Das Hundegrab auf Oxia von Paul Heyse
Ein Mahnruf
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Ein kahles Eiland in der Meereswüste |
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Von Menschen unbewohnt, da nicht ein Quell |
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Hervorbricht aus dem starren Felsengrund, |
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Der Nahrung böte einem Grashalm nur, |
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Indes die Sonne südlich hohe Glut |
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Herniedersendet. So Jahrtausendlang |
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Stand allgemieden, trostlos, wie verfemt |
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Die Klippe da. |
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Doch heute, wer im Boot |
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Der Insel naht - auf einmal staunend sieht |
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Sein Aug' ein wimmelnd Leben dort am Strand, |
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Wo einst des Todes Schweigen nur geherrscht. |
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Und Grauen wird das Staunen, wenn er sieht: |
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Was dort sich regt, ist schauriger als Tod, |
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Der Wohltat wär' den Unglückseligen, |
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Verdammt zu langsamen Verschmachtens Qual, |
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Ein Schicksal, das dem schlimmsten Mörder nicht |
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Verhängt das härtste Strafgesetz. |
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Wer sind |
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Die Jammervollen? Was verbrachen sie? |
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Unschuld'ge sind's, hier grausam eingepfercht |
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Von Menschen, die unmenschlich sind, denn gut |
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Und edel sei der Mensch, indessen sie |
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Vergaßen aller Güte, da es hier |
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Nur Tiere gilt, und für die Folterung |
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Von armen Hunden keine Rechenschaft |
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Zu geben ist am Tage des Gerichts! |
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Wohl! Überhandnahm, nicht zu dulden mehr, |
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Die Hundeplage, die des Sultans Stadt |
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Gemacht zu räudiger Streuner Tummelplatz, |
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Wohl durften endlich ihres Herrenrechts |
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Die Menschen sich bedienen, notgedrängt. |
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Doch dann auch, wenn es Selbsterhaltung gilt, |
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Geziemt Erbarmen. Der Gerechte, heißt's |
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Im heil'gen Buch, erbarmt sich seines Viehs. |
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Und wenn auch der Prophet kein solch Gebot |
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Der Milde seinen Gläubigen eingeschärft, |
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Hat er sein Pferd und seine Katze doch |
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Zärtlich geliebt, und in der Notwehr wohl |
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Hätt' er den scharfen Stahl auch auf ein Tier |
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Gezückt, doch es dem Tode nie geweiht |
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Durch marterndes Verdursten, obdachlos |
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Dem Brand der Sonnenpfeile ausgesetzt, |
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Bis es die Wut befällt und brechend sich |
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Der Blick der schwachen Kreatur, die gern |
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Den Freund im Menschen sieht, verzweiflungsvoll |
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Zu seinem Henker hebt. |
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Wohl ist die Welt |
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Noch heut der Greuel voll, die Menschen auch |
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An Menschen üben. Doch ein letzter Trost |
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Bleibt den Verzweifelnden, wenn übergroß |
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Die Qual ward, mit freiwilligem Entschluß |
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Sie enden, was versagt ist dem Geschöpf, |
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Das ach, vernunftlos, doch nicht seelenlos |
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Sich knechtisch beugen muß dem blinden Recht |
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Des Stärkern. |
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Also in der Zeitung stand |
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Die Mär vom Hundegrab in Oxia. |
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Wohl niemand, will ich glauben, hätt' er auch |
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Für diesen treuen Spiel- und Leidgefährten |
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Des Menschen sonst kein Herz, konnt' ungerührt |
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Die Kunde lesen des Entsetzlichen, |
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Das hier nicht blöde Roheit einzelner, |
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Nein, kalte Staatsweisheit verordnet hat, |
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Zur Schmach dem ganzen Volk, das drein sich fügt. |
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Doch, die es schaudernd lasen, fühlten sie |
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Sich tiefer aufgeregt, als wenn sie sonst |
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Von einem Unglück hörten: Daß im Berg |
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Verschüttet wurden arme Häuer, daß |
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Ein Schiff mit aller Mannschaft untersank, |
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Die Pest vieltausend Menschen hingerafft, |
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Was einzig blinder Elemente Schuld? |
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Und keinem fiel es ein, daß täglich hier |
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Ein unerhörter Frevel wird verübt, |
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Den stumm mit anzusehn, das Herzblut ihm |
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Empören sollte? Wirken segensreich |
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In unsrer Stadt und in den Ländern rings |
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Vereine zu gequälter Tiere Schutz, |
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Und geht von keinem, keinem ein Protest |
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Bis hin zum goldnen Horn, da solchen Gräul |
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Zu dulden, dem Jahrhundert Schande macht? |
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Noch will ich hoffen. Doch was kommen soll, |
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Geschehe bald, bevor die Todesqual |
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Des letzten Opfers diese Christenwelt |
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Verklagt, die das Gebot der Liebe kennt, |
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Und doch so lässig übt die heil'ge Pflicht |
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Der Menschlichkeit! |
Details zum Gedicht „Das Hundegrab auf Oxia“
Paul Heyse
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1830 - 1914
Realismus
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Hundegrab auf Oxia“ des Autors Paul Heyse. Der Autor Paul Heyse wurde 1830 in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1846 und 1914. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Heyse ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 525 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 87 Versen. Die Gedichte „Verschließ dich nur, du seltsam Kind“, „Treueste Liebe“ und „Warum schweigst du?“ sind weitere Werke des Autors Paul Heyse. Zum Autor des Gedichtes „Das Hundegrab auf Oxia“ haben wir auf abi-pur.de weitere 18 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Paul Heyse sind auf abi-pur.de 18 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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