Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander von Angelus Silesius

1
Du unvergleichlichs Gut, wer wollte dich nicht lieben?
Wer wollte nicht sein Herz um dich, o Gott, betrüben?
Wer wollte nicht mit Geist und Sinn
In dich, mein Jesu, wandern hin?
 
2
Du bist der ewge Glanz, den nur bloß anzuschauen
Kein Engel würdig ist, kein Mensch sich kann getrauen!
Und dennoch bist du mehr gemein
10 
Als immermehr der Sonnenschein.
 
11 
3
12 
Du bist die Majestät, der alles Ehr erzeiget,
13 
Der Herr, vor dem Erd, Höll und Himmel tief sich neiget.
14 
Und doch neigst du dich, Herr, so weit
15 
Zu mir, der schnödsten Schnödigkeit.
 
16 
4
17 
Du bist die Weisheit selbst, die ewiglich regieret,
18 
Der tiefeste Verstand, der alles glücklich führet.
19 
Und doch kommst du mich hinzuführn,
20 
Daß auch ich soll mit dir regiern.
 
21 
5
22 
Du bist das höchste Gut, du darfst kein Gut verlangen,
23 
Du selbst bist alle Lust, darfst keine Lust empfangen.
24 
Und doch verlangst du meine Brust
25 
Zu deiner ewgen Freud und Lust.
 
26 
6
27 
Du bist die Schönheit selbst, du kannst nichts Schöners finden,
28 
Es kann dich nichts als nur dein eigne Schönheit binden.
29 
Und doch hat deiner Liebe Band
30 
Dich mir, dem Schatten zugewandt.
 
31 
7
32 
Du sitzest auf dem Thron, vor dem die Teufel zittern,
33 
Es kann in deinem Reich sich ewiglich nichts wittern.
34 
Und doch gibst du dich so herab
35 
Um mich bis in das Kreuz und Grab.
 
36 
8
37 
O unvergleichlichs Gut, wie sollt ich dich nicht lieben?
38 
Wie sollte sich mein Herz nach dir nicht stets betrüben?
39 
Ach wäre doch mein Geist und Sinn
40 
In dich schon ganz, mein Jesu, hin.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
248
Entstehungsjahr
1624 - 1677
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Angelus Silesius, der im 17. Jahrhundert in Schlesien lebte. Er war ein bedeutender Vertreter des Barocks und der Mystik.

Auf den ersten Blick fällt die starke religiöse Fixierung des lyrischen Ichs auf. Jede der acht Strophen preist verschiedene Aspekte der göttlichen Präsenz und Grandiosität, während gleichzeitig die eigene Nichtigkeit hervorgehoben wird. Das lyrische Ich fühlt eine tiefe Ehrfurcht vor Gott und bezieht sich mit „mein Jesu“ direkt auf Christus.

Im Inhalt geht es generell um den Kontrast zwischen der unvergleichlichen Größe Gottes und der unwürdigen Kleinheit des Menschen. Das lyrische Ich betont immer wieder seine Unwürdigkeit im Kontrast zur Majestät Gottes, die zugleich voller Liebe und Fürsorge für den Menschen ist. Die Verbindung des lyrischen Ichs zu Gott ist stark emotional und wird durch Worte wie „lieben“, „betrüben“, „Freud“ und „Lust“ ausgedrückt.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus acht vierzeiligen Strophen. Die formale Ordnung und Gliederung stehen im Einklang mit der klaren und direkten Sprache, die auf Metaphern und komplexe Formulierungen weitgehend verzichtet. So wird eine eindeutige, unmissverständliche Aussage transportiert. Die Sprache ist archaisch und stark von der Bibelsprache beeinflusst, was zusätzlich die starke religiöse Thematik unterstreicht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Gedicht „Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander“ eine tiefe religiöse Verehrung zum Ausdruck bringt, die sich in einer einfachen, direkten Form zeigt. Zugleich macht es die Unangemessenheit menschlicher Größe gegenüber der göttlichen Majestät deutlich. Dabei ist die enge Beziehung, die das lyrische Ich zu Gott hat, ein zentrales Element des Gedichts. Das gesamte Gedicht wirkt wie eine Kontemplation oder gar ein Gebet, was auch die Wahl der einfachen, direkten und biblischen Sprache erklärt. Es spiegelt somit die religiöse und mystische Prägung des Autors wider.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander“ ist Angelus Silesius. Geboren wurde Silesius im Jahr 1624 in Breslau. Zwischen den Jahren 1640 und 1677 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Silesius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Das Wort Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung konnte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Der Dreißigjährige Krieg, der im Jahr 1618 begann und 30 Jahre später (also 1648) endete, hat die Epoche des Barocks stark geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten und vornehmlich unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Anzahl der Menschen Deutschlands ging um etwa 30 Prozent zurück. Die Literatur im Barock ist geprägt von der Antithetik. Das heißt, die Menschen nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Krieg, Krankheit und Armut geprägt. Bei den Adeligen herrschten dennoch Verschwendung und Luxus. Die am häufigsten verwendeten Formen in der Lyrik waren das Sonett, die Elegie, das Epigramm und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch in lateinischer Sprache. Im Barockzeitalter war der größte Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man schrieb bei Hofe als Fürstenhuldigung oder zur gehobenen Unterhaltung. Für wohlhabende Bevölkerungsschichten schrieben Lyriker zum Anlass von Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten. Die Lyrik der Literaturepoche des Barocks wird daher auch als Gesellschaftsdichtung bezeichnet.

Das vorliegende Gedicht umfasst 248 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere Werke des Dichters Angelus Silesius sind „Der Allerverliebteste, der Allerheiligste“, „Man achtet das Ewige nicht“ und „Der Mensch ist groß vor Gott“. Zum Autor des Gedichtes „Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1832 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Angelus Silesius

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Angelus Silesius und seinem Gedicht „Sie hält die Hoheit Gottes und ihre Nichtigkeit gegeneinander“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Angelus Silesius (Infos zum Autor)

Zum Autor Angelus Silesius sind auf abi-pur.de 1832 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.