An sein Lenchen von Johann Christian Günther
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Nach so viel Angst und Neid und mancher trüben Nacht |
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Ersah ich wiederum des Glückes Morgenröthe. |
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Auf, Musen, auf und sucht die lang entrißne Flöthe, |
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Die uns in Schweidniz einst den Abend kurz gemacht! |
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Ihr habt mit mir geweint, ihr sollt auch mit mir singen |
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Und Lenchens Gegenwart mit Treu und Lust umringen. |
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Ach Kind, ach liebstes Kind, ach, könt es möglich seyn, |
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Dies mein getreues Herz im Blute zu erblicken, |
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Sein Jauchzen müste dich noch halb so scharf entzücken; |
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So viel hier Tropfen gehn, so viel auch Wüntsche schreyn, |
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Dir mit geschickter Hand und tausend Freudenzähren |
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Die Wollust über dir nachdrücklich zu erklären. |
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Ich hatte mich nunmehr des Glückes längst verziehn, |
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Noch einmahl auf der Welt mein Lenchen zu umfangen, |
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Ich ward in fremder Luft von Freunden hintergangen |
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Und muste blos und arm bald hier- bald dorthin fliehn; |
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Die Trübsahl machte mich durch Läng und Größe mürbe, |
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So daß ich ofters sprach: Ach, gäbe Gott, ich stürbe! |
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Es wär auch bald geschehn: die Kräfte fielen hin, |
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Das Fieber grif mich an und warf mich auf das Bette; |
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Da wüntscht ich, daß ich nur dein Abschiedsmäulchen hätte; |
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Doch sprach ich: Da ich schon dazu versehen bin, |
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So las doch nur, mein Gott, nebst viel- und wahrem Seegen |
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Das Alter, so mir fehlt, zu Lenchens Jahren legen! |
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Gott hat mich noch so lieb und will dir, werthes Herz, |
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Das Leben durch mein Grab noch nicht so elend machen. |
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Verbanne deinen Gram, fang an, aufs neu zu lachen, |
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Verkläre Blick und Mund mit Freundligkeit und Scherz, |
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Damit mir, wenn ich dich in nechstem Tage spreche, |
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Dein Unmuth alle Lust nicht wider Willen schwäche. |
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Dies ist der vierte Herbst, seit dem ich dich entbehrt; |
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Was hab ich in der Zeit vor Ungemach erlidten! |
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Was hat man nicht auf mich vor Creuze zugeschnidten! |
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Welch Arbeit hat mir nicht der Glieder Marck verzehrt! |
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Was hat man mir vor Schimpf statt Wohlthat zugemeßen! |
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Gnug! Da ich Lenchen seh, sey alles gern vergeßen. |
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Ach aber, was vor Furcht verringert mir die Lust? |
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Ach, kräh ich auch zu früh? Ach, werd ich auch betrogen? |
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Wer weis, ist nicht dein Schwur mit Zeit und Wind verflogen? |
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Wer weis, steht Günther noch in jener Schwanenbrust? |
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Vielleicht war meine Noth und langes Außenbleiben |
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So mächtig, Lenchens Herz in andre Brunst zu treiben? |
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Dies glaub ich doch wohl nicht. Nein, falscher Argwohn, fleuch! |
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Sie ist mir zu genau mit Wort und Fleisch verbunden; |
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Ich habe sie geprüft und allzeit rein befunden, |
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Und darum hof ich auch ein irdisch Himmelreich, |
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Wenn endlich Gott und Zeit die Sehnsucht stillen wollen |
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Und unsre Glieder sich in Myrthen paaren sollen. |
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Man lacht uns beiderseits, geliebter Engel, aus, |
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Warum ich armes Kind dich armes Kind erwehle; |
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Man meint, wo Liebe nicht die güldnen Ringe zehle, |
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Da komme nach und nach der Mangel in das Haus. |
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Doch las dich, treues Herz, den blinden Wahn nicht irren; |
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Gott kan den Rechnungsschluß der Spötter leicht verwirren. |
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Ich hab es oft gesagt und sag es noch einmahl: |
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Ich wollte, bliebe mir kein beßer Glück auf Erden, |
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Bey Salz und Brodt mit dir in Hütten seelig werden |
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Und halt ein großes Gut im Lieben nur vor Qual. |
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Mein Fleiß wird endlich auch nach so viel naßen Tagen |
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Mit Ruhm und Anmuth blühn und reife Früchte tragen. |
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Gedencke nur zurück und sieh die Schwester an; |
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So wie ich prophezeit, so ist es auch ergangen. |
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Was hilft ihr aller Prast von Kleidern, Perl- und Spangen, |
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Wenn kein geruhig Herz davon genießen kan? |
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Ihr Kuß ist lauter Gift, ihr Ehbett eine Hölle, |
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Und wo ihr Mann nur weicht, füllt Schimpf und Groll die Stelle. |
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Nur bitt ich, trau nechst Gott sonst keiner Seel als mir! |
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Du bist mein Schaz und Ruhm, dich will ich auch beschüzen. |
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Las fahren, was nicht bleibt, las Tadler Pfeile schnizen; |
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Kein Blutsfreund ist so nah, er schadet mir und dir; |
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Gott räche mit Gedult und Ablas ihre Sünden, |
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Wir werden unsern Herd ohn ihren Vorschuß finden. |
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Ach, breite zum Voraus Hand, Lippen, Brust und Arm, |
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Ich komm und zitter schon vor Unruh und Verlangen, |
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Dich, längst erwehltes Herz, von neuem zu umfangen, |
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Und werde durch ein Bild schon in Gedancken warm. |
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Ach Himmel, mache bald, damit sie mich entzücke: |
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Vor zehlt ich Jahr und Tag, jezt Stund und Augenblicke. |
Details zum Gedicht „An sein Lenchen“
Johann Christian Günther
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78
709
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „An sein Lenchen“ ist Johann Christian Günther. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Der Barock umfasst etwa die Zeit von 1600 bis 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hat die Epoche des Barocks in hohem Maße geprägt. Der Krieg war eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaß. Die Bevölkerung litt unter den Kämpfen, Hungersnöten, aber vornehmlich unter der Pest, an der viele Menschen starben. Die Bevölkerung Deutschlands ging um etwa 30 Prozent zurück. Die Barockdichtung ist von drei Leitmotiven (Memento mori, Vanitas, Carpe diem) geprägt, die die Lebenseinstellung der Bevölkerung beschreiben. Vor dem geschichtlichen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges war der Alltag der Bevölkerung von Gewalt und Zerstörung geprägt. Alle genannten Motive setzen sich auf unterschiedliche Weise mit der verbreiteten Angst vor dem Tod und seinen Auswirkungen auseinander. Die am meisten benutzten Formen in der Lyrik waren das Sonett, die Elegie, das Epigramm und die Ode. Im Barock begannen die Dichter ihre Werke in deutscher Sprache zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch in lateinischer Sprache. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Adelige und Beamte. Berühmte Dichter des Barocks sind insbesondere Martin Opitz, Andreas Gryphius, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
Das vorliegende Gedicht umfasst 709 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 78 Versen. Die Gedichte „Seele, wirf den Kummer hin“, „Am Abend“ und „Abendlied“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Günther. Zum Autor des Gedichtes „An sein Lenchen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.
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