Seneca, Lucius Annäus

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Lucius Annäus Seneca, Spanien, Rom, Philosophie, Referat, Hausaufgabe, Seneca, Lucius Annäus
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Referat

Referat: Seneca



Lucius Annäus Seneca wurde um 4 vor Christus in der Stadt Corduba in Spanien geboren. Aber das genaue Jahr seiner Geburt kennen wir nicht, denn Seneca hinterließ in seinen Werken wenige brauchbare biographische Hinweise und man ist auf Zeitzeugen und andere Quellen angewiesen. Was seine Eltern anbetrifft, so wissen wir einiges über den Vater, weniger über die Mutter, nichts über die Vorfahren. Senecas Vater stammte aus Corduba und war dort römischer Ritter, und sehr wohlhabend. Sein Hobby war die Rhetorik, dem er viele Jahre in Rom aufgrund seiner finanziellen Lage frönen konnte. Von der Mutter weiß man nicht genau, ob sie aus Spanien oder Italien stammt. Auf ihre Ausbildung wurde jedoch gegen die Gepflogenheiten der Zeit ein gewisser Wert gelegt, und man weiß, dass sie an den " literalia studia" interessiert war, an Dingen der Bildung. Als ganz kleines Kind - genaues Datum unbekannt - kommt Seneca mit seiner Tante: " illius manibus in urbem perlatus sum" nach Rom. Wir wissen noch nicht einmal, warum dies geschah. Seneca äußert sich in seinen Werken diese Tante bertreffend sehr dankbar. In seiner Jugend erhielt Seneca einen glänzenden Unterricht. Beim Grammaticus, der die Klassiker lehrte, dann beim Rhetoriker und dann folgte der Rechtsunterricht. Bald aber wechselte Seneca über zu Menschen, die meinten, ihr Tun und nicht das der Rhetoren vermittle die wahre Bildung, zu den Philosophen. Ihn zog ganz besonders der Philosoph Sextius in seinen Bann, der der Stoa zugeneigt war.

Eine knappe Definition und Auffrischung unseres Wissens über das, was Stoa bedeutet, scheint mir an dieser Stelle angebracht, obwohl wir es schon im Unterricht in anderem Zusammenhang bearbeitet haben. Stoa war eine weitverbreitete Strömung der griech. Philosophie, um 300 v. Chr. von Zenon aus Kition gegründet. Hat ihren Namen von der Stoa poikile, einer Säulenhalle in Athen. In der Kaiserzeit war die Stoa eine Art ethische Religion des römischen Volkes geworden. Gott und Natur waren eins, das Menschenwesen war ein Teil der Gottheit. Alles löste sich in ewigem Wechsel wieder in die göttliche Kraft. Alle geschieht nach einer inneren und absoluten Notwendigkeit, und das absolut Notwendige ist zugleich das Zweckmäßige. Die Stoa lehrte die Willsenfreiheit.
Daher lautet ihre ethische Forderung:
Lebe aus freien Stücken in Übereinstimmung mit der Natur. Lasse dich durch keine Macht brechen, steigere deine Innerlichkeit.

