Zweig, Stefan - Schachnovelle (Rezension)

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Stefan Zweig, Inhaltsangabe, eigene Meinung, Referat, Hausaufgabe, Zweig, Stefan - Schachnovelle (Rezension)
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Referat

Rezension zur Schachnovelle von Stefan Zweig

Das königliche Brettspiel Schach wird heute seltsamerweise als Sport eingeordnet. Es gibt weltweit verfolgte Meisterturniere und Weltmeister mit skurrilen Charakteren. Wie sehr das Spiel faszinieren kann, zeigt auch der große Erfolg der Netflix-Serie Damengambit.

Auch Stefan Zweigs Schachnovelle, die 1942 kurz nach seinem Freitod mit einer Erstauflage von 300 Exemplaren erschienen ist, erfreut sich ungebrochenen Interesses, nicht nur mit einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren, sondern immer wieder mit neuen Verfilmungen und Theaterstücken. Auch Künstler fühlen sich von dem Stoff angesprochen. Elke Rehder, eine deutsche Malerin, Grafikerin und Buchkünstlerin, machte Farbholzschnitte und kreierte Grafikmappen zu dem Thema. Im September 2021 erscheint eine Neuverfilmung, die meiner Ansicht nach großen Erfolg haben wird, weil sich die Menschen in der heutigen Zeit der Corona-Krise gut in die Thematik der Schachnovelle einfühlen können.

Auf etwas mehr als 70 Seiten zeigt der schon zu Lebzeiten international bekannte Stefan Zweig zwei äußerst gegensätzliche Schachspieler und den ungewöhnlichen Verlauf eines Schachduells. Faszinierend ist, wie es Zweig mit seinem außergewöhnlichen psychologischen Einfühlungsvermögen gelingt, die unterschiedlichen Charaktere der handelnden Personen zu schildern. Auf einer Schiffsreise in den 1940 Jahren, kommt es zu einer unerwarteten Begegnung zwischen dem gefühlskalten und eingebildeten Weltschachmeister Czentovic und dem vom Schicksal geschlagenen Emigranten Dr.B aus Österreich. Im Rahmen einer Schiffsreise mit ihren eher oberflächlichen Passagieren wird der Leser unerwartet mit der infamen Methode und Menschen zerstörenden Wirkung von Isolationshaft konfrontiert. Die Schachrunden einiger nicht gerade perfekt spielenden Mitreisender dienen anfangs mehr der bloßen Unterhaltung und erhalten erst durch die Figur des Gefangenen Dr. B., der sich während seiner Haftzeit intensiv mit Schach beschäftigt hat, ihre tiefere Bedeutung. Es wird dargestellt, wie sehr das „Nichts“ einer Isolationshaft Druck auf die menschliche Seele ausübt und diese schließlich zermürbt. Die eine Zeit lang als Rettung erscheinende Ablenkung durch Schach als reines Kopfspiel macht ihn zwar zum Schachexperten aber führt schließlich zum Zusammenbruch.

Besonders beeindruckt mich, wie es Zweig gelungen ist, in seiner Schachnovelle die inhumanen Foltermethoden der menschenverachtenden Diktatur zu beschreiben. Mich berührt, dass Zweig durch die intensiven Schilderungen zeitlos mehr Menschen erreicht, als über ein reines politisches Statement. Zweig war auch nach seiner Emigration 1934 aus Wien unverändert produktiv, nicht nur, weil das von seiner Gastgeber-Nation geforderte „Brasilien-Buch“ entstand, sondern weil er seit 1938 bis zu seinem Tod an der Schachnovelle arbeitete.

Jetzt stellt sich die Frage, weshalb die Novelle auf den Leser so unbeschreiblich ergreifend wirkt.

Seitdem Zweig als Jude wegen der Übergriffe der Nazis schon 1934 seine Heimat verlassen hatte, litt er unter depressiven Stimmungen. Bei aller Anerkennung durch sein Gastgeberland Brasilien vermisste er sein deutschsprachiges Publikum und verzweifelte über die Zerstörung der europäischen Kultur durch den Faschismus. Daher lässt er Dr. B. die gleiche Einsamkeit und Machtlosigkeit nachempfinden, die ihn selbst so quälen und verarbeitet in der Schachnovelle seine eigenen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Die Novelle enthält also in versteckter Form Zweigs intimste Selbstdarstellung. Er fühlte sich als
Pazifist nicht in der Lage, aktiv am Widerstand gegen das Dritte Reich teilzunehmen und öffentlichlichkeitswirksame politische Aufrufe zu veröffentlichen. Die lange, intensive Beschäftigung mit dieser Novelle hängt sicherlich damit zusammen, dass er hier nach einem entsprechenden Ausdruck für sein Entsetzen und seine Emotionen als Schriftsteller suchte, weshalb das Werk auch spätere Generationen berührt und fesselt.

