Sie sehnt sich, seinen Mund zu küssen von Angelus Silesius

1
Du Allerschönster, den ich weiß,
Du meiner Augen Paradeis,
Du Süßer, dem ich mit Verlangen
Von Jugend auf bin nachgegangen,
Vergönne mir, daß ich dich küsse
Und deines Munds einmal genieße.
 
2
Es ist zwar viel, daß ich zu dir
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Mich nahen darf mit der Begier.
11 
Du aber hast mir selbst, mein Leben,
12 
Zu dieser Kühnheit Ursach geben,
13 
Weil du in meiner Menschheit Orden
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Mein nächster Freund und Bruder worden.
 
15 
3
16 
Ich danke dir wohl, daß du mich
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Hast angeblickt genädiglich
18 
Und nach der Huld bei deinen Füßen
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Die heilgen Hände lassen küssen.
20 
Wirst du mich aber nicht erheben
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Zum Mund, so hast du nichts gegeben.
 
22 
4
23 
Dein Mund, o Jesu, soll allein
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Das Ende meiner Liebe sein.
25 
Und ob sich zwar die Seraphinen,
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Ihn zu berühren, nicht erkühnen,
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Schätz ich doch mich dazu geboren,
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Weil du mich hast zur Braut erkoren.
 
29 
5
30 
So laß mich denn nach diesem Bund
31 
Erreichen deinen Rosenmund.
32 
Erhebe mich, daß ich ihn küsse
33 
Und seines Honigseims genieße,
34 
Damit sich ende mein Verlangen,
35 
Das mich von Jugend hat gefangen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Sie sehnt sich, seinen Mund zu küssen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
170
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sie sehnt sich, seinen Mund zu küssen“ wurde von Angelus Silesius verfasst, einem barocken Dichter und Mystiker. Er lebte von 1624 bis 1677 und ist daher in die Epoche des Barocks einzuordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht intensiv und voller Sehnsucht. Es steht im Zeichen einer starken emotionalen Zuneigung und des Verlangens, die aus einer tiefen spirituellen Hingabe erwachsen.

Inhaltlich geht es im Gedicht um das lyrische Ich, das sich danach sehnt, Jesus, seinen „Allerschönsten“, zu küssen. Dabei steht der Kuss wohl symbolisch für eine enge, ja sogar innige Verbindung zur göttlichen Gestalt. Der Wunsch nach einem Kuss - einer Berührung also - macht die Verbundenheit und Hingabe besonders deutlich. Das lyrische Ich sieht Jesus nicht nur als Bruder und Freund, sondern auch als seine erwählte Braut - eine besonders intime und innige Beziehung.

In der Sprache und Form folgt das Gedicht klaren und regelmäßigen Strukturen. Jede Strophe besteht aus sechs Versen und folgt einem gleichbleibenden Reimschema. Die sprachlichen Bilder sind stark und eindrücklich: Jesus wird als „Allerschönster“, „Paradeis“ und „Süßer“ bezeichnet, sein Mund als „Rosmund“ und seine Güte als „Honigseim“. Diese Sprache unterstreicht die intensive Emotion und Leidenschaft, die das lyrische Ich für Jesus empfindet.

Die religiöse Thematik und die innige, ja fast körperliche Liebe zu Jesus sind typisch für die Dichtung der Barockzeit, in der die persönliche Beziehung zu Gott und die Übergabe des eigenen Ichs in dessen Hände im Zentrum standen. Die fast schon erotische Komponente in der Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und der göttlichen Gestalt ist darüber hinaus typisch für die mystische Dichtung der Epoche. Diese intime und persönliche Beziehung zu Gott war für die Mystik des Barocks zentral und wird auch in diesem Gedicht deutlich.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Sie sehnt sich, seinen Mund zu küssen“ des Autors Angelus Silesius. Geboren wurde Silesius im Jahr 1624 in Breslau. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1640 und 1677. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Silesius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die Begrifflichkeit „Barock“ leitet sich vom portugiesischen Wort „barocco“ ab und bedeutet „seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden weite Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Menschen der damaligen Zeit, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Hof und Provinz geprägt, litten folglich unter den immensen Auswirkungen des Krieges. Viele Menschen starben an den Folgen der Pest und des Krieges. Die Epoche des Barocks wurde davon stark geprägt. Besonders Pest und Krieg in der Literaturepoche des Barocks zeigen auch ein wichtiges Merkmal auf: der Gegensatz. Zum einen Armut, Tod und Elend, zum anderen Prunk, Glanz und Macht. So lebte die einfache Bevölkerung in bitterer Armut, während Adelige einen pompösen Lebensstil bevorzugten. In der vorhergehenden Epoche der Renaissance waren noch viele Gedichte auf Lateinisch verfasst worden. Im Barock begann jedoch die Zeit der in deutscher Sprache verfassten Literatur. Die wichtigen Vertreter der Lyrik der Barockzeit sind Paul Fleming, Martin Opitz, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Andreas Gryphius, Simon Dach, Johann Christian Günther, Friedrich von Logau und Angelus Silesius.

Das 170 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 35 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Du mußt geübt werden“, „Gott ist mein Himmelbrot“ und „Des Weisen Goldmachung“ sind weitere Werke des Autors Angelus Silesius. Zum Autor des Gedichtes „Sie sehnt sich, seinen Mund zu küssen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.

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