auszudrücken,
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Gefühl, das keine Worte findt!
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O dort ist sie, im selgen Heere!
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Beim Stuhl des Lamms, am Lebens-Fluß!
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Ach! daß mein Leib verwesen wäre,
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Der mich von ihr noch trennen muß!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.2 KB)

Details zum Gedicht „Ueber eben Dieselbe“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
495
Entstehungsjahr
1737
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Ueber eben Dieselbe“ ist Albrecht von Haller. 1708 wurde Haller in Bern geboren. 1737 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Aufklärung zu. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 495 Worte. Albrecht von Haller ist auch der Autor für Gedichte wie „Beim Absterben“, „Ueber den Tod der Frau Trillerin“ und „Zu den Gmelinischen Reisen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ueber eben Dieselbe“ keine weiteren Gedichte vor.

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