Harmonie der Sphären von Ludwig Gotthard Kosegarten

Horch wie orgelt, wie braußt die Aeolsharfe der Schöpfung!
Droben und drunten und rings tönet ihr bebendes Gold.
Helios Flammengeschoß, Selenens silberner Bogen,
Hesperus Strahlengespann klirren im sphärischen Tanz.
Heilige Lyra, dein Hauch beflügelt den festlichen Reigen,
Singend steiget, es sinkt singend der himmlische Schwan,
Melodieen entwehn dem Flügelschwunge des Adlers,
Auf der olympischen Bahn schmettern die Wagen daher.
 
Wie der Harmonika Glocken erklingen die Schalen der Waage,
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Katarakten gleich braußt aus der Urne der Strom,
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Donnernder strudelt daher der Orellana des Himmels,
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Zürnend erhebt sich, ergrimmt fasset Orion den Schild,
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Schüttelt den funkelnden, klopft in die tausendbuklige Wölbung,
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Sendet melodischen Sturm durch die unendliche Nacht.
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Freundliche Erde, du schwebst im Ringelreihen der Welten
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Leis’ und linde, doch nicht tonlos noch seellos dahin.
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Zunge wurde dem Wald, dem Blättchen Athem gegeben,
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Stimme dem schwätzenden Quell, Sprache dem rieselnden Bach,
 
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Liebe wirbelnd begrüßt Bardale den röthlichen Morgen,
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Der ambrosischen Nacht klaget Aeodi ihr Leid,
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Von der Akkorde Fluthen ergriffen, erbebet des Menschen
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Zartbesaytetes Herz hinter der wölbenden Brust.
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Siehe, die Bebungen schwellen zu Lauten, die Laute zur Rede,
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Horch, in süssem Gesang fließet die Rede dahin.
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Welcher Finger berührt die Harmonikaglocken der Schöpfung?
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Welchem beseelenden Hauch zittern die Saiten des All?
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Großer Harfner, dir tönt der Welten feyrender Hymnus,
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Hauchender Odem, dir schwillt heißer und höher das Herz.
 
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Sey mein Leben ein tönendes Lied! Im Päan der Sphären
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Schmelz’ es, ein reiner Akkord, sanft und melodisch dahin!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Harmonie der Sphären“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
236
Entstehungsjahr
1797
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Harmonie der Sphären“ wurde von Ludwig Gotthard Kosegarten verfasst, einem deutschen Dichter und evangelischen Kirchenmann, der von 1758 bis 1818 lebte. Kosegarten wurde während der späten Aufklärung und der frühen Romantik bekannt, und man kann dieses Gedicht stilistisch in diese Übergangsphase einordnen.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht verwendet überwältigende natur- und kosmosbezogene Metaphern, um eine überschwängliche und mystische Interpretation des Universums und seines eigenen Verhältnisses zu diesem zu präsentieren. Es stellt die Realität als ein harmonisches Orchester dar, in dem jede Entität, vom Stern bis zum Bach, eine Rolle spielt und melodischen Ausdruck findet.

Inhaltlich ist das Gedicht auf drei Hauptthemen ausgerichtet: die Musikalität des Kosmos, die Vernetzung aller Dinge und schließlich das persönliche Bekenntnis des lyrischen Ichs zu dieser Harmonie und seinem Wunsch, Teil davon zu sein. In dieser Hinsicht vermittelt dieses Gedicht eine tiefgreifende pantheistische Sentimentalität, die den gesamten Kosmos als eine Art heiliges, musikalisches, lebendiges Organismus wahrnimmt.

Vom Formalen her besteht das Gedicht aus vier Strophen mit einer ungleichen und recht freien Anzahl von Zeilen, was auf eine Befreiung von den strengen Strukturen klassischer Dichtung hindeutet. Die Sprache, die Kosegarten verwendet, ist reich und bildhaft. Er verwendet eine Mischung aus klassischen (Helios, Selenens, Hesperus) und romantischen Metaphern (Aeolsharfe), um eine kraftvolle Atmosphäre mystischer Erhabenheit zu erzeugen. Auch die Verwendung figurativer und symbolischer Elemente (Orion mit dem Schild, die himmlische Waage, etc.) ist markant.

Schließlich kann man sagen, dass Kosegartens Bild des Kosmos das Gefühl der Zugehörigkeit des lyrischen Ichs zur Welt und die Freude an der Harmonie und Schönheit der Natur widerspiegelt. Dieses Gefühl drückt sich in dem Wunsch des lyrischen Ichs aus, dass sein Leben ein 'tönendes Lied' sein möge, das ein Teil des kosmischen Konzerts ist.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Harmonie der Sphären“ ist Ludwig Gotthard Kosegarten. Der Autor Ludwig Gotthard Kosegarten wurde 1758 in Grevesmühlen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1797 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Tübingen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Klassik zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 236 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Ludwig Gotthard Kosegarten sind „An Ruhheims Fluren“, „Das Leichtere und Schwerere“ und „Der Freund“. Zum Autor des Gedichtes „Harmonie der Sphären“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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