Der trübe Nebel ist zerflossen von Philipp Otto Runge

Der trübe Nebel ist zerflossen,
der Sonne Schein ist ausgegossen
über das grüne Land.
Die kleinen Blumen sind entsprossen,
die muntern Vögel, ihre Genossen,
grüßen mich so bekannt
und rufen mich jauchzend hin zum Wald.
O ja, ich komme bald!
Wer möchte wohl nicht in der Gesellschaft sein
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unter Blumen, im Walde, bei den kleinen Vögelein?
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Mich dünkt, ich bin schon hier gewesen,
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wo ich die kleinen Blumen seh;
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sie stehn doch hier wie auserlesen
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und mir wird innerlich nach ihnen weh.
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Ich kann nicht wieder von hier gehn,
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ists doch so lebendig und so lustig hier!
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Die Vöglein singen in dem Wald:
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Könnte das doch ein Mensch verstehn.
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und wär der bei mir!
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Wies so gewaltig widerhallt!
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Wenn ich steh
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und niederseh,
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alles ist so lebendig und so mannigfalt.
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Im Herzen brennt es mir so sehr,
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ich gäbe mein Herzblut, daß ich nicht so alleine wär,
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und verstände das fröhliche Leben um mich her!
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Alle Würmchen begrüßen sich
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und gehn fleißig umher;
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die Schmetterlinge erlustigen sich
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und freuen sich so sehr.
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Und ich alleine
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stehe, gehe, sehe
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und verstehe
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nichts von allen:
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wie die Stimmen schallen,
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wie die Blumen blühen,
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Schmetterlinge ziehen,
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wie die Würmlein spielen
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und in Blümen wühlen,
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in die Blumen sinken,
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die so lieblich winken
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nichts versteh ich um mich her,
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das betrübt mich sehr,
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und doch, wie ich hier stehe so ganz allein,
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möcht ich immerfort in dieser Gesellschaft sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Der trübe Nebel ist zerflossen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
45
Anzahl Wörter
235
Entstehungsjahr
1777 - 1810
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der trübe Nebel ist zerflossen“ wurde von Philipp Otto Runge verfasst, einem deutschen Maler, Zeichner und Dichter der Romantik, der von 1777 bis 1810 lebte. Somit stammt das vorliegende Gedicht aus der Epoche der Romantik, welche in etwa von 1795 bis 1848 in Deutschland angesiedelt ist.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht ein Bild einer lebendigen, farbenfrohen Landschaft. Man spürt die Freude und das Erstaunen des lyrischen Ichs über die Schönheit der Natur, aber auch eine Melancholie und Einsamkeit.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um die Wahrnehmung der Natur und der Beziehung des lyrischen Ichs zu dieser. Zu Beginn beschreibt das lyrische Ich, wie die Sonne auf die Natur scheint, die kleinen Blumen sprießen und die Vögel singen. Es fühlt sich dazu hingezogen, in die Natur hinauszugehen, fühlt sich jedoch auch allein und unverstanden in dieser lebendigen Welt. Trotz seiner Faszination für die Schönheit und Lebendigkeit der Natur, fühlt es sich isoliert und ausgeschlossen, weil es die „Sprache“ der Natur – das „fröhliche Leben um mich her“, wie es in Vers 26 genannt wird – nicht versteht.

Formal besteht das Gedicht aus 45 Versen ohne offensichtliche Einteilung in Strophen. Es weist keine einheitliche Metrik oder einen Reimschema auf, was den Eindruck eines freien Gedichts erzeugt. Die Sprache des Gedichts ist relativ einfach und konkret, jedoch mit emotional aufgeladenen Begriffen wie „innerlich nach ihnen weh“ (Vers 14), „Herzblut“ (Vers 25) und „betrübt mich sehr“ (Vers 43).

Im Hinblick auf die Interpretation kann man das Gedicht als eine Reflexion über die menschliche Beziehung zur Natur und den Wunsch nach Verbundenheit interpretieren. Es thematisiert die Zerrissenheit zwischen der Faszination für die Natur, aber auch die Einsamkeit und das Gefühl des Unverstandenseins. Auf einer tieferen Ebene kann es auch als Kommentar zur Situation des romantischen Künstlers gelesen werden, der sich in der Welt oft unverstanden und allein fühlt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der trübe Nebel ist zerflossen“ ist Philipp Otto Runge. Der Autor Philipp Otto Runge wurde 1777 in Wolgast geboren. Im Zeitraum zwischen 1793 und 1810 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 235 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 45 Versen. Der Dichter Philipp Otto Runge ist auch der Autor für das Gedicht „Es blüht eine schöne Blume“. Zum Autor des Gedichtes „Der trübe Nebel ist zerflossen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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