Sie verschmäht die Welt und wendet sich zu ihrem Jesu von Angelus Silesius

Fahr hin, du schnöde Welt,
Mit deinem Gut und Geld.
Fahr hin mit deinem Prangen
Und den geschminkten Wangen,
Du wirst mit deinen Tücken
Mich nun nicht mehr berücken:
Jesus Christus soll allein
Meiner Seelen Vorbild sein.
 
Du zeigst mir deine Pracht,
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Dein Reichtum, deine Macht
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Und deiner Schönheit Rosen,
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Daß ich sie lieb soll kosen.
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Ach nein, es ist nur Heue
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Und stäubet hin wie Spreue:
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Jesus Christus soll allein
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Meiner Seelen Schönster sein.
 
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Dein Ruhm ist wie ein Schaum
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Und deine Pracht ein Traum,
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Und deine Herrlichkeiten
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Verbleichen mit den Zeiten.
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Fahr hin, ich mag nicht haben,
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Was nur kann zeitlich laben:
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Jesus Christus soll allein
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Meiner Seelen Liebster sein.
 
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Wer dir zu viel getraut,
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Hat auf den Sand gebaut.
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Wer dir sich hat ergeben,
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Verdirbt mit Leib und Leben.
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Drum will ich dich verlassen
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Und nimmermehr umfassen:
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Jesus Christus soll allein
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Meiner Seele Bräutgam sein.
 
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Ich schätze deine Lust
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So hoch als Kot und Wust.
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Und alle deine Freude
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Vergleich ich Traurn und Leide.
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Drum will ich auch nicht lieben,
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Was mich nur kann betrüben:
39 
Jesus Christus soll allein
40 
Ewig meine Liebe sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Sie verschmäht die Welt und wendet sich zu ihrem Jesu“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
186
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Sie verschmäht die Welt und wendet sich zu ihrem Jesu“ wurde von dem Barock-Dichter Angelus Silesius (1624-1677) verfasst. Es entstand also im 17. Jahrhundert während der Blütezeit der Barock-Literatur.

Beim ersten Lesen fällt der deutliche Gegensatz auf: Die abwertende Haltung der Welt gegenüber und die tiefe Zuneigung und Hingabe für Jesus Christus. Das Gedicht drückt eine deutliche religiöse und spirituelle Einstellung aus, was für die barocke Lyrik charakteristisch ist.

Im Inhalt geht es darum, dass das lyrische Ich die weltlichen Dinge, wie Reichtum, Macht, Ruhm und die schönen Dinge des Lebens ablehnt. Es erklärt, dass diese vergänglich und oberflächlich seien und verblassen würden mit der Zeit. Es stellt klar, dass sie Jesus Christus über alles stellen und ihn als Vorbild für ihr Seelenheil sehen. Die Welt mit all ihren Verlockungen und Schönheiten wird als unwichtig und täuschend dargestellt. Vielmehr wird die tiefe Liebe und Hingabe zu Jesus betont.

Der Aufbau des Gedichts und die Form sind sehr gleichmäßig. Es besteht aus fünf achte Versen bestehenden Strophen mit einem sehr klaren Reimschema. Die Sprache ist sehr bildreich, pathetisch und emotional, geprägt von starken moralischen und religiösen Aussagen. Die klare und einfache Syntax erleichtert das Verständnis.

Die wiederholte Anrufung „Jesus Christus soll allein“ unterstreicht die zentrale Botschaft des Gedichts: Die Bedeutung und den Wert des spirituellen und religiösen Lebens im Vergleich zur vergänglichen weltlichen Existenz. Es ist klar, dass das Gedicht in der strikten religiösen Tradition und dem tiefen Glauben des 17. Jahrhunderts verwurzelt ist. Es spiegelt die philosophische und religiöse Haltung vieler Menschen in dieser Zeit wider, in der Gott und das Jenseits als der wahre Zweck des Lebens angesehen wurden.

Weitere Informationen

Angelus Silesius ist der Autor des Gedichtes „Sie verschmäht die Welt und wendet sich zu ihrem Jesu“. Geboren wurde Silesius im Jahr 1624 in Breslau. Im Zeitraum zwischen 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barock beginnt etwa 1600 und endet im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des aus dem Portugiesischen stammenden Begriffes „barocco“ lautet „schiefrunde Perle“. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt – Hunger, Seuchen, Vergewaltigung und Tod sorgten für enormes Leid bei der Bevölkerung in Europa. So verkleinerte sich die Bevölkerung in Deutschland von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Krieg und Elend lösten in der einfachen Bevölkerung ein starkes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Im Gegensatz dazu lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in pompösen Luxus und ließen sich Prunkschlösser errichten. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich ebenso in der Barockliteratur ausmachen. In der Lyrik wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die am häufigsten genutzten Formen in der Lyrik waren das Sonett, die Ode, die Elegie und das Epigramm. Im Barock begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch auf Lateinisch. Bedeutende Vertreter des Barocks waren beispielsweise: Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Christian Weise und Andreas Gryphius.

Das 186 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Angelus Silesius ist auch der Autor für Gedichte wie „Des Weisen Goldmachung“, „Vom Wissen“ und „Vom Gewissen“. Zum Autor des Gedichtes „Sie verschmäht die Welt und wendet sich zu ihrem Jesu“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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