Bei Eingange eines Neuen Jahrs von Johann Grob

O Wesen aller Wesen /
Die gut und auserlesen /
Der du den Weltpallast /
Was oben / mitten / unden /
Auch drinnen wird gefunden /
Aus nichts erschaffen hast.
 
Dir ist bereit zu dienen
Hoch an der Himmelsbühnen
Das güldne Sternenheer /
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Der Erden Feld dergleichen /
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So weit sie nur mag reichen /
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Darzu das tieffe Meer.
 
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Du bist der Herr und Meister
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So vieler tausend Geister /
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Die deine kraft erschuff:
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Dir stehet zu gebotte
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Der Engel schnelle Rotte
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Auff eines wortes ruff.
 
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Der Himmel führt die Kreise
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Nach ausgezielter weise
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Von deiner hohen Hand /
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So daß den schönen fakeln
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Das irren oder wakeln
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Auf ewig unbekant.
 
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Du heißt die Sonne rennen /
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Das jahr daraus zu kennen /
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Auch muß das Liecht der Nacht
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Bald wachsen / bald verschwinden /
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Die Monat’ aus zu finden
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Durch deiner Ordnung macht.
 
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Der Winter weicht dem Lenzen /
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Der Sommer kennt die grenzen /
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Die sie dem Herbste gab:
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So lösen alle sachen /
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Die einen umlauff machen /
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Einander richtig ab.
 
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Herr Gott / wie deine stärke
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Und weisheit alle werke
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Ganz zierlich aufgestellt /
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Also / du kwell der Güte /
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Umfanget dein gemühte
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Mit gnaden alle Welt.
 
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Die jahre zwar verfliessen /
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Wie schnelle ströme schiessen /
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Wir führen gleichen schlag:
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Du aber bleibst bestehen /
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Wann tausend jahr’ hingehen /
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Ists bei dir kaum ein tag.
 
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Dein Tron steht ewig feeste;
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Wir Erdensöhn’ und Gäste
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Sein nichts als unbestand /
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Wir sinken in dem schweben /
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Ja unser blödes Leben
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Ist nur des Todes pfand.
 
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Der ringt nach hohen ehren /
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Der wil die habe mehren /
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Und jener strebt nach kunst;
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Doch was auf ganzer Erden
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Nur mag genennet werden /
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Ist alles wie ein dunst.
 
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Wir rüsten uns zu leben /
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Und Clotho schneidt es eben
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In dieser arbeit ab;
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Wir haben hier kein bleiben /
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Die zeit wird vns vertreiben /
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Wir wallen in das grab.
 
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O eiteles beginnen!
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Der weise muß von hinnen /
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Der tohr muß auch daran /
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Die Aerzte selber schwanken /
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Ein Jüngling kan erkranken
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Gleich wie ein greiser Mann.
 
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Was halffen Cäsars Kronen /
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Was Crassens Millionen /
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Was Catons ernster fleiß?
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Sie seind dahin gefahren /
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Wo niemand von den schaaren
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Den weg zurüke weiß.
 
79 
Der Tod braucht seine Rechte /
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Und fragt nicht nach geschlechte /
81 
Nach stande / macht und pracht /
82 
Ein Goldstük und ein Hader /
83 
Ein Bischoff und ein Bader /
84 
Sind bei ihm gleich geacht.
 
85 
Wan nun der Leib verbleichet /
86 
Der matte Geist entweichet /
87 
Wo bleibt der Erdentand?
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Man überläßt ihn andern /
89 
Und muß entladen wandern /
90 
Wohin uns kaum bekant.
 
91 
Herr / lehr’ es mich bedenken /
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Und mich darum nicht kränken /
93 
Was nur den Geist beladt:
94 
Laß mich mit klugen sinnen
95 
Auch wenig lieb gewinnen /
96 
Was wenig bleibens hat.
 
97 
Laß hier vor allen dingen
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Mich nach der Tugend ringen /
99 
Dem schaze / der allein
100 
Mir nimmer mag verderben /
101 
Ja der auch nach sterben
102 
Mir kan besizlich sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (32 KB)

Details zum Gedicht „Bei Eingange eines Neuen Jahrs“

Autor
Johann Grob
Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
102
Anzahl Wörter
450
Entstehungsjahr
nach 1659
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bei Eingange eines Neuen Jahrs“ stammt von dem deutschen Dichter Johann Grob, der im 17. Jahrhundert lebte. Es spiegelt daher die sprachlichen und kulturellen Merkmale jener Epoche wider, insbesondere das Gedankengut des Barocks, das geprägt ist von der Vergänglichkeit alles Irdischen und der Suche nach dem Ewigen und Unvergänglichen.

Beim ersten Durchlesen des Gedichtes fällt auf, dass es eine tiefe Religiosität ausdrückt und eine Huldigung an Gott darstellt. Es ist formal in 17 Strophen eingeteilt, jede davon aus sechs Versen bestehend.

Im Inhalt behandelt das lyrische Ich verschiedene Themen, die sich um das Göttliche, das Universum, und die Vergänglichkeit des Menschlichen drehen. In den ersten Strophen preist das lyrische Ich Gott als Erschaffer von allem, von den Sternen bis zur tiefen See, und betont seine Herrschaft über alles Geschaffene. Es folgen Betrachtungen zur Ordnung und Harmonie des Kosmos, die als Ausdruck göttlicher Weisheit und Macht gesehen werden.

Es folgen Reflektionen zur menschlichen Vergänglichkeit, wobei es zu der Erkenntnis kommt, dass alle irdischen Bestrebungen und Besitztümer letztlich als irrelevant und kurzlebig eingestuft werden. Das lyrische Ich macht darauf aufmerksam, dass alle Menschen, unabhängig vom Status, der Macht oder Reichtum, sterben müssen. Der Tod wird als universelle und unvermeidliche Realität dargestellt.

In der Endphase des Gedichts bittet das lyrische Ich darum, sich nicht an vergänglichen irdischen Belangen zu klammern, sondern nach Tugend zu streben, die als der wahre und bleibende Schatz gesehen wird.

Die Sprache des Gedichts ist von einer gepflegten und feierlichen Diktion geprägt, die die ehrfürchtige Haltung zum Ausdruck bringt. Es ist voller Anspielungen und Metaphern, die eine tiefe theologische und philosophische Reflexion ausdrücken. Die strukturierte und geregelte Form des Gedichts spiegelt die thematisierten Ordnungen des Kosmos und der menschlichen Existenz wider.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Bei Eingange eines Neuen Jahrs“ von Johann Grob. 1643 wurde Grob in Oberglatt, heute Gemeinde Flawil geboren. Zwischen den Jahren 1659 und 1697 ist das Gedicht entstanden. In ohne Ort ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Barock kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 450 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 102 Versen mit insgesamt 17 Strophen. Der Dichter Johann Grob ist auch der Autor für das Gedicht „Er preiset das Schwarze“. Zum Autor des Gedichtes „Bei Eingange eines Neuen Jahrs“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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