Kafka, Franz - Heimkehr (Interpretation einer Parabel)

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Franz Kafka, Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Kafka, Franz - Heimkehr (Interpretation einer Parabel)
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Referat

Heimkehr - Franz Kafka (Interpretation der Parabel)

„Heimkehr“ von Franz Kafka

Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche? Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendessen wird gekocht. Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause? Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher. Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte. Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn. Und ich wage nicht an die Küchentür zu klopfen, nur von der Ferne horche ich, nur von der Ferne horche ich stehend, nicht so, dass ich als Horcher überrascht werden könnte. Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich oder glaube ihn vielleicht nur zu hören, herüber aus den Kindertagen. Was sonst in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren. Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. Wie wäre es, wenn jetzt jemand die Tür öffnete und mich etwas fragte. Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.

Die Parabel „Heimkehr“ von Franz Kafka wurde im Jahr 1936 veröffentlicht. Der Titel des Textes stammt von Max Brod, dem Freund und Herausgeber der Werke Franz Kafkas, der den Text erstmals 1936 in dem Buch „Beschreibung eines Kampfes“ (erweiterte Ausgaben davon 1946 und 1954) veröffentlichte. Entstanden ist der Text nach Franz Kafkas Rückkehr von einem mehrwöchigen Kuraufenthalt im südtirolischen Meran nach Prag. Zunächst wohnte er dort bei seiner Schwester Elli, danach jedoch wieder in der Wohnung seiner Eltern am Altstädter Ring. Franz Kafka gilt als bedeutender Vertreter des Expressionismus.

Der Text handelt von der Rückkehr eines Sohnes nach Hause und die von ihm wahrgenommenen Eindrücke und Emotionen. Dabei erfährt der Ich-Erzähler durch das Heimkommen eine Entfremdung und muss sich, schließlich in diesem Zusammenhang mit sich selbst, seiner Vergangenheit und seiner Identität auseinandersetzen.

So folgt auf die Heimkehr des Sohnes eines Bauern zunächst eine Beschreibung, wie sich der Hof des Vaters in seiner Zeit des Wegbleibens verändert hat und in welchen Aspekten er gleichgeblieben ist. Daraufhin werden die Gefühle des Ich-Erzählers deutlich und wie fremd und unheimlich der Hof auf diesen zu wirken scheint. Schließlich scheint der Protagonist mit sich selbst zu ringen und versuchen genügend Mut aufzubringen die Küchentüre zu seinem ehemaligen Zuhause zu öffnen. Dementsprechend bleibt er zunächst im Flur stehen und wägt die möglichen Folgen seines Beschlusses gegeneinander ab. Das Ende der Kurzgeschichte bleibt für den Leser offen und er erfährt nicht, ob die Hauptperson nun in das Haus eintritt oder sich von dem Hof seiner Familie und seinen damit verbundenen Ängste entfernt.

Die wichtigste und zentrale Person der Handlung stellt der Sohn des „alten Landwirts“ (Z. 10) dar, da er sogleich als Ich-Erzähler fungiert und seine Sichtweise beschreibt. Über ihn erfährt der Leser jedoch relativ wenig. So wird dem Leser der Grund des Wegbleibens des Sohnes, als auch die Dauer seines Aufenthalts außerhalb seines Elternhauses verschwiegen. Die einzigen Anhaltspunkte stellen die Wahrnehmungen des Protagonisten dar, welche dem Leser eine Idee über die Zeitspanne des Fernbleibens vom Hof des Vaters (vgl. Z. 2) geben. So kann vermutet werden, dass der Bauernsohn erst nach langer Zeit zurückkehrt, da ihm viele Dinge, die er bemerkt, unbekannt erscheinen beziehungsweise er sie „teils vergessen“ (Z. 8) „teils niemals [ge]kannt[…]“ (Z. 9) zu haben scheint. Weiterführend nimmt der Sohn alle Eindrücke sehr subjektiv und emotional dar (vgl. Z. 2). Dies wird besonders durch die Verwendung von wertenden Adjektiven, wie zum Beispiel „unbrauchbar[…]“ (Z. 2) oder aber „kalt“ (Z. 7) zum Ausdruck gebracht. Auch zweifelt er stark daran, ob er zu seiner Familie zurückkehren soll und fragt sich in diesem Zuge selbst, ob er sich hier „zu Hause“ (Z. 6) „fühl[t]“ (Z. 6). Des Weiteren wird dem Leser durch die Frage des Ich-Erzählers nach den Personen, die ihn „empfangen“ (Z. 5) werden bewusst, dass er möglicherweise zu Hause gar nicht willkommen ist und abgelehnt wird. Dies weist auf ein schlechtes Verhältnis zu seiner Familie hin.

