Ein Lebens-Lied von Franz Werfel

Daß einmal mein dies Leben war,
Daß in ihm jene Kiefern standen
Und am Ufer schlafend sich vorüberwanden,
Daß ich in Wäldern aufschrie sonderbar.
Daß einmal mein dies Leben war!
 
Wo Ufer schlafend sich vorüberwanden,
Was trug der Fluß mit Schilf und Wolk' davon?
Wo bin ich - und ich höre noch den Ton
Von Ruderbooten, wie sie lachend landen,
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Wo Ufer schlafend sich vorüberwanden.
 
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Wo bin ich - und ich höre noch den Ton
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Von Equipagen, dicht im Kies verfahren,
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Kastanien- und Laternensprache waren
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Noch da und Worte - doch wo sind sie schon?
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Wo bin ich - und ich höre noch den Ton?
 
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Kastanien- und Laternensprache waren
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Noch da und Atem einer breiten Schar.
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Und mein war ein Gefühl von Gang und Haaren.
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O Ewigkeit! - Und werd' ich es bewahren,
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Daß einmal mein dies Leben war!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Ein Lebens-Lied“

Autor
Franz Werfel
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
139
Entstehungsjahr
1890 - 1945
Epoche
Expressionismus,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Franz Werfel, ein österreichisch-böhmischer Schriftsteller, der von 1890 bis 1945 lebte. Das Gedicht trägt den Titel „Ein Lebens-Lied“. Werfel war bekannt für sein lyrisches und dramatisches Werk.

Beim ersten Eindruck fällt auf, dass das Gedicht insgesamt eine melancholische und nachdenkliche Stimmung ausdrückt. Jede der vier Strophen hat fünf Verse und endet mit einer gleichen oder ähnlichen Zeile wie sie begonnen hat, was eine Art von Kreislauf suggeriert.

Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich stark mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander. Es erinnert sich an die Zeit, als es durch Wälder lief, von Booten und Kutschen hörte und solche Erfahrungen spüren konnte. Das dargestellte Gefühl eines vergangenen Lebens, die Frage „Wo bin ich?“ und die Vorstellung der vergehenden Zeit spielen eine zentrale Rolle in diesem Gedicht.

Es scheint eine Art Sehnsucht und Nostalgie auszudrücken, aber auch eine Unruhe und Fragilität in Bezug auf die Unaufhaltsamkeit der Zeit und das Vergessen. Die wiederkehrende rhetorische Frage „Wo bin ich?“ könnte eine Identitäts- und Ortsunsicherheit, aber auch einen Verlust darstellen.

Formal sticht das Gedicht durch seine regelmäßige Form der Strophen mit je fünf Versen und den Wiederholungen bestimmter Phrasen innerhalb der Strophen hervor. Diese Wiederholungen tragen dazu bei, eine Atmosphäre von Kreislauf und Wiederkehr zu erzeugen. Die Sprache ist sehr bildhaft und poetisch, mit metaphorischen Ausdrücken wie „Ufer schlafend sich vorüberwand“ und „Kastanien- und Laternensprache waren“.

Sprachlich arbeitet Werfel mit einer tiefgehenden und bildhaften Metaphorik, die den Leser zum Nachdenken und zur Eigeninterpretation anregt. Der Stil des Gedichts ist sehr emotional und expressiv.

Insgesamt handelt es sich bei dem Gedicht „Ein Lebenslied“ um ein stark emotionales und nachdenkliches Werk, das Themen wie Sehnsucht, Nostalgie, Zeit und Vergessenheit aufgreift und den Lesern Raum für eigene Interpretationen und Emotionen lässt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ein Lebens-Lied“ des Autors Franz Werfel. Im Jahr 1890 wurde Werfel in Prag / Österreich-Ungarn geboren. Im Zeitraum zwischen 1906 und 1945 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Expressionismus oder Exilliteratur zugeordnet werden. Werfel ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten insbesondere die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur bildet eine eigene Epoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Die Themen der Exilliteratur Deutschlands lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Autoren fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Tätigkeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in deutscher Sprache schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte zum einen die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Zum anderen aber auch den Widerstand unterstützen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das 139 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Franz Werfel sind „Alte Dienstboten“, „Amore“ und „Welche Lust auf Erden denn ist süßer“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Lebens-Lied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 22 Gedichte veröffentlicht.

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