Er predigte eine Philosophie der kleinen Schritte, immer sprach er davon, wie man Mut bekam und Selbstvertrauen gewann. Die Schule schrieb auch eine bestimmt Lebensweise vor, z.B. die Enthaltung von Fleisch ( Der Vater, um die Gesundheit des Sohnes bangend, beeinflusste Seneca jedoch so, dass er bald wieder Fleischegerichte zu sich nahm. Und wir wissen, dass sich der`Junge recht gerne vom Vater überzeugen ließ und kaum Widerstand leistete), das Sitzen auf harter Unterlage, die allabendliche Selbstprüfung usw.
Noch wichtiger aber war für ihn Attalus, der ihm die wesentlichen Elemente der philosophischen Überlieferung vermittelte. Einen zweiten starken Einfluss auf ihn hatten die naturkundlichen Interessen der Sextier, besonders des Papirius Fabianus. Ethisch leben hieß für den Stoiker, der Natur entsprechend leben und dazu gehörte, sich in das Naturgeschehen klaglos hineinzugeben, denn innerhalb dieses geschieht nichts fruchtlos, alles untersteht der Vorsehung.
Irgendwann erkrankte der junge Seneca und zog für viele Jahre zu seiner Tante und deren Mann, der Stadthalter war, nach Ägypten. Die Art der Krankheit ist nicht gesichert, wahrscheinlich waren es aber Atemwegsprobleme. Sichere Erkenntnis ist, dass Seneca im Jahre 31 zurückkehrte, ohne Ehrgeiz viele politische Ämter zu übernehmen. Er trat vor Gericht auf und gefiel dort gut. Irgendwann hat er da geheiratet und hatte mindestens ein Kind, einen Sohn. Seneca hatte das Amt eines Quästors inne, und ihm gelang es in den Dunstkreis des Kaisers Gaius = Caligula, das Stiefelchen, zu gelangen.
Am 24.01.41 wurde dieser ermordet, und Claudius wurde zum Kaiser ausgerufen. Seneca gehörte aber nicht zum Verschwörerkreis. Messalina, die Frau des Claudius, klagte Julia Livilla an, deren Mutter eine Schwester des Kaisers Augustus war und jüngste Tochter des Germanicus, Ehebruch mit Seneca begangen zu haben. Auf diesen stand der Tod. Doch Claudius ließ Milde walten und erkannte nur auf Verbannung Senecas auf ungewisse Zeit. Wir wissen nicht ob er diese Tat begangen hat oder nicht. Er erklärte sich aber selber für unschuldig. Am 23.02.41, das ist gesicherte Kenntnis, geht Seneca nach Korsika in Verbannung. Die 8 Jahre der Verbannung auf dieser wüsten Insel waren für ihn die Hölle. Aber er meisterte auch diese zweite, schwere Lebenskrise, und er war, als er dann zurückberufen wurde, in der Lage, ohne aufzufallen, ohne viel von sich reden zu machen, mit klarem Denken und ohne gehässige Deklamation über vergangenes Unrecht, ein Weltreich mitzulenken und in schwierigster Zeit einen schwierigen Monarchen zu führen.
Die Wirrnisse, die mörderischen Intrigen der Zeit waren so schrecklich, das Durcheinander der Ränke - und Machtspiele so groß, dass es mir wichtig erscheint, ganz ausführlich den nun folgenden Weg Senecas vom Verbannten zum Prinzen, - zum Kaisererzieher darzustellen. Kaiserin Messalina ( Claudius) hatte nach Jahre des Wütens in den Reihen ihrer Feinde dann doch den Bogen überspannt. Sie wurde mit Billigung des Kaisers ermordet. Die neue Gemahlin des Kaisers war Agrippina, eine Gönnerin Senecas. Sie war es, die mit Zustimmung des Senates Seneca zurückholte. Agrippina war sehr ehrgeizig. Sie brachte den vielfach verhassten und verachteten Kaiser dazu, ihren Sohn zu adoptieren und erinnerte mit seinem Namen Nero Claudius Drusus Germanicus an ihren nach wie vor hochverehrten Vater Gemanicus. Um nun die öffentliche Meinung über sich und ihren Sohn günstig zu stimmen, gab sie ihm nicht Freigelassene zu Lehrern oder Erziehern, der jetzige Kaiser galt als beherrscht von ihnen, sondern den allgemein geachteten Ritter Seneca, so schreibt Tacitus.
Als Seneca mit der Erziehung des des Prinzen begann, war Nero 12 Jahre alt. Rhetorik wurde ein sehr wichtiges Fach. Als der Kaiser Agrippina gefährlich und ihren Plänen hinderlich wurde, kochte sie ihm ein Giftpilzgericht und ließ den anderen Thronanwärter umbringen. Sie ließ den toten Kaiser vergotten und Nero wurde so zum " divi filius". So begannen die Jahre von Senecas Macht. Von jetzt an sorgte er nicht nur für die ordnungsgemäße Erledigung der Geschäfte, sonder versuchte auch Agrippinas Machthunger, sie nannte sich " Augusta", zu zähmen. Seneca versuchte immer wieder, den Kaiser zur Milde zu stimmen und Blutvergießen zu vermeidern, das ihm auch oft gelang, sowie, was die Außenpolitik anbetraf, es wie Tiberius und Augustus mehr auf Grenzsicherung als auf Expansion den Schwerpunkt zu legen. Im Palast wurde die Lage Senecas mit den Jahren jedoch schwierig, die Kompromisse drückend. Auch Agrippina, die ihren Einfluss schwinden sah, hetzte nun und intrigierte gegen Seneca. Nero war, neben gezeigter Milde, durchaus voll wilder Agressivität.

