Kafka, Franz - Auf der Galerie (Analyse und Interpretation)

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Franz Kafka, Analyse, Interpretation, Gallerist, 1. Teil, 2. Teil, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Auf der Galerie (Analyse und Interpretation)
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Referat

"Auf der Galerie" von Franz Kafka

Franz Kafka's "Auf der Galerie" präsentiert eine tiefgehende Erzählung, die die Dualität der menschlichen Natur und die Abgründe der Gesellschaft auf beeindruckende Weise darstellt. In diesem Text werden verschiedene Aspekte beleuchtet, die zur Analyse und zum besseren Verständnis der Geschichte beitragen.

  • Zirkus als zentrales Setting: Die Geschichte dreht sich um einen Zirkus mit einer herausragenden Kunstreiterin als Hauptattraktion.
  • Zwei parallele Zustände: Die Handlung ist in zwei Zustände unterteilt, die konträr zueinander stehen.
    • Zustand 1: Tyrannei des Chefs: In diesem Zustand unterwirft sich die Kunstreiterin einem tyrannischen Chef, der sie zu einer monatelangen Tortur auf ihrem Pferd zwingt. Die Zuschauer sind passive Beobachter und greifen nicht ein.
    • Zustand 2: Die Spiegelwelt: Hier wird der Chef nicht als Tyrann, sondern als liebevoller Zirkusdirektor dargestellt. Er setzt die Kunstreiterin in den Mittelpunkt seiner Gedanken und Gefühle. In dieser Version wird die Kunstreiterin nicht als maschinelles Wesen betrachtet, sondern als menschlich, mit Rechten und Bedürfnissen.
  • Rahmenhandlung im Galeriekontext: Die Geschichte wird durch die Rahmenhandlung eines Galeristen vermittelt, der beide Handlungsabläufe als stiller Betrachter in einer Galerie verfolgt.
  • Stilistische Trennung: Kafka nutzt nicht nur inhaltliche, sondern auch stilistische Unterschiede, um die beiden Zustände zu trennen. Der erste Zustand ist im Konjunktiv geschrieben, was eine unrealistische, düstere Atmosphäre erzeugt, während der zweite Zustand im Indikativ verfasst ist und eine realistischere, positive Atmosphäre schafft.
  • Botschaft der Geschichte: Die Erzählung von Kafka untersucht die Dualität der menschlichen Natur und die Abgründe der Gesellschaft. Sie regt dazu an, die Oberfläche zu durchbrechen, um die Wahrheit zu erkennen und das Unmenschliche in der Gesellschaft zu hinterfragen.

Der Dunkle Beginn: Negative Elemente

Der erste Abschnitt des Textes ist von einer Fülle von Negativwörtern geprägt, die einen düsteren und bedrückenden Charakter erzeugen. In diesem Abschnitt wird eine Kunstreiterin vorgestellt, die sich in einer qualvollen Tortur auf ihrem Pferd befindet. Ein tyrannischer Chef kontrolliert sie und zwingt sie zu dieser quälenden Vorstellung. Das Publikum, obwohl es ihr Leiden mit ansieht, greift nicht ein. Dieser Abschnitt verdeutlicht die Ohnmacht der Kunstreiterin und die Passivität der Gesellschaft, die das Unrecht stillschweigend hinnimmt.

