Brecht, Bertolt - Die Liebenden (Gedichtanalyse)

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Bertolt Brecht, Interpretation, Analyse, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Brecht, Bertolt - Die Liebenden (Gedichtanalyse)
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Referat

Interpretation: „Die Liebenden“ von Bertolt Brecht

Die Liebenden
von Bertolt Brecht

Seht jene Kraniche in großem Bogen!
Die Wolken, welche ihnen beigegeben
Zogen mit ihnen schon als sie entflogen
Aus einem Leben in ein anderes Leben.
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
Scheinen sie alle beide nur daneben.
Daß so der Kranich mit der Wolke teile
Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen
Daß also keines länger hier verweile
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Und keines anderes sehe als das Wiegen
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Des andern in dem Wind, den beide spüren
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Die jetzt im Fluge beieinander liegen:
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So mag der Wind sie in das Nichts entführen.
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Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben
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So lange kann sie beide nichts berühren
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So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben
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Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.
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So unter Sonn und Monds verschiedenen Scheiben
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Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.
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Wohin ihr? - Nirgend hin. Von wem davon? - Von allen.
21 
Ihr fragt, wie lange sind sie schon beisammen?
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Seit kurzem. - Und wann werden sie sich trennen? - Bald.
23 
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.

(„Die Liebenden“ von Bertolt Brecht ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.6 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Die Liebenden“ stammt von Bertolt Brecht, einem Autor des 20. Jahrhunderts, der für seine kritische Sicht auf Gesellschaft, Traditionen und angebliche moralische Standards bekannt war. Das Gedicht fokussiert sich auf Themen wie Liebe und Beziehungen, die von außenstehenden Personen immer wieder infrage gestellt werden. Beim ersten Lesen des Gedichts hatte ich das Gefühl, dass Brecht versucht, die Liebe in einen natürlichen Kontext zu setzen.

„Die Liebenden“ ist in keine Strophen unterteilt und umfasst 23 Verse, die in vier thematische Abschnitte gegliedert werden können. Der erste Abschnitt dient als Einführung, worauf sich im zweiten Abschnitt konkrete Aufforderungen an Liebende anschließen. Der dritte Teil widmet sich der Schilderung des Liebesglücks, während der vierte und letzte Abschnitt die Nachteile und Brechts kritische Sichtweise beleuchtet.

In der Einleitung, die die ersten sechs Zeilen umfasst, werden die Leser direkt angesprochen, wie etwa durch den Imperativ in der ersten Zeile. Brecht verwendet zahlreiche Metaphern: Kraniche könnten für Männer stehen, der „große Bogen“ deren Anzahl symbolisieren, während Wolken für Frauen stehen. Die Begriffe „Höhe“ und „Eile“ betonen menschliche Fähigkeiten. Durch Anaphern wird das Wort „gleich“ betont, was die Gleichstellung der Geschlechter unterstreicht, zudem wird „Leben“ hervorgehoben. Die Reimstruktur besteht aus zwei Kreuzreimen in der ungewöhnlichen Form aba bcb.

Der Inhalt dieser Verse deutet auf die Vorstellung hin, dass jedem Mann von Gott eine Frau zur Seite steht. Dies soll zeigen, dass Liebe etwas Positives, ein göttliches Geschenk ist, was durch das Passiv „welche ihnen beigegeben“ und den Bezug auf das Übernatürliche betont wird.

In den nächsten sechs Versen kommt die Forderung des Dichters zum Ausdruck, dass Männer und Frauen, die sich gefunden haben – „im Fluge beieinander liegen“ – ihr Leben einzig der Liebe weihen sollten, besonders weil ihre Zeit auf Erden begrenzt ist („den schönen Himmel, den sie kurz befliegen“). Der „Himmel“ symbolisiert hierbei die Erde, „befliegen“ meint bewohnen, und die Alliteration „Wiegen im Wind“ steht für Verliebtheit. Eine auffällige Alliteration mit dem Buchstaben „d“ zu Beginn der meisten Verse dieses Abschnitts verleiht den Aufforderungen Dringlichkeit. Die unvollständigen Kreuzreime cdc ded setzen sich fort.