Welche Aufgaben als Berater hatte Seneca nun eigentlich? 

Vor öffentlichen Auftritten musste er ihn beraten, bei allen Verlautbarungen in politischen Dingen ebenfalls, bis hin zu den Reden, die er zu schreiben pflegte. Er hatte bei Palastangelegenheiten mitzusprechen und bei Ernennungen. Er hatte die Rolle eines " amicus princeps" inne. Seneca trat bescheiden auf, hatte keine Laster und man kann ihm kein Verbrechen nachweisen. Die Aussage jedoch versehe ich mit einem Fragezeichen. Ich habe sie dem Band "Seneca" aus der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft vom Autor: Gregor Maurach, 2. Auflage 1996 entnommen. Zu einer konträren Aussage kommt jedoch "Nero" aus:
Helmuth Schneider in: Die römischen Kaiser 55 historische Portraits, Herausgeber Manfred Clauss im C.H. Beck Verlag München 1997
Dort steht - kurz von mir zusammengefasst - folgendes:
Als sich Agrippina nicht mit ihrem Sohn und seiner neuen Liebe Poppaea, der Frau des Senators Marcus Salvius Otho, einigen konnte, es ging um die Scheidung von Neros Frau Octavia, fasste Nero den Entschluss, seine Mutter umbringen zu lassen. Nachdem ein 1. Anschlag fehlgeschlagen war, wurde Agrippina - gerade auch auf Drängen Senecas - in ihrer Villa von Soldaten mit dem Schwert ermordet. Seneca, der sich, während dies geschah, in Neros Umgebung aufhielt, formulierte für ihn das Schreiben, welches den Senat über ihren angeblichen schuldbewussten Selbstmord informierte. Seneca verlor durch diese offenkundliche Lüge in der Öffentlichkeit sehr viel an Ansehen, deckte er doch einen gemeinen Muttermeuchelmörder. Welcher der beiden Autoren nun der historischen Wahrheit gerecht wird, bleibt hier offen, und es wäre sehr interessant zu erfahren, welche Aussage richtig ist.

Itaque discipuli curiosi magistrum Larisch nunc interrogant!

Seit dem Jahre 58 schwindet Senecas Einfluß jedoch. Man hetzte immer lauter gegen ihn und behauptete, er wolle mit des Kaisers Pracht konkurrieren und auch mit seiner Dichterkunst. Gerade in diesem Punkt war Nero hoch empfindlich. Er hielt sich für einen begnadeten Dichter und Sänger und hatte auch eine vokale und instrumentale Ausbildung erhalten. So soll er auch den Brand Roms in Verse gefasst haben. Wer den Film " Quo vadis" gesehen hat, mit Sir Peter Ustinov in der Rolle des Nero, weiß, wovon hier die Rede ist.
Dieses Hetzen und die zunehmende Willkür des Monarchen, der auch unter dem unheilvollen Einfluss seiner neuen Frau Poppaea stand, waren es, die den alten Mann müde werden ließen. Seneca zeigt sich von nun an ohne großes Gefolge; alle sollten sehen, dass er hinfort Privatmann war: " perculsus Seneca".Obwohl Nero ihn nicht aus seinen Pflichten in Wirklichkeit entlassen hatte. Seneca hatte sich bei seinem 1. Nachsuchen um Entlassung aus den Pflichten eines kaiserlichen Ratgebers jeglichen Besuch verbeten. Daran hielt sich Nero wohl, aber Titel und Ämter blieben unausgesprochen, unausgefüllt weiter bestehen. Man weiß, dass Nero auf seine Art und Weise eine enge Bindung und Beziehung zu Seneca hatte.