  • Zustand 1: Konjunktiv und Negativität:
    • Der erste Abschnitt ist im Konjunktiv geschrieben, was eine unrealistische und düstere Atmosphäre erzeugt. Eine einzige Hypotaxe im ersten Abschnitt vermittelt den Eindruck von Negativität, Rasantheit und Radikalität.
  • Beschreibung der Kunstreiterin: Die Bezeichnung "irgendeine (...) Kunstreiterin" (Z.1) lässt die Rolle der Zirkustänzerin auf jede beliebige Person übertragbar erscheinen. Die Kunstreiterin befindet sich in einem "monatelangen" Trott, der eine "graue Zukunft" verheißt, was auf ihr geringes Selbstbewusstsein oder ihre starke Abhängigkeit von ihrem Chef hinweisen könnte. Kafka verwendet bewusst "Chef" anstelle von "Zirkusdirektor", was auf ein übertragbares Arbeitsverhältnis hindeutet.
  • Asymmetrie im Arbeitsverhältnis: Die Beschreibung des Chefs als "peitscheschwingend" und "erbarmungslos" verdeutlicht ein stark asymmetrisches Arbeitsverhältnis, bei dem er die volle Kontrolle über die Kunstreiterin und ihren Auftritt hat. Die Aufgabe des Chefs beschränkt sich allein auf das Antreiben des Pferdes und somit die Kontrolle des Auftritts. Er entscheidet über das Leben der Kunstreiterin, was auf ihre Unterordnung und Rechtlosigkeit hinweist.
  • Die Rolle des Publikums: Das Publikum wird als treibende Kraft dargestellt, die passiv den Auftritt verfolgt und durch "unermüdlichen" Beifall signalisiert, dass der Chef das Pferd weiter antreiben soll. Dies unterstreicht die Kontrolle des Chefs über das Leben der Kunstreiterin.
  • Gleichsetzung mit der Gesellschaft: Die Handlung spiegelt die Egoismen der Gesellschaft wider, in der Menschen oft nur an sich selbst denken und das Leiden anderer ignorieren, solange es sie selbst nicht betrifft. Ein glückliches Publikum dient als positive Propaganda für das Geschäft, was auf die Grausamkeit der Gesellschaft hinweist.
  • Zustand 2: Die Spiegelwelt und die Abkehr von Negativität: Im zweiten Abschnitt, der im Indikativ geschrieben ist, wird eine positivere und realistischere Atmosphäre geschaffen. Die Kunstreiterin wird nicht mehr als maschinelles Wesen betrachtet, sondern als menschlich mit Rechten und Bedürfnissen.
  • Die Beschreibung der Handlung im Kreislauf: Die Beschreibung der Handlung "auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend" wird als monoton und gefühllos dargestellt, da sie im Kreis getrieben wird. Die Rotation im Kreis symbolisiert die Langeweile und Monotonie der Handlung, die dennoch ohne Ermüdung und Mitleid fortgesetzt wird.
  • Die Rettung durch den Galeristen: Der Galerist erkennt und versteht als einziger die ungerechte Situation und greift ein, indem er die Kunst betrachtet. Die Erzählung zeigt die Unmöglichkeit, Leid zu beenden, aber betont die Bedeutung des Erkennens und Hinterfragens von Ungerechtigkeit.

Die Unmenschlichkeit der Handlung

Die Beschreibung der Handlung, in der die Kunstreiterin "auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend" im Kreis getrieben wird, veranschaulicht die Abhängigkeit und das Zurückstellen ihrer eigenen Bedürfnisse. Die Verwendung von erotischen Elementen in der Darbietung verleiht der Beschreibung einen maschinellen, gefühllosen und monotonen Charakter. Die ständige Rotation im Kreis symbolisiert die Langeweile und Monotonie der Handlung, die dennoch ohne Ermüdung und Mitleid fortgesetzt wird.

Die Kälte der Gesellschaft

Die Mehrheit der Zuschauer und der Chef wirkt monströs gegenüber der Minderheit, der Kunstreiterin. Die Handlung wird subjektiv aus der Sicht einer unabhängigen dritten Person beschrieben, ohne jegliche Gefühlsbeschreibung. Die Rettung vor dieser Unmenschlichkeit wird durch den Galeristen vollzogen, der als einziger die ungerechte Situation erkennt und versteht. Dies ist paradox, da die eigentliche Aufgabe eines Galeristen darin besteht, Bilder zu betrachten und sich eine subjektive Vorstellung von deren Intention und Handlung zu machen.

Die Hoffnung im Zweiten Teil

Der zweite Teil des Textes bildet einen starken Kontrast zum ersten. Hier wird die Handlung im Indikativ geschrieben und verkörpert das reale Geschehen. Die Kunstreiterin wird als "Dame" bezeichnet, die "hereinfliegt" und das Pferd hält. Es gibt viele Details, die einen lebendigeren Zirkus ausmachen, wie Vorhänge, Livrierte und reifenhaltende Reitknechte. Es herrscht eine symmetrische Beziehung zwischen Arbeitnehmerin und Chef. Der Chef kümmert sich liebevoll um die Kunstreiterin und sorgt sich um ihre Sicherheit.