Der darauffolgende Abschnitt, bestehend aus sieben Versen und dem einzigen vollständigen Kreuzreim des Gedichts efe fgfg, beschreibt den Genuss der Liebe. Es wird gesagt, dass Liebende durch nichts im Glück gestört werden können. Die Metapher „Wind“ repräsentiert erneut die Liebe, während „Regen“ und „Schüsse“ als Allegorien für Bedrohungen stehen, die jedoch den Liebenden nichts anhaben können („Schüsse schallen“). Die Anapher „So lange“ wird benutzt, um auf die möglicherweise kurze Dauer der Liebe hinzuweisen. Beachtenswert ist auch die Erwähnung von Sonne und Mond, die hier in ähnlicher Weise wie die Menschen als Pärchen dargestellt werden („wenig verschieden“), ein weiterer Bezug zum Übernatürlichen analog zum ersten Abschnitt.

Der letzte Sinnabschnitt, der aus den folgenden vier Versen besteht (ghii), unterscheidet sich deutlich von den vorherigen Abschnitten.

Der Textstil wechselt plötzlich zu ruckartigen Ellipsen und knappen Fragestellungen, die durch das schnelle Aufeinanderfolgen von Wörtern wie „allen“, „beisammen“, „wann“ und „trennen“ sowie durch kurze Wörter wie „ihr“, „hin“ und die Assonanz in „von“ noch intensiviert werden.

Das hat einen direkten Bezug zum Inhalt des Gedichts. Zum ersten Mal werden andere Menschen und die Umwelt der Liebenden deutlich spürbar. Die Liebenden sind von den Fragen und Einmischungen dieser Anderen genervt. Ihnen ist bewusst, dass ihre Beziehung weder ein festes Ziel hat, noch lange besteht oder halten könnte, aber es stört sie nicht. Sie antworten kurz, weil sie ihre Zweisamkeit genießen wollen.

In formaler Hinsicht bauen die ersten drei Verse des letzten Abschnitts auf den Höhepunkt in der vierten Zeile zu, der Brechts ganze Kritik enthält: „So scheint die Liebe Liebenden ein Halt“. Dies bedeutet, dass Liebe zwar schön ist, aber noch um ein Vielfaches schöner sein könnte ohne die gesellschaftlichen Urteile, ohne die Normen, die in einer Beziehung beachtet werden müssen. Diese Beschränkungen verhindern, dass Liebe sich voll entfalten kann und sie wird stattdessen zu einem Ankerpunkt.

Brecht gibt der Gesellschaft die Schuld daran, dass die Liebe begrenzt wird. Zu Beginn des Gedichts liefert er die Begründung für seine Ablehnung dieser Einschränkung. Er behauptet, dass die Liebe göttlicher Natur sei und deshalb nicht unterdrückt werden sollte.

Im gesamten Gedicht setzt Brecht Metaphern aus dem Bereich des Himmels ein, wie zum Beispiel „Kranich“, „Wolke“, „Wind“, „Regen“, „Höhe“. Diese Bilder sollen die himmlische und göttliche Qualität der Liebe hervorheben. Gleichzeitig unterstützen Verben wie „entflogen“, „befliegen“, „im Fluge liegen“ und „fliegen“ dieses Bild.

Das Gedicht folgt dem Metrum eines vierhebigen Daktylus, was die Metaphern betont, da es sich „flügelschlagend“ anfühlt.

Durch dieses Gedicht kritisiert Bertolt Brecht unsere Normen und das oberflächliche Verhalten der Menschen scharf. Er zeigt auf, wie wunderbar Liebe ist und wie viel herrlicher sie sein könnte, wenn wir sie nicht zu unterdrücken versuchten. Als Argument für die Freiheit der Liebe führt er ihre Göttlichkeit an. Obwohl mein erster Eindruck des Gedichts nicht vollständig war, ist er doch nachvollziehbar, da „Die Liebenden“ so reich an Metaphern ist, dass es zunächst schwerfällt, den tiefgründigen Sinn zu erfassen.

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