Dann brannte am 19 Juli 64 Rom, und ein großer Teil der Stadt wurde eingeäschert. Die Christensekte gab den gewünschten Sündenbock ab; Petrus und Paulus starben in diesen Tagen. Wieder erneuerte Seneca sein offizielles Abschiedsgesuch, doch Nero lehnte wiederum ab. Obwohl Seneca krank war, erlaubte Nero ihm nicht, sich aufs Land zurückzuziehen.
So wohnte der alte Mann in seinen Zimmern, aß Diätkost und schrieb ein großes Werk nach dem anderen. Sieben Bücher Naturkunde, mindestens 22 Bücher Briefe, und im Geiste konzipierte er bereits ein systematisches Werk über die Moralphilosophie.

Sollte Seneca Kaiser werden? 

Eine nicht geringe Anzahl hochgestellter Personen hatte beschlossen, den wahnsinnigen Kaiser umzubringen.( Heute ist man sich was die Forschung anbetrifft nicht mehr so sicher, dass Nero wirklich wahnsinnig gewesen ist). Das Haupt der Verschwörung war C. Calpurnius Piso. Einige wollten ihn zum Princeps erheben, andere jedoch dachten dabei eher an Seneca als Nachfolger Neros. Als man losschlagen wollte, befand sich Seneca auf einem seiner Landgüter nur sechs Kilometer vor der Stadt. Und seine Antwort auf Pisos Ersuchen, ihn sprechen zu dürfen, muss man bei allen vorsichtiger Rätselhaftigkeit: " Fällst du, falle ich auch" doch wohl als Bescheidwissen um den Anschlag auslegen. Diese Antwort wurde dem Kaiser hinterbracht, der ließ durch einen Tribunen bei Seneca nachfragen. Seneca gab unerschüttert zu, sie erteilt zu haben, und als der Tyrann erfuhr, dass sein ehemaliger amicus principis keinerlei Anstalten machte, sich selbst zu töten, fühlte er sich provoziert und befahl seine Selbsttötung. Seneca muss seit langem so etwas geahnt haben, denn er führte Schierlingsgift bei sich. Paulina, seine Frau, wollte freiwillig mit ihm aus dem Leben scheiden, und so ließen sich beide im gleichen Augenblick die Adern öffnen. Senecas Blutverlust ist zu gering, man öffnet noch andere Adern. Aber er kann nicht sterben, so läßt er den Schierling bringen, mittels dessen in Athen die Verurteilten s. Sokrates getötet wurden. Aber auch das Gift tötet ihn nicht, so wird er ins Bad gezerrt und dort getötet. Das Sterben geschah unter Beobachtung eines Zenturio, der mit Hilfe von Meldern den jeweiligen Stand der Dinge berichten ließ. Nero verhinderte den Tod Paulinas. Zum Schluß also wurde Seneca wie ein Stück Vieh mit dem Brasen ( vapor) getötet. ( Brasen = heißer Dampf.) So weit der Abschnitt über Senecas Biographie.

Wenden wir uns nun seinem Werk zu. 

Seneca war, wie schon o.a., Schüler der Sextier gewesen. Das Anliegen der o.a. Philosophen war es gewesen, nicht Systematik und Vollständigkeit weiterzugeben, sondern die Schüler anzusprechen, ihnen zuzusprechen und sie anzuleiten zu einem lebenswerten und würdigen Leben. Ihr Schüler ist Seneca Zeit seines Lebens geblieben, immer hat er sich um solchen Zuspruch bemüht, immer der Verwirklichbarkeit des Ideals zugewandt, nie um Systematik und Vollständigkeit bemüht:
Logik z.B. und Erkenntnisstheorie hat er nie betrieben. Die " Seelenleitung" blieb immer die einzige Aufgabe. Auch dichtete Seneca, und auch diese Dichtungen ( Trägödien) sind psychagogische Mittel. Er begann mit Trostschriften ( 3 Stück)
a) an Marcia
b) an die Mutter
c) an Polybius