  • Realistischer und liebevoller Ton:
    • Der zweite Teil ist im Indikativ geschrieben und verkörpert das reale Geschehen.
    • Eine einzige Hypotaxe strukturiert den Abschnitt.
  • Positive Atmosphäre und Liebe zum Detail:
    • Der zweite Teil zeichnet sich durch eine positive, liebevolle und idyllische Atmosphäre aus.
    • Die Kunstreiterin wird als "Dame" bezeichnet, die "hereinfliegt" und das Pferd hält.
    • Es werden Details wie Vorhänge, Livrierte und reifenhaltende Reitknechte beschrieben, die ein lebendigeres Bild des Zirkus vermitteln.
    • Viele Positivwörter wie "stolz", "hingebungsvoll" und "vorsorglich" unterstreichen die positive Stimmung.
    • Es entsteht eine symmetrische Beziehung zwischen Arbeitnehmerin und Chef.
  • Die Beziehung zwischen Kunstreiterin und Chef:
    • Im zweiten Teil wird die Beziehung zwischen der Kunstreiterin und dem Chef nicht mehr als Arbeitsverhältnis, sondern als Verhältnis zwischen jung und alt dargestellt.
    • Die Attraktion liegt nicht mehr in der rotierenden Handlung, sondern in der Kunstreiterin und der Gefühlswelt des Zirkusdirektors.
    • Der Auftritt ist nicht monoton und alltäglich, sondern immer wieder einzigartig.
    • Der Chef ist nun abhängig von seiner Kunstreiterin, da er sich um sie sorgt und Hindernisse aus dem Weg räumt.
    • Die Kunstreiterin wird durch Koseworte wie "Köpfchen" und "Kleine" verniedlicht und als unerfahren dargestellt, während der Direktor aufgrund seiner Autorität als erfahren gilt.
  • Abflachung der positiven Charaktereigenschaften:
    • Trotz der positiven Atmosphäre wird die Hauptattraktion des Zirkus, der Saldo mortale (gefährliche Fahrt), als negativer Aspekt dargestellt.
    • Der gelungene Todessprung markiert den Schluss des Auftritts und hat ein klares Anfangs- und Enddatum.
  • Die Erkenntnis des Galeristen:
    • Die Parenthese "da dies so ist" verdeutlicht, dass das Bild im zweiten Teil tatsächlich so passiert ist, im Gegensatz zum ersten Teil.
    • Der Galerist fungiert nicht als Held oder Retter, sondern versinkt in einen "schweren Traum" und weint.
    • Seine Erkenntnis besteht darin, dass das, was er im zweiten Teil betrachtet hat, die Scheinwelt ist, während die Handlung im Konjunktiv das wahre Leben repräsentiert.
    • Er hat gelernt, hinter die Fassade zu sehen und die schmerzhafte Realität zu erkennen, die nicht jedem bewusst ist.
  • Die Enthüllung der wahren Natur:
    • Der zweite Teil enthüllt die wahre Natur des Zirkusdirektors, der ohne Humanität und lediglich profitorientiert handelt.
    • Es wird eine Harmonie und Glückseligkeit vorgespielt, die von niemandem erkannt wird, außer dem kritisch betrachtenden Galeristen.
    • Die Menschen sind egoistisch und karriereorientiert, und das Leid anderer ist ihnen gleichgültig.

Die Erkenntnis des Galeristen

Der Galerist fungiert nicht als Held und Retter in dieser Geschichte. Stattdessen versinkt er in einen "schweren Traum" und weint. Er hat die Erkenntnis gewonnen, dass das, was er im zweiten Teil betrachtet hat, die Scheinwelt ist. Die Handlung, die im Konjunktiv geschrieben wurde, repräsentiert das wahre Leben. Der Galerist hat gelernt, hinter die Fassade zu sehen und zu erkennen, dass die Wirklichkeit schmerzhaft ist, was nicht jeder verstehen kann.

Insgesamt zeigt "Auf der Galerie" von Franz Kafka eindrucksvoll, wie Menschen in der Gesellschaft oft in Abhängigkeitsverhältnissen gefangen sind und wie die Passivität der Massen zu einer akzeptierten Unmenschlichkeit führen kann. Kafka reflektiert die Dualität der menschlichen Natur und regt dazu an, hinter die Oberfläche zu blicken, um die Wahrheit zu erkennen.

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