Ellwieens Schwanenlied von Ludwig Gotthard Kosegarten

Zu singen im Herbste

Wie blickst du aus dem Nebelduft,
O Sonne, bleich und freundlich!
Wie weht die dunstbeladne Luft
So rauh und menschenfeindlich!
 
Es girrt die sterbende Natur
Ihr Schwanenlied so traurig,
Es stehen Busch und Wald und Flur
So herbstlich und so schaurig.
 
Ihr Rosen, die der rauhe Ost
10 
In ihrem Knospen pflückte;
11 
Ihr Nelken, die der frühe Frost
12 
Halbaufgeschlossen knickte!
 
13 
Ist euer Loos nicht auch mein Loos?
14 
Seyd ihr nicht, was ich werde?
15 
Entkeimt’ ich nicht, wie ihr, dem Schooß
16 
Der mütterlichen Erde?
 
17 
Ist nicht mein Halm so jugendlich,
18 
So schlank emporgeschossen?
19 
Hat meiner Blüthen Knospe sich
20 
Nicht drängend aufgeschlossen?
 
21 
Weckt meiner Augen blaues Licht,
22 
Die Rose meiner Wangen,
23 
Die Frische meiner Lippen nicht
24 
Der Jünglinge Verlangen?
 
25 
Ach! klagt um eure Schwester, klagt,
26 
Ihr Rosen und ihr Nelken –
27 
Wie bald! – Und hin ist meine Pracht,
28 
Und meine Blüthen welken.
 
29 
Verstreut ist all mein grünes Laub,
30 
Geknickt mein schlanker Stengel,
31 
Mein Staub gebettet in den Staub,
32 
Mein Geist verklärt zum Engel!
 
33 
Der Wandrer, der in meiner Zier,
34 
In meiner Schönheit Schimmer
35 
Mich schaute, kommt und forscht nach mir,
36 
Und sieht mich nimmer, nimmer!
 
37 
Es kommt der Jüngling, den ich mir
38 
Erkohren einzig habe –
39 
Ach! fleuch, Geliebter, fleuch von hier,
40 
Dein Mädchen schläft im Grabe.
 
41 
Ach! traure, Theurer, traure nicht!
42 
Des Grabes Dunkel schwindet,
43 
Und himmlisch und unsterblich Licht
44 
Glänzt dem, der überwindet.
 
45 
Triumph! Auf Herbstesdämmerung
46 
Folgt milder Frühlingsschimmer.
47 
Auf Trennung folgt Vereinigung –
48 
Vereinigung auf immer!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Ellwieens Schwanenlied“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
233
Entstehungsjahr
1796
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht hat den Titel „Ellwieens Schwanenlied“ und stammt vom Autor Ludwig Gotthard Kosegarten, der von 1758 bis 1818 lebte. Kosegarten war ein deutscher Schriftsteller und evangelischer Geistlicher, der vor allem Lyrik und Erzählungen verfasste und zur Weimarer Klassik gezählt wird.

Auf den ersten Blick fällt der melancholische, schwermütige Ton dieses Lieds auf. Das lyrische Ich vermittelt eine tiefe Verbundenheit mit der Natur, insbesondere zu blühenden Rosen und Nelken, die als Metapher für das eigene Leben dienen. Es wird ein deutlich herbstlicher, absterbender Kontext gesetzt, der auf den Ausklang eines Lebens hindeutet.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich grob zusammenfassen: Es beginnt mit dem Beschreiben einer düsteren, nebelhaften Landschaft, die als metaphorische Darstellung für die letzte Phase des Lebens, also das Altern und Sterben, gesehen werden kann. Das lyrische Ich identifiziert sich stark mit den in Strophe drei und vier erwähnten Rosen und Nelken, die der rauen Witterung nicht standhalten können und deren Zustand als Vergleich für das eigene Sterben dient. Es folgt eine leidenschaftliche Klage um die eigene Vergänglichkeit und schließlich der Ausblick auf den Tod, der als unausweichlich, aber auch als Transformation und Verschmelzung mit dem Überirdischen dargestellt wird.

Die Form des Gedichts ist deutlich strukturiert, es besteht aus 12 Vierzeilern, also Quartetten, die jeweils im selben Reimschema (Kreuzreim) verfasst sind. Kosegartens Sprache ist bildhaft und emotional, er verwendet viele Metaphern und naturbezogene Bilder, um die traurige Stimmung zu unterstreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Ellwieens Schwanenlied“ von Ludwig Gotthard Kosegarten ein klassisches Vanitas-Gedicht ist, in dem das lyrische Ich über das Altern, das Sterben und die Vergänglichkeit nachdenkt. Dabei verwendet der Autor die Metapher der vergehenden Natur, um seine eigenen Gedanken und Gefühle zu vermitteln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ellwieens Schwanenlied“ ist Ludwig Gotthard Kosegarten. Geboren wurde Kosegarten im Jahr 1758 in Grevesmühlen. 1796 ist das Gedicht entstanden. Neustrelitz ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Klassik zu. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 233 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Der Dichter Ludwig Gotthard Kosegarten ist auch der Autor für Gedichte wie „Schön Sidselil und Ritter Ingild“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ellwieens Schwanenlied“ keine weiteren Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Ludwig Gotthard Kosegarten (Infos zum Autor)