Diese Trostschriften sind nicht eigentlich Philosophie, man kann sie angewandte Philosophie nennen. Die Worte wenden sich an das Einsichtsvermögen der Adressaten und nur selten ans Herz oder an das Gefühl des Selbstwertes. Sie sind Therapie unter Einsatz von Philosophemen. Sie verlangen vom Adressaten ein Umwerfen bisheriger Wertvorstellungen, mit dem Ziel, neues Denken zu gewinnen. Zu den Schriften der sogenannten mittleren Zeit, entstanden am Ende der Verbannung bis zur Entmachtung im Jahre 62, gehören:

1) De ira
2) De beneficiis
3) De clementia
4) De brevitate vitae
5) De constantia sapientis
6) De tranquillitate animi
7) De vita beata
8) Apocolocyntosis

In diesen Schriften ist Seneca der Fortsetzer der Lehre der Sextier schlechthin. Alle haben die gleiche Grundansicht: das Kernthema:
Lebensgestaltung in einer zügellosen Umwelt. Es geht ihm in diesen Werken um die Analyse des Gefährdenden, Abhaltenden, Verzettelnden. Sie widmen das Hauptaugenwerk der Analyse von Not und Unbehagen, den kleinen Schritten, sie sind therapeutischer Natur und noch fehlt ihnen im Gegensatz zu den Schriften der Spätzeit eine klare Vorstellung davon, was denn die Welt, was Gott eigentlich bedeutet.
In diesen späteren Schriften wird dann deutlich, dass sich Seneca anerkannt fühlt als Mensch durch eine unfehlbare Instanz, durch Gott. Hier aber wird der große Unterschied zum Christentum deutlich:
Seneca kommt über Gott als Gesetz, Geschick und Bild nicht hinaus.
Zu Senecas Spätschriften gehören folgende Werke, die alle in den wenigen Jahren seines Rückzugs aus dem Kaiserpalast bis zu seinem schrecklichen Ende entstanden:

1) De otio
2) De providentia
3) Naturales quaestiones
4) Epistulae morales

Die ersten drei Schriften kann man als Vorbereitung auf das umfassende Seelenleitungswerk der Episteln ansehen. In den quaestiones naturales wird die Idee, dass überall, und auch noch im scheinbar Regellosesten, dem Wetter, die kosmische Ratio walte, die dem Stoiker Gott war verdeutlicht. Wichtig erschien mir Senecas Erkenntnis: " Wissen, um nicht zu fürchten - das ist die Würde des Menschen." Der Mensch ist nicht dem Götterzorn ausgeliefert, denn diese handeln nie im Zorn, so Seneca, er soll immer auf den Tod vorbereitet sein und keine Angst vor ihm haben. Wir sollen uns in das Geschehen leicht hineingeben.
Senecas Methode des Schreibens ist die der kritischen Doxographie. Er führt Meinungen vor, widerlegt einiges, einiges lässt er gelten, und aus dem, was er gelten lässt, setzt er dann meist in der Buchmitte seine eigene Ansicht zusammen. Die so gewonnen Einsichten in das Wirken der Natur lässt die Nichtigkeit des Irdischen erkennen, befreit den Menschen somit von der Jagd nach ihm und reinigt damit den Geist fürs Aufblicken, und die Schau des Göttlichen führt zu einer höheren Seinsstufe ( melior sors), die zugeleich Rückkehr des animus zum Ursprung ist. Der Mensch ist bei Seneca ein Doppelwesen aus Körper und Geist; Gott ist einerseits reine Ratio, ja Wirker des Alls, andererseits im Kosmos immanent als Gesetz und Fatum da. Der Gang durch das Geschehen der Natur, voller Gesetzmäßigkeit und voller Wunder, ist Erziehung ist Wegleiten aus der Verstrickung ins Irdische und Hinführung durch Bedrängendes und Festigendes letzlich zum Göttlichen. Die Naturales quaestiones erscheinen auf diese Weise nicht mehr nur als Lehr, - sondern als Seelenleitungswerk, wie die Episteln, denen wir uns nun zuwenden:

Seneca verfasste sein Hauptwerk die Epistulae morales in Briefform. Man ist sich heute darüber einig, dass es sich nicht um eine reale Korrespondenz handelt, sondern um ein genau geplantes, künstliches Ganzes. Die gewählte Form, der Brief, war für Seneca eine Neuerung. Die Gattung wird zum Mittel, noch näher an den Lesenden heranzudringen als bisher.

