Der kleine Franz von Adolf Friedrich von Schack

Gestern noch im muntern Spiel
Mit den Seifenblasen
Sprang er viel und lachte viel
Auf dem grünen Rasen;
Abends drauf von meinen Knien
Späht er nach den Sternen;
Jeden, der am Himmel schien,
Wollt er kennen lernen.
 
?Gute Nacht nun! Morgen dann
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Mir erzählst du weiter!"
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Und er lächelte mich an,
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Hüpfte fort so heiter.
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Gestern noch so frisch im Glanz
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Seiner sieben Jahre,
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Liegt er heut, der kleine Franz,
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Auf der Totenbahre.
 
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Zarter Knabe, der du bang
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Sonst im Finstern zagtest,
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Sprich, wie du den großen Gang
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Durch das Dunkel wagtest,
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Wagtest, in den Schlund, davor
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Alle zitternd stehen,
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Durch das schwarzverhängte Tor
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So allein zu gehen?
 
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Seit dem letzten Sonnenstrahl
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O wie weit die Reise!
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Weiter, weiter tausendmal
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Als vom Kind zum Greise!
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Jüngst erst auf der Mutter Schoß,
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Ihr am Busen lagst du,
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Nun die Größten riesengroß
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Plötzlich überragst du.
 
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Und mit allem, was ich kann,
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Was ich bin und habe,
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Nichts vermag ich dir fortan
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Mehr zu lehren, Knabe;
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Weiser du als Sokrates,
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Ich an Geist erblindet,
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Alles, alles weißt du es,
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Was wir nie ergründet.
 
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Lächelnd blickst auf uns du nun,
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Denen du entrissen;
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Kindisch dünkt dich unser Tun,
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Unser Sein und Wissen.
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Seit du über mich so hoch
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Bist erhöht, o Kleiner,
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Nur mit heilgem Schauer noch
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Denken kann ich deiner.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Der kleine Franz“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
217
Entstehungsjahr
1815 - 1894
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der kleine Franz“ wurde von Adolf Friedrich von Schack verfasst, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und als einer der bedeutendsten deutschen Lyriker und Romanschriftsteller dieser Zeit gilt.

Mein erster Eindruck des Gedichts ist sehr wehmütig und sentimental. Es erzählt die tragische Geschichte des kleinen Franz, dessen Leben pflötzlich und unerwartet von einem Tag auf den anderen endet. Der lyrische Erzähler, wahrscheinlich eine Art väterliche oder mütterliche Figur, reflektiert über das kurze glückliche Leben, das Franz geführt hat, und die Leerstelle, die er mit seinem Tod hinterlässt.

Die Handlung wird aus der Perspektive des lyrischen Ichs erzählt, das tief von Franz' Tod betroffen ist. Im ersten Teil des Gedichts erinnert es an die fröhlichen Spiele und die kindliche Neugier von Franz. Dann wendet sich die Stimmung mit der Nachricht von seinem Tod und im weiteren Verlauf reflektiert das lyrische Ich über den Tod aus der Perspektive des kindlichen Verständnisses und der kindlichen Erfahrung.

Das Gedicht ist in sechs Strophen mit je acht Versen aufgeteilt, was eine übersichtliche und klare Struktur bietet. Sprachlich ist das Gedicht recht schlicht und verständlich gehalten, was das tragische Ereignis eindringlich und deutlich macht. Die Metaphern und direkten Beschreibungen fließen harmonisch ineinander und erzeugen sentimentale und nachdenkliche Gefühle.

Adolf Friedrich von Schack verwendet auch starke Kontraste, um seine Gefühle und Ansichten zu vermitteln. Brentano kontrastiert das unschuldige Spiel und Lachen von Franz mit der bitteren Realität seines plötzlichen Todes. Allerdings lässt er das lyrische Ich auch erkennen, dass Franz nun auf einer höheren Ebene der Existenz weilt, jenseits unserer menschlichen Begrenzungen und Unwissenheit. Er geht sogar so weit, Franz als „weiser als Sokrates“ zu bezeichnen, was darauf abzielt, darzustellen, dass Franz durch seine Reise ins Jenseits Wissen erlangt hat, das den lebenden Menschen nicht zugänglich ist. Mit dieser Erkenntnis schließt das Gedicht mit dem ehrfürchtigen Respekt des lyrischen Ichs vor dem kleinen Franz.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der kleine Franz“ des Autors Adolf Friedrich von Schack. Der Autor Adolf Friedrich von Schack wurde 1815 in Schwerin geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1831 bis 1894 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 217 Worte. Weitere Werke des Dichters Adolf Friedrich von Schack sind „Granada“ und „Am Kamin“. Zum Autor des Gedichtes „Der kleine Franz“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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