Die zweite Person der Kurzgeschichte ist der „Vater[…]“ (Z. 7) des Sohnes. Über ihn erfahren wir nur Informationen aus der Sicht des Sohnes. Dabei scheint der Vater aus der subjektiven Betrachtung des Ich-Erzählers heraus eine sehr dominante und autoritäre Persönlichkeit zu besitzen. So ist immer nur die Rede von des „Vaters alte[n] Hof[es]“ (Z. 2) und nie werden andere Familienmitglieder erwähnt. Folglich lässt sich durch diese Formulierung erkennen, dass der Vater eine solche Dominanz hervorbringt, dass alle anderen möglichen Personen des Haushalts in den Hintergrund gerückt werden. In Folge der Fokussierung auf den Vater und das Außenvorlassen des Rests der Familie, welcher nur im Zuge der rhetorischen Fragen des Ich-Erzählers erwähnt wird (Z. 4f.), lässt sich auch vermuten, dass den Protagonisten eine besondere Beziehungsauffälligkeit mit seinem Vater verbindet.

Die Parabel ist aus der Sicht des Sohnes geschrieben, welcher daraufhin zum Ich-Erzähler wird. Dies bewirkt, dass der Leser mitten in das Geschehen eingebunden wird und sich leichter mit der Hauptperson und seiner Situation identifizieren kann. Auch die zunächst beschriebene Situation im ersten Abschnitt der Geschichte hilft dem Leser sich leichter in das beschriebene Geschehen einzufinden.

Im ersten Abschnitt (vgl. Z. 1ff) wird zunächst die Ausgangssituation in einem zeitdeckenden Erzählen beschrieben. Damit wird die für jeden offensichtliche Situation dargelegt und sichergestellt, dass der Leser nicht ins komplett kalte Wasser geworfen wird. Weiterführend wird durch den parataktischen Satzbau (vgl. Z. 1f.), die äußere Wahrnehmung des Sohnes knapp und präzise dargestellt.

Doch, da es sich hier um die subjektive Erzählung des Ich-Erzählers handelt, lässt sich auch in der Einleitung einen Ausdruck der Gefühle nicht vermeiden. So erfahren wir doch so einiges über die Hauptperson und ihre Lage durch die Applikation vieler Symbole und einer bildhaften Sprache. Zum einen erfahren wir, dass die Hauptperson nun einige Schicksalsschläge hinter sich hat (vgl. Z. 2) und demnach eine Art Wehmut nach ihrer Kindheit entwickelt hat. Diese ersehnte Kindheit wird als unschuldig und glücklich beschrieben und mit der Hilfe des „zerrissene[n] Tuch[es]“ (Z. 3), welches „einmal im Spiel um eine Stange gewunden“(Z. 4) wurde charakterisiert. Doch durch den „zerrissene[n]“ (Z. 3) Zustand des „Tuch[es]“ (Z. 3) wird auch klar, dass jene Kindheit nun vorbei ist und der Bauernsohn sich nun mit der Realität des Lebens, seinen Schicksalsschlägen (vgl. Z. 2) und seiner Ungewissheit und Unsicherheit über seine bevorstehende Heimkehr auseinandersetzen muss.

Die Unsicherheit des Erzählers erfährt der Leser hauptsächlich mittels rhetorischen Fragen des Sohnes (vgl. Z. 5), in welchen er die möglichen Szenarien über eine Heimkehr versucht darzustellen. Weiterhin wird durch die Verwendung des Konjunktives (vgl. Z. 8) die Ratlosigkeit der Hauptperson noch ein weiteres Mal verdeutlicht.

Besonders prägend für den ersten Abschnitt der Kurzgeschichte ist auch die aufgebaute Stimmung einer gewissen Melancholie. Diese tritt deutlich durch die Verwendung der klaren Beschreibung des Hofes hervor. So wird sehr genau beschrieben, dass sich das Tuch, welches für die Kindheit des Protagonisten steht, „im Wind“ (Z. 4) „hebt“ (Z.4) und auch der „Rauch“ (Z. 5), der „aus dem Schornstein“ (Z. 5) „kommt“ (Z. 5) zeigt eine genaue Darstellung der Situation auf.

Weiterführend erfährt der Leser mittels den beschriebenen Aspekten des „Hof[es]“ (Z. 2), dass der Ich-Erzähler eine tiefgehende Sehnsucht nach seinem ehemaligen Zuhause hegt. Schließlich würde der Sohn viel lieber im Inneren des Hauses sitzen, wo „der Kaffee zum Abendessen“ (Z. 6) „gekocht“ (Z. 6) wird.
Mit dieser Beobachtung beginnt der zweite Abschnitt der Kurzgeschichte. Dieser ist zeitdehnend geschrieben und behandelt den inneren Monolog des Ich-Erzählers. Dabei werden seine Emotionen (vgl. Z. 7), Gedanken (vgl. Z. 9f) und Sichtweisen (vgl. Z. 14f.) genau zum Ausdruck gebracht, was mit der Hilfe der angewendeten Zeitdehnung dazu führt, dass sich der Leser gut in das Geschehen integrieren und sich in die Hauptperson hineinversetzen kann.

Auch der hypotaktische Satzbau (vgl. Z. 9f) betont die langsam ablaufende Zeit ein weiteres Mal, wodurch es Kafka schafft, die einfache Denkweise des Erzählers wirkungsvoll darzustellen.

