Der alte Schiffer von Adele Schopenhauer

Mitten in der Brandung auf den Felsentrümmern
Ruht der alte Schiffer, schauend in die Fluth;
Unter blauen Wogen, wo die Muscheln schimmern,
Bergen sich Korallen vor des Blickes Gluth.
 
Durch das Meergebrause ruft er den Erschreckten
Und den Bernsteinwäldern und den Perlen zu:
?Schlaft in euren Tiefen! Die euch sonst erweckten,
Meine Taucherblicke, gönnen euch die Ruh'.
 
?Glänzt mit eurem Schimmer, euren Purpurzweigen
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Ruhig durch die klare, raschbewegte Nacht;
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Bleibt in eurer Schöne der Majade eigen,
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Zu des Wellenbettes hochzeitlicher Pracht!"
 
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Hören's die Najaden unten in den Wogen,
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All die Nereiden steigen still herauf,
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Und ein Netz von Klängen, die sein Herz durchzogen,
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Schlagen unter Wellen sie dem Fischer auf.
 
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Doch der alte Schiffer schüttelt seine Locken,
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In des Auges Muschel schläft die Thräne fort.
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Er sieht Netz und Schlingen - die Gesänge stocken,
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Seinen Nachen treibt es aus dem Felsenport.
 
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Rasch in sicherm Sprunge steht er in der Barke,
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Faßt das Steuerruder mit erfahr'ner Hand:
23 
?Ruhig, Klang und Welle! Euch bezwingt der Starke
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Und ihr tragt den Nachen mir zum sichern Strand!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Der alte Schiffer“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
173
Entstehungsjahr
1797 - 1849
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der alte Schiffer“ wurde von Adele Schopenhauer verfasst, die von 1797 bis 1849 lebte. Damit lässt sich das Werk zeitlich in die Epoche der Romantik einordnen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr bildreich und metaphorisch. Die Erzählung eines alten Schiffs kapitäns erzeugt eine Stimmung von Wehmut, Melancholie, aber auch Stärke und Mut.

Inhaltlich fokussiert sich das Gedicht auf einen alten Seemann oder Fischer, der auf den Trümmern eines Felsens inmitten des Meeres sitzt und das Spiel von Licht und Schatten unter den Wellen beobachtet. Er spricht zu den versteckten Schätzen des Meeres, den Korallen, Bernsteinwäldern und Perlen, und gewährt ihnen Ruhe. Er lobt ihre Schönheit, die sich in den Tiefen verbirgt. Als Reaktion auf seine Worte erheben sich die Nereiden, mythologische Meeresnympfen, und versuchen, ihn mit ihren Gesängen zu verzaubern. Der Schiffer jedoch bleibt unbeeindruckt, weint eine Träne und entfernt sich im Boot vom Felsen.

Durch diese Aktion zeigt der alte Schiffer seine Weisheit und Erfahrung. Er ist sich der Gefahren des Meeres bewusst, lässt sich nicht von den falschen Versprechungen der Nereiden blenden und bleibt standhaft in seinem Entschluss, den sicheren Hafen anzusteuern.

Das Gedicht folgt in Form und Struktur klar dem Muster des Vierzeilers mit sechs Strophen. Der stilistische Ausdruck ist von romantischen Metaphern und Symbolen geprägt, wie etwa der mythologischen Figur der Nereiden und dem Bild des tiefen, mysteriösen Meeres als Ort verborgener Schätze. Die verwendete Sprache ist gehalten in gehobenem Deutsch mit archaischen Elementen, was typisch ist für die Epoche der deutschen Romantik. Adele Schopenhauer verwendet das lyrische „Ich“ zur Darstellung des alten Schiffers und stattet diese Figur mit einer starken authentischen Stimme aus. Dieses lyrische „Ich“ dient als personaler Erzähler, der nicht nur die äußeren Geschehnisse schildert, sondern auch tiefe Einblicke in seine Gedanken- und Gefühlswelt gewährt.

Insgesamt kann „Der alte Schiffer“ als ein Sinnbild für Weisheit und Erfahrung im Umgang mit den Versuchungen des Lebens gedeutet werden. Der alte Seemann repräsentiert das Ideal der Standhaftigkeit und Disziplin gegenüber den Verlockungen der Welt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der alte Schiffer“ der Autorin Adele Schopenhauer. Geboren wurde Schopenhauer im Jahr 1797 in Hamburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1813 und 1849. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 173 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke der Dichterin Adele Schopenhauer sind „Ich hatte eine Rose im Fluß schwimmen sehen“, „Adler sind meine Gedanken!“ und „Dein Wille geschehe! - Doch was ist dein Wille?“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Der alte Schiffer“ weitere 20 Gedichte vor.

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