Als er gegen seine Schöne sich etwas zu frey aufgeführet hatte von Johann Christian Günther

Hat jemahls Furcht und Scham, du angenehmes Kind,
Dem wenig an Verstand und Schönheit ähnlich sind,
Den angesezten Kiel mir in der Hand verrücket,
So ist es warlich wohl auf diesen Tag geschehn,
Da meine Grobheit es um deine Gunst versehn
Und meine Demuth sich vor deinem Eifer bücket.
 
Ich fühle deinen Zorn, der als ein scharfes Schwerd
In meine Seele dringt und durch das Herze fährt,
Ein jeder Blick von dir verweist mir das Verbrechen;
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Mich deucht, ich sehe schon, wie heftig, wie erhizt
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Der Augen Wetterstrahl auf meine Scheitel blizt,
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Mich deucht, ich höre dich schon zu dir selber sprechen:
 
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Ist dies der schöne Mensch, der sich so heilig stellt
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Und der kein Waßer trübt, bis er ins Waßer fällt?
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Das, warlich, hätt ich mir von ihm nicht träumen laßen,
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Das hätt ich auch in ihm mit Spießen nicht gesucht.
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O großer Aberwiz, o Junggesellenzucht!
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Ach, möchte doch ein Strick ihn bey der Gurgel faßen!
 
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Ach, keusche Marilis, dein Eifer ist gerecht,
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Die Strafe noch zu klein, und dein gefallner Knecht
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Nicht würdig, nur ein Wort vor dich mehr aufzusezen.
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Ruf alle Hencker auf, sprich mir das Leben ab,
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Stoß den zerfleischten Leib in ein beschimpftes Grab,
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Auch dieses müst ich noch vor eine Gnade schäzen.
 
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Allein was nüzt dir wohl die schlechte Hand voll Blut
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Des Sünders, der in Staub und Asche Buße thut?
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Zum Creuze kriech ich jezt wie gestern in das Bette.
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Erwege meine Reu, schau meine Thränen an
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Und glaube, daß kein Mensch so ernstlich weinen kan,
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Wenn er wie Petrus gleich auch Gott verleugnet hätte.
 
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Ich rede fast zuviel; jedoch der herbe Schmerz
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Beraubt mich der Vernunft, und mein beklemmtes Herz
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Hat in der Brust nicht Raum, weil es der Kummer schwängert.
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Erbarme dich, wo noch Erbarmung übrig ist;
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Du weist es ohnedem, der ist kein guter Christ,
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Der, wenn er helfen kan, des Nechsten Pein verlängert.
 
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Es stirbt kein Mensch so jung, den nicht ein Fall gedenckt;
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Kein Weiser ist so klug, den nicht ein Irrthum kränckt;
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Den Salomon beschämt die Weißheit seiner Bücher.
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Wie leichtlich wird doch nicht die Jugend übereilt;
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Wer weis, wer heute noch mit mir die Strafe theilt;
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Es lebt kein Sterblicher vor Tod und Fehlern sicher.
 
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Vergieb, vergiß und nimm vor das, was ich verübt,
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Dies Blat, so meine Faust dir zitternd übergiebt,
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Und schencke meiner Haut vor dieses Mahl die Strafe;
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Entreiß mir deinen Zorn, der mich wie Feuer schmerzt.
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Schweig, doch wo jemand fragt, ob Günther dich geherzt,
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So gieb zur Antwort: Ja, er that es nur im Schlafe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Als er gegen seine Schöne sich etwas zu frey aufgeführet hatte“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
424
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Johann Christian Günther ist der Autor des Gedichtes „Als er gegen seine Schöne sich etwas zu frey aufgeführet hatte“. Günther wurde im Jahr 1695 in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Menschen der damaligen Zeit, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Provinz und Hof geprägt, litten folglich unter den immensen Kriegseinwirkungen. Viele Menschen starben an den Folgen des Krieges und der Pest. Die Epoche des Barocks wurde davon stark geprägt. Krieg und Elend lösten in der niederen Bevölkerung ein starkes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Dagegen lebten die absolutistischen, alleinigen Herrscher in protzigen Luxus und ließen sich Prunkschlösser bauen. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich ebenfalls in der Literatur ausmachen. In der Dichtung wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die Dichter der Renaissance nutzten noch die lateinische Sprache, die Autoren des Barock begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Zu den berühmten Schriftstellern der Literatur des Barocks zählen: Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Caspar Ziegler, Paul Fleming, Angelus Silesius und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.

Das 424 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“, „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“ und „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“. Zum Autor des Gedichtes „Als er gegen seine Schöne sich etwas zu frey aufgeführet hatte“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.

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