Der Protagonist sehnt sich nach seinem Zuhause (vgl. Z. 5f), zweifelt jedoch auch an dem Sinn seiner Rückkehr (vgl. Z. 9f) und damit auch an seinen Gefühlen und seiner eigenen Identität. Dementsprechend zweifelt er an seiner Fähigkeit seiner Familie etwas nutzen zu können (vgl. Z. 9) und an seiner Bedeutung für seine jeweiligen Familienmitglieder (vgl. Z.9).

Aus diesen Gedankengängen heraus, schafft er es nicht „an die Küchentüre zu klopfen“ (Z. 10) und bleibt in „der Ferne“ (Z. 10) stehen. Diese, für jeden ersichtliche Distanz, verstärkt das Gefühl der Fremdheit des Ich-Erzählers dramatisch. Die Hauptperson bleibt also in „der Ferne“ (Z. 10), so weit wie möglich entfernt, von seinem zu Hause stehen und „horch[t]“ (Z. 11). Er achtet angestrengt auf bestimmte Geräusche und scheint dadurch etwas verbergen zu wollen und Angst zu haben. Genauso Angst, wie er davor hat, dass er „als Horcher überrascht werden könnte“ (Z. 11) und dadurch bei etwas Falschem ertappt werden könnte. Diese gedankliche Rechtfertigung zeigt die innerlichen Schuldgefühle des Ich-Erzählers gegenüber seiner Familie.

Weiterführend wird durch den verwendeten Parallelismus (vgl. Z. 11), die eingebaute Anapher (vgl. Z. 10ff) und die sich durchziehende Parenthese (vgl. Z. 10ff) die Unsicherheit, das Unwohlsein und die Zweifel an seiner Daseins Berechtigung an jenem Ort seiner Kindheit betont. Im Zuge des daraufhin folgenden Pleonasmus (vgl. Z. 12) wird daraufhin durch das Symbol eines „Uhrenschlag[es]“ (Z. 13) noch einmal die „Kindertage[…]“ (Z. 13), welche für den Erzähler an diesem Ort zweifellos allgegenwärtig sind aufgegriffen. So ersehnt er sich auch hier seine glückliche Kindheit zurück, während ihn den „Uhrenschlag“ (Z. 13) jedoch auch sogleich wieder an die kalte und melancholische Realität, als auch aus seiner zeitlupenartigen Wahrnehmung zurückholt.

In dieser Realität muss er sich mit seiner Ausgeschlossenheit von dem Leben der in „der Küche“ (Z. 14) „Sitzenden“ (Z. 14) und seinem eigenen „Geheimnis“ (Z. 17) auseinandersetzen. Die Existenz jenes Geheimnisses erfährt der Leser, jedoch erst eindeutig am Ende der Geschichte. So scheint der Protagonist sich seine letzte Frage, ob er „dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will“ (Z. 16f) durch die Setzung eines Punktes am Ende des Satzes selbst zu beantworten und damit zuzugeben, seine eigenen Geheimnisse zu besitzen. Dabei kommt die Hauptperson auch zu dem traurigen Schluss, dass sie sich wohl „[ent]frem[et]“ (Z. 15) haben muss und nun wohl nicht mehr zu seiner ehemaligen Heimat passt.

Am Ende erfährt der Leser jedoch nicht wie die Geschichte denn nun wirklich ausgeht. Auch ist eine Interpretation des Weitergangs der Geschichte wohl eher schwer zu formulieren, da der Protagonist zwar auf der einen Seite seine Entfremdung (vgl. Z. 15) von seinem Zuhause feststellen muss, doch auch, dass er „selbst wie einer“ (Z. 16) der „in der Küche“ (Z. 14) „Sitzenden“ (Z. 14) seine eigenen Geheimnisse besitzt und diese vor der Welt „wahren will“ (Z. 17). Folglich erfährt die Hauptperson am Ende der Parabel sowohl eine Entfremdung als auch eine Abschottung seinerseits von der gesamten Außenwelt, wobei er seine Familie als einzige Stütze sieht, da diese gleich wie er selbst ihr „Geheimnis“ (Z. 14) vor der Außenwelt bewahrt.

Zusammenfassend betrachtet gelingt es Kafka eine Parabel zu schreiben, welche den Leser zum Denken bewegt. Ein Grund hierfür stellt seine rätselhafte Schreibweise und die Verwendung von vielen sprachlichen Mitteln dar, welche dem Leser einen guten Einblick in die Gefühlswelt der Hauptperson ermöglicht. Die Botschaft, welche Kafka durch das Schreiben der Kurzgeschichte vermitteln wollte ist sicherlich, dass die Familie den einzigen Anker im Leben eines jeden darstellt und ihn vor dem Ende als Außenseiter bewahrt. Auch warnt er davor diese mit seiner Heimat zu verlieren, da sie Teil der Identität jedes Einzelnen von uns sind und uns in jeglicher Hinsicht in der Vergangenheit geprägt haben.

Wie Autobiografien berichten, hatte Kafka selbst ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater. Dadurch, dass er das Ende der Parabel offen lässt, zeigt sich vermutlich, dass er selbst keine Antwort auf die Probleme des Sohnes zu geben vermag und auch für seine eigenen keine hatte.

Dieses Video wurde auf YouTube veröffentlicht.

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