Der Blumenkranz von Friedrich von Hagedorn

Dort, wo die Alster sich in engen Ufern krümmt,
Und rauschend ihren Lauf durch Busch und Wälder nimmt,
Wo deutsche Treue sich beim deutschen Handschlag findet,
Des Landmanns froher Fleiß für sich die Garben bindet
Und alte Freiheit noch den angeerbten Hut
Frisch in die Augen drückt, und unbefehdet ruht;
Da ist ein kühler Ort, dem keine Schönheit fehlet,
Den Amor hundert Mal der Eifersucht verhehlet,
Und dem allein entdeckt, der ihn zum Führer wählet.
 
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Der Zephyr folgt mit Lust den kurzen Wellen nach,
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Die hier in grüne Tiefen fallen;
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Die Schäfer nennen's einen Bach,
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Wir Dichter fließende Krystallen.
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Ein dick' Gesträuch umschränkt die innre Spur,
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Wohin oft Wunsch und Sehnsucht leiten,
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Auf diesen Platz lockt uns die Liebe nur,
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Und ihre Mutter, die Natur.
 
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Hier saß Matild'. Es eilet ihr zur Seiten
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Ein kleiner Schwarm verbuhlter Fröhlichkeiten:
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Der schlaue Scherz, die süße Schmeichelei,
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Die Hoffnung selbst, und Reinhold kömmt herbei,
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Der sie so oft besingt, so unverstellt verehret,
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Und in der Einsamkeit sie blos aus Liebe störet.
 
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Auf seinen Wangen ist zu schaun,
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Anstatt der Jugend Milch, ein lebhaft, männlich Braun.
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Den Augen fehlt kein Geist, noch Ehrfurcht den Geberden.
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Er hat, was man gebraucht, nie sehr gehaßt zu werden.
 
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Dies ist des Reinholds Bild, der seiner Schönen Hand
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Voll auserles'ner Blumen fand,
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Woraus sie einen Kranz zu knüpfen angefangen,
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Den unerkauften Schmuck, mit dem nur Hirten prangen.
 
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Allein, sobald sie hier den muntern Freund erblickt,
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Will ihr die Arbeit nicht, so wie zuvor, gelingen.
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Fast jeder Stengel wird durch ihr Versehn zerknickt,
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Und Reinhold wird versandt, ihr frische herzubringen.
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Er thut es; doch umsonst, und siehet mit Verdruß
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Die Blumen, die er reicht, so wie die ersten, brechen.
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Dies, spricht er, ist zu viel! Ich will durch öftern Kuß
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Die Unvorsichtigkeit bei jeder Blume rächen.
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Sie lächelt, und schweigt still, fängt auch von neuem an.
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Wiewol, wer kann vorher des Schicksals Tücke wissen?
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Da ihr auch der Versuch noch minder glücken kann,
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So wird der ganze Kranz, voll Ungeduld, zerrissen;
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Und Reinhold gibt nunmehr gerechter Strenge Raum.
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Wem wird im Küssen nicht die Rache süßer schmecken?
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Er nähert sich, sie seufzt: er straft, sie murret kaum.
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Hier schließt sich Busch und Wald, sie hilfreich zu verstecken.
 
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Man glaubt, sie thaten dies, was einst Aeneas that,
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Als Dido und der Held in einer Höhle waren.
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Was aber thaten die? Wer das zu fragen hat,
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Der ist nicht werth, es zu erfahren.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Blumenkranz“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
51
Anzahl Wörter
402
Entstehungsjahr
1708 - 1754
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Friedrich von Hagedorn ist der Autor des Gedichtes „Der Blumenkranz“. Hagedorn wurde im Jahr 1708 in Hamburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1724 und 1754 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Hagedorn ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 402 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 51 Versen. Weitere Werke des Dichters Friedrich von Hagedorn sind „Dauer der Scribenten“, „Die Schule“ und „Das Heidelberger Faß“. Zum Autor des Gedichtes „Der Blumenkranz“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 252 Gedichte vor.

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