Sie will sterben mit ihrem Jesu von Angelus Silesius

1
O Elend, Jammer, Angst und Not!
Seh ich doch meinen Jesum tot!
Er ist verstarret ganz und gar,
Der einzig meine Hoffnung war!
Nun nimm, nun nimm dies Leben hin,
Ich ruh nicht, bis ich auch fort bin.
 
2
Nichts ist nun auf der ganzen Welt,
10 
Das mein Gemüt zufriedenstellt,
11 
Mein Trost und Freude, Gottes Sohn,
12 
Mein Lieb und Leben ist davon.
13 
Ach nimm, ach nimm dies Leben hin,
14 
Ich ruh nicht, bis ich auch fort bin.
 
15 
3
16 
Dein, Schönster, blasses Angesicht
17 
Macht, daß mir Herz und Mut gebricht.
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Dein ganz verblichner Rosenmund
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Hat mir schon Leib und Seel verwundt.
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Ach nimm, ach nimm dies Leben hin,
21 
Ich ruh nicht, bis ich auch fort bin.
 
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4
23 
Ich weiß wohl, daß du mir zu gut
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Vergossen hast dein teures Blut.
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Drum, daß ich es vergelte dir,
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So will ich wieder sterben mir.
27 
Ei nimm, ei nimm dies Leben hin,
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Ich ruh nicht, bis ich auch fort bin.
 
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5
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Gib mir dein Leiden, Kreuz und Pein,
31 
Die Nägelmale drück mir ein.
32 
Verehre mich mit deinem Spott,
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Mach mich ganz ähnlich deinem Tod.
34 
Ach nimm, ach nimm dies Leben hin,
35 
Ich ruh nicht, bis ich auch fort bin.
 
36 
6
37 
O Jesu, laß mich doch nicht hier,
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Nimm mich nur in das Grab mit dir!
39 
Laß deines süßen Herzens Schrein
40 
Mein Grab und eigne Ruhstatt sein.
41 
O Jesu, nimm dies Leben hin,
42 
Ich ruh nicht, bis ich bei dir bin.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Sie will sterben mit ihrem Jesu“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
231
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das ausgewählte Gedicht stammt von Angelus Silesius, einem bedeutenden Vertreter der barocken Lyrik in deutscher Sprache, der von 1624 bis 1677 lebte. Diese Epoche ist durch ihre intensive Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Vertiefung in religiöse Themen gekennzeichnet.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen tief traurigen und gefühlvollen Eindruck. Es scheint von einem tiefgreifenden Schmerz und einer starken Verbundenheit mit Jesus Christus geprägt zu sein. Durchgehend sind Melancholie und Sehnsucht nach Erlösung und Nähe zu Gott deutlich erkennbar.

Im Gedicht vermittelt das lyrische Ich intensive Gefühle des Verlusts und der Trauer. Es erlebt einen tiefen Schmerz, der aus der Wahrnehmung hervorgeht, dass Jesus, die einzige Hoffnung und Freude des lyrischen Ichs, tot ist. Es drückt den Wunsch aus, selbst zu sterben und das eigene Leben hinzuopfern, um Jesus gleich zu sein. Dies wird in jeder Strophe durch die wiederholte Aufforderung „Nimm mein Leben hin“ betont.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils sechs Versen. Angelus Silesius nutzt eine einfache, aber ausdrucksstarke Sprache. Er verwendet stark emotionale Begriffe und Metaphern, um sein Inneres auszudrücken. Die wiederholten Ausrufe wie „Ach nimm, ach nimm dies Leben hin“ verstärken die emotionalen Zustände von Verzweiflung und Sehnsucht nach Erlösung. Die Religiosität wird hauptsächlich durch die Beziehung des lyrischen Ichs zu Jesus ausgedrückt, der als der „Schönste“, der „Gottes Sohn“ und der „zu gut Seiende“ dargestellt wird.

Insgesamt verkörpert das Gedicht die für den Barock typische tiefgehende Auseinandersetzung mit Tod, Glauben und Erlösung. Das lyrische Ich ist in einem Zustand höchster geistlicher Verzweiflung und Sehnsucht, die sich in intensiven emotionalen Klagen und in der Bereitschaft zur Selbstaufopferung äußert. Der Fokus liegt dabei auf dem Verlangen, in die Nähe Gottes zu gelangen und in ihm Trost und Frieden zu finden.

Weitere Informationen

Angelus Silesius ist der Autor des Gedichtes „Sie will sterben mit ihrem Jesu“. Geboren wurde Silesius im Jahr 1624 in Breslau. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis etwa 1720. Diesen Zeitraum kann man in drei Abschnitte unterteilen: Spät-, Hoch- und Frühbarock. Der Dreißigjährige Krieg, der in die Zeit von 1618 bis 1648 fiel, gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein wirtschaftlich, politisch und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. Es wurden Tod, Gewalt und Zerstörung zum Teil des Alltags der Menschen. Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die bedrohliche Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest schmälerte die Bevölkerung um ein Drittel. Der Barock zeichnet sich vorwiegend durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es in der Literatur des Barocks vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Wollust und Tugend oder Weltzugewandtheit und Weltverneinung. Im Barock löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Im Barock war der größte Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Fürstenhuldigung. Für wohlhabende Bevölkerungsschichten schrieben Lyriker für Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten. Die Lyrik der Literaturepoche des Barocks wird daher auch Gesellschaftsdichtung genannt.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 231 Worte. Weitere Werke des Dichters Angelus Silesius sind „Die Weisheit ist ein Quell“, „Das Vieh lebt nach den Sinnen“ und „Die Gliedmaßen der Seelen“. Zum Autor des Gedichtes „Sie will sterben mit ihrem Jesu“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1832 Gedichte veröffentlicht.

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