Wusste Seneca, dass er mit der Literaturepistel in Horaz einen Vorläufer hatte?

Er wendet sich in den Episteln nicht an den Menschen schlechthin, sondern an den Menschen von einem bestimmten Zuschnitt, an den Menschen von nicht geringer Lebensreife, an den kulturell und sittlich anspruchsvollen Menschen, der obendrein dem Leben tätig verbunden ist. Kernpunkte der Erkenntnisse der Epistulae sind:
Jeder Mensch darf das sich ihm Bietende nutzen und genießen, wenn er eine Distanz zwischen sich und das Genießen legt:
die Distanz der Bereitschaft, alles und jedes Äußerliche im Notfall gern und freudig " der Fortuna zurückzugeben."
" Das Tun des Gewußten" - dies ist das Hauptanliegen senecanischer Seelenleitung. Dazu will er Mut machen. Jeder Mensch hat das Zeug dazu, trägt keimhaft das Gute in sich. Die stärkste Motivation des Menschen auf diesem Weg ist die Liebe, die Bewunderung und die Scham. Scham vor sich selber und den Vorbildern, ja vor dem Kosmos, Liebe zu den großen Gestalten der Geschichte und zur Schönheit des Kosmos und des Guten. Der Mensch soll klaglos das Unabwendbare geschehen lassen, den Körper den materiellen Bedingungen überlassen, den Geist aber erheben zur Schau des Ewigen. Das ist die senecanische Kurzformel.
Interessant ist ganz besonders in allen seinen Werken sein spezieller literarischer Darbietungsstil. Die Sentenz ist als die stilistische Urzelle Senecas anzusehen. Bei Cicero war es dagegen die Periode. Dies zeigt schon alleine ein verändertes Wert - und Lebensgefühl:
Konzentration auf sich selbst, Vereinzelung und Verlust an weitgespannter Einordnung. Verkürzungen, Prägnanzen, Antithesen und Anaphorai - Bauformen der Nachdrücklichkeit, der Agressivität sogar. ( Anaphorai = Wiederkehr des selben Wortes: das Wasser rauscht, das Wasser schwoll)
So werden Sprachformen von Denkweisen geschaffen, und das Denken formt sich seine Sprache.

Weiter oben im Referat war schon einmal die Rede von Senecas Tragödien. Seneca erzählt in diesen von der Raserei des Menschen, der nicht nur die Erde, sondern auch die Sternenwelt bedroht und verdüstert. Wie modern sich das noch nach 2000 Jahren anhört!
Er entwarf 9 Tragödien; es sind die einzigen römischen, die aus dem Altertum ganz erhalten sind. Vorbilder waren ihm dabei. Ennius, Accius und Ovid.
Ihre Titel sind: Hercules Furens, Troades, Phoenissae, Medea, Phaedra, Oedipus, Thyestes, Agamemno, Hercules Oetaeus. Die Tragödien zeigen allesamt, welchem Leiden und welchen Leidenschaften der Mensch in Extremsituation ausgesetzt ist. Das dramatische Element tritt eindeutig hinter das rhetorische Element in diesen Werken zurück. Wir finden wieder viele Sentenzen vor. Durch seine Tragödien ist Seneca der Vermittler zwischen Antike und Moderne; dies wird besonders deutlich beim Theater der französischen Klassik und des Barock ( Gryphius).
Ganz interessant zu wissen ist übrigens auch, dass seine Naturales Quaestiones im Mittelalter als naturwissenschaftliche Schulbücher verwendet wurden. So weit diese kleine Zwischenanmerkung.
Ganz zum Schluss meines Referates über Seneca, den Philosophen mit der therapeutischen Gesprächsführung, der mit seinem umfassenden Werk selbst das Christentum - denken wir nur an Dante, Bernhard von Clairvaux u.v.a. - beeiflusst, möchte ich noch auf den Maler Peter Paul Rubens hinweisen und dessen berühmtes Gemälde:
" Der sterbende Seneca". Es ist in der Alten Pinakothek in München ausgestellt.

Finis operae meae

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