Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben von Angelus Silesius

1
Dein eigne Liebe zwinget mich,
Mein Jesu, hoch zu lieben dich.
Ich flamm und brenn allein nach dir
Mit unaussprechlicher Begier.
O du herzgeliebter Gott,
Wenn mir tausend Herzen blieben,
Wollt ich dich mit allen lieben!
 
2
10 
Ich weiß von keinem andern Schatz
11 
Auf Himmels und der Erden Platz.
12 
Ich habe dich allein erkorn,
13 
Dich, der du mir bist Mensch geborn.
14 
O du herzgeliebter Gott,
15 
Wenn mir tausend Herzen blieben,
16 
Wollt ich dich mit allen lieben!
 
17 
3
18 
Du hast aus Liebe Knechtsgestalt
19 
An dich genommen mannigfalt.
20 
Aus Liebe hast du in der Zeit
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Dich in ein Lämmelein verkleidt.
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O du herzgeliebter Gott,
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Wenn mir tausend Herzen blieben,
24 
Wollt ich dich mit allen lieben!
 
25 
4
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Du hast gelitten alle Pein,
27 
Die über mich sollt ewig sein.
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Du hast getragen all mein Joch,
29 
Und was noch mehr, du trägst es noch.
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O du herzgeliebter Gott,
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Wenn mir tausend Herzen blieben,
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Wollt ich dich mit allen lieben!
 
33 
5
34 
Du gibest dich für mich in Tod,
35 
Du opferst dich dem zorngen Gott.
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Du speisest mich, o höchstes Gut,
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Mit deinem Leib und deinem Blut.
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O du herzgeliebter Gott,
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Wenn mir tausend Herzen blieben,
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Wollt ich dich mit allen lieben!
 
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6
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Du machst mein Herz voll Süßigkeit,
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Voll ewigs Leben, voller Freud.
44 
Ach, daß ich nicht ganz feurig bin
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Und dich mehr lieb als Seraphin!
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Denn, o herzgeliebter Gott,
47 
Wenn mir tausend Herzen blieben,
48 
Wollt ich dich mit allen lieben!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
230
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das zu interpretierende Gedicht trägt den Titel „Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben“ und wurde von dem schlesischen Dichter und Theologen Angelus Silesius verfasst. Es fällt historisch in die mittlere Barockzeit des 17. Jahrhunderts.

Beim ersten Lesen fällt sofort die intensive Liebe auf, die das lyrische Ich empfindet. Die Anrede „Mein Jesu“ weist auf eine besondere Intimität und eine persönliche Bindung des lyrischen Ichs zu Jesus Christus hin. In den folgenden Versen wird diese geistliche Zuneigung immer wieder thematisiert und bekräftigt.

In Inhalt des Gedichts fasst zusammen, dass das lyrische Ich Jesus Christus über alles liebt und diese Liebe so intensiv empfindet, dass es sie mit tausend Herzen ausdrücken möchte. Das lyrische Ich ist in dieser göttlichen Liebe versunken und findet außerhalb von ihr nichts Wünschenswertes mehr. Es preist und dankt Christus für seine Opfer und Leiden, die er für die Menschen ertragen hat.

In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um eine Komposition aus sechs siebenzeiligen Strophen. Jede Strophe endet mit der wiederkehrenden Zeile „Wenn mir tausend Herzen blieben, Wollt ich dich mit allen lieben!“, wodurch das Gedicht in regelmäßigen Abständen seinen zentralen Liebesbekenntnis wiederholt.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von bildreichen und emotional gefärbten Ausdrücken. Es ist durchdrungen von Leidenschaft und Sehnsucht und offenbart eine tiefe spirituelle Hingabe. Die eher schlichte Sprache und der regelmäßige Rhythmus machen das Gedicht leicht zugänglich und verleihen ihm zugleich einen meditativen Charakter.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben“ ein leidenschaftliches Liebesgedicht ist, in dessen Mittelpunkt die tiefe geistliche Bindung des lyrischen Ichs zu Jesus Christus steht. Zugleich spiegelt es auch die Spiritualität und Frommigkeit der Barockzeit wider.

Weitere Informationen

Angelus Silesius ist der Autor des Gedichtes „Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben“. Silesius wurde im Jahr 1624 in Breslau geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1640 bis 1677 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche zwischen 1600 und 1720 den Namen. Durch die Pest starben etwa 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verfall im Deutschen Reich. Dennoch lebten die Fürsten einen ausschweifenden und überaus luxuriösen Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Krieg, um eine Neuordnung der Territorien vorzunehmen und ihre Macht weiter auszubauen und zu festigen. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen (antithetischen) Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von Pessimismus und bitterer Armut, während an den Fürstenhöfen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Lyrik wird die Nutzung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. In der Dichtung des Barocks trat das Deutsche an die Stelle des Lateinischen, welches die Sprache der populärsten deutschen Dichter im 16. Jahrhundert gewesen war. Gleichwohl war auch künftig die Elite Träger der Literatur. Die Hauptvertreter der Lyrik im Barock sind Martin Opitz, Paul Fleming, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Andreas Gryphius, Simon Dach, Johann Christian Günther, Angelus Silesius und Friedrich von Logau.

Das 230 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Angelus Silesius sind „Die Weisheit ist ein Quell“, „Das Vieh lebt nach den Sinnen“ und „Die Gliedmaßen der Seelen“. Zum Autor des Gedichtes „Sie begehrt ihn mit tausend Herzen zu lieben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.

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