Ja und Nein von Friedrich von Hagedorn

Ein Barde hieß, aus frommer Pflicht,
Ein ganzes Heer von Silben ringen.
Ich will nur zwo zur Sprache zwingen,
Weil doch in Fabeln alles spricht.
Es sind die, so ich reden lasse,
Machtwörter von der ersten Klasse,
Die in der Welt was rechtes schrein,
Die alten Feinde: Ja und Nein.
 
Es rüsten beide sich zum Streit.
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Sie wollen nun als Helden fechten,
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Und nicht, wie kleine Hadrer, rechten.
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Kurz: sie bestimmen Ort und Zeit.
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Nein trotzt auf kriegerische Freunde;
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Ja täuscht, verlockt, besticht die Feinde.
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Nein pocht auf Faustrecht und Gewalt;
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Ja traut auf seinen Hinterhalt.
 
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Nein tobt, und treibet jeden Mann,
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Und stellt sich schnaubend an die Spitze;
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Doch Ja, der Held von mindrer Hitze,
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Winkt erst dem Feind, und red't ihn an.
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Halt! spricht er, ehe wir uns schlagen,
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Hab' ich dir noch ein Wort zu sagen:
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Laß jene Balger etwas ruhn.
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Wir müssen selbst das Beste thun.
 
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Du Waghals, dessen Eigensinn
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Nur selten oder spät zu brechen,
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Man sagt, dein Eifer läßt sich schwächen;
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Dich rühret Schmeicheln und Gewinn.
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Dich hat die Heimat der Guineen
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Oft zärtlich und gekirrt gesehen,
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Wo mancher Kitzel in der Hand
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Dir deine freie Zunge band.
 
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Zum öftern pflegt ein doppelt Nein
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Ein Ja ganz zierlich auszumachen.
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Wie sollten denn um Nebensachen
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Sich Blutsverwandten so entzwein!
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Ein jeder kann das Seine prahlen.
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Das Ja verhandle sich zu Wahlen.
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Nein mag in die Gerichte gehn,
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Und Recht und Zeugen widerstehn.
 
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Nein soll, wie vormals Fabius,
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Durch Zögern seinen Feind ermüden.
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Dem Ja sei Cäsars Glück beschieden,
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Der in der Eile siegen muß.
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Wir wollen, in gewissen Fällen,
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Uns beide meisterlich verstellen.
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Am Hofe soll das Ja oft Nein,
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Und Nein ein wuchernd Ja wort sein.
 
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Nein, das den Werth des Vorschlags sah,
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Beschloß, von nun an leeren Händen
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Den Beistand nimmer zu verpfänden,
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Und sprach zum ersten Male: Ja.
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Die ganze Fehde ward geschlichtet,
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Aus Eigennutz ein Bund errichtet,
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Und beide dienen jetzt der Welt,
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Nach Schweizerart, um baares Geld.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Ja und Nein“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
327
Entstehungsjahr
1708 - 1754
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ja und Nein“ des Autors Friedrich von Hagedorn. Der Autor Friedrich von Hagedorn wurde 1708 in Hamburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1724 und 1754. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Hagedorn ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 327 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich von Hagedorn sind „Der Morgen“, „Dauer der Scribenten“ und „Die Schule“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ja und Nein“ weitere 252 Gedichte vor.

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