Warum hat Zweig nun sein Buch „SchachNOVELLE“ genannt? Warum nutzt er als Titel für seinen Text diese literarische Gattungsform, obwohl der Text nicht alle typischen Novellen-Merkmale aufweist?

Die typische Novelle hat eine strenge, geschlossene Form. Der Aufbau ist also sehr klar und es gibt wenige Hintergrundinformationen zu den einzelnen Begebenheiten, Charakteren und Schauplätzen. Es gibt wenig Spielraum für Rückblenden und Verweise auf zukünftige Ereignisse. Dabei betont der Text, ähnlich wie das Drama, das Geschehen und nicht den Zustand. Das bedeutet, dass sich stationäre Beschreibungen oder langsam entwickelnde Situationen nahezu ausschließen. Bei Zweig jedoch bleibt das Ende, ähnlich einer Kurzgeschichte, relativ offen und anders als in einer typischen Novelle, führt Zweig neben einem Kernthema und einer Rahmenhandlung zwei sehr interessante und überaus wichtige Binnenhandlungen ein, von denen vor allem eine ausführlich und emotional beschrieben wird. Des Weiteren zeichnen sich Novellen häufig dadurch aus, dass sich Zeit und Raum auf unlogische Weise ändern und wir oftmals starke Bilder und Symbole im Text finden, die die Bedeutung der Novelle vertiefen und eine metaphorische Ebene eröffnen.

Zweigs Ort und Zeitwechsel sind alles andere als unverständlich und daher für den Leser leicht zu verstehen. Auf bildhafte Ausdrücke legte Zweig keinen besonderen Wert, da sein sinnlich - farbiger Schreibstil ohnehin schon von einem pazifistischen - humanistischen Lebensgefühl getragen wird. Er selber war unsicher, wie er sein Werk einordnen soll. Zweig sagte damals sogar: „Ich habe eine Novelle geschrieben in meinem beliebt-unglücklichen Format, zu groß für eine Zeitung und ein Magazin, zu klein für einen Roman oder ein Buch“.

Trotzdem beinhaltet die Schachnovelle auch typische Kennzeichen der Novelle. Der Text arbeitet auf einen dramatischen Höhepunkt hin, mit sogar zwei unerwarteten Wendepunkten. Was ebenfalls für die Gattungsform einer Novelle spricht, ist, dass das zentrale Element eine „unerhörte Begebenheit“ (Goethe, 1827) ist.

Die erzählte Begebenheit ist skandalös, neuartig, außergewöhnlich und deshalb berichtenswert und in der Erfahrungswelt des Lesers „neu“. Dennoch ist die Handlung der Novelle immer glaubhaft in der wirklichen Welt, auch wenn die Begebenheiten unerhört erscheinen. Zuletzt gibt es in typischen Novellen, wie auch in Zweigs Werk eine ganz beschränkte Anzahl an Protagonisten, die dafür aber genau durchleuchtet werden.

Für mich ist die Schachnovelle von Stefan Zweig ein äußerst gelungenes Werk. Es regt zum Denken an, man lernt sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, vergrößert damit sein Verständnis für das Leben anderer und entwickelt sich in seiner Persönlichkeit weiter. Die Novelle zieht jeden in ihren Bann, der an den schrecklichen Auswirkungen totalitärer Regime interessiert ist und Freude an Büchern hat, die ernsthafte Themen behandeln. Zweig erzählt die Geschichte klar und verständlich. Sie ist in meinen Augen sprachlich und qualitativ höchstwertig. Sein Schreibstil ist einzigartig! Bei mir hinterlässt die Lektüre einen ergreifenden, nachhaltigen Eindruck und ich bin sehr dankbar dafür, meinen Horizont so erweitert zu haben.

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