Tenniel, John - Der Lotse geht von Bord (Karikaturanalyse)

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Dropping the Pilot, John Tenniel, Analyse, Interpretation, Karikatur, Referat, Hausaufgabe, Tenniel, John - Der Lotse geht von Bord (Karikaturanalyse)
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Referat

Der Lotse geht von Bord (Analyse der Karikatur von John Tenniel)

Die vorliegende Karikatur „Der Lotse geht von Bord“ wurde von dem Karikaturisten John Tenniel angefertigt und ist am 29. März 1890 in der britischen Satirezeitschrift „Punch“ erschienen. Ihr Originaltitel lautet „Dropping the Pilot“. Ferner gilt sie als eine der berühmtesten Karikaturen überhaupt.

Auf den ersten Blick zeigt die Karikatur zwei Personen und eine große Schiffswand. Im Vordergrund ist eine der beiden männlichen Personen zu erkennen, die eine Treppe hinunterläuft. Mit der einen Hand hält sie sich an einem Seil der Treppe fest und mit der anderen linken Hand berührt sie die Wand des Schiffes. Ihre Kleidung ähnelt der eines Matrosen bzw. Lotsen und wirkt professionell. Sein Gesichtsausdruck lässt sich einerseits als selbstbewusst und stolz beschreiben, andererseits aber auch als verbittert und düster, mit einem starren Blick nach vorn.

Die andere Person lehnt sich über die Reling des Schiffes und blickt auf den heruntergehenden Lotsen. Sein Gesichtsausdruck lässt sich dahingegen als arrogant, kühl und herabblickend beschreiben, was ebenfalls von seiner Körpersprache unterstrichen wird. Er hat seine Arme vor der Brust verschränkt. Die Person trägt eine Uniform und eine Krone.

In der linken, unteren Bildhälfte ist ein kleines Boot zu erkennen. Links oben ist der „Motor“ eines Dampfschiffes abgebildet. Des Weiteren befindet sich zentral in der Mitte der Schiffswand eine kleine Luke, die direkt neben der Hand des Matrosen liegt.

Bei den Personen handelt es sich um Reichskanzler Otto von Bismarck und um Kaiser Wilhelm II. Bismarck verkörpert den Lotsen, der von Bord geht, was an seinem korpulenten Körperbau und seinem Bart zu erkennen ist. Wilhelm II. ist an seinem Zwirbelbart auszumachen. Aus dem geschichtlichen Zusammenhang kann abgeleitet werden, dass das Heruntergehen bzw. der Treppengang Bismarcks vom Schiff seine Entlassung als Reichskanzler symbolisiert. Der englische Titel „Dropping the Pilot“ verstärkt diese Deutung, da das englische Wort „dropping“ in diesem Zusammenhang bedeutet, dass Bismarck von Kaiser Wilhelm II. von seinem Amt fallen gelassen wurde. „Dropping the pilot“ bedeutet übersetzt, dass der Lotse von Bord geht. Somit fehlt der deutschen Übersetzung die Aussagekraft, da eine deutliche Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Wörter „heruntergehen“ und „abgesetzt“ bzw. „fallen gelassen werden“ besteht.

Aus Wilhelms Körperhaltung kann gedeutet werden, dass er aufgrund seiner vor der Brust verschränkten Armen, kaum Respekt vor Bismarck zeigt und ihn „verspottet“. Wilhelm II. wollte die Politik selbst aktiv gestalten und stand in wichtigen Fragen im Widerspruch zu Bismarck, weshalb er dessen Entlassung in die Wege leitete.

Zudem ist auffallend, dass Bismarck bei seinem Treppengang die Wand des Schiffes berührt. Es lässt sich daraus deuten, dass er eine besondere Bindung mit seinem Amt als Reichkanzler hatte. Schließlich hat er dieses seit 1871 ausgeführt. Dadurch, dass die Schiffswand eine große Fläche umfasst, kann sie symbolisch für die Bedeutung des Kaiserreiches stehen. Das unten links liegende Boot scheint für Bismarck bereitzustehen, da dieser von seinem Amt entlassen wurde und nun abtritt.

Bismarck wird eine führungsstarke Rolle in der Karikatur zugeschrieben, da er der Lotse des Schiffes ist, was bedeutet, dass er tiefgehende Kenntnisse besaß, um das Schiff zu steuern und als Kanzler zu agieren.

Die Bedeutung seiner Absetzung wurde in England stärker anerkannt als in Deutschland. England befürchtete, dass die Stabilität der europäischen Friedensordnung bedroht ist. Bismarcks Außenpolitik würde nun durch die von Wilhelm II. ersetzt werden. Deutschland hingegen empfand dessen Absetzung als notwendig. Denn innenpolitisch standen viele Streitfragen bezüglich des Arbeiterschutzes und der Sozialdemokratie zur Debatte. Auch die unterschiedlichen Positionen hinsichtlich zur Sozialpolitik und zum Sozialgesetz führten innenpolitisch zum endgültigen Bruch. Deutschland hoffte durch den Sturz Bismarcks auf eine neue Politik des neuen Kaisers. Der nationale Gedanke blieb aber erhalten.

Der Karikaturist John Tenniel warnt davor, dass das Schiff ohne Lotsen bald in Schwierigkeiten geraten wird, da ein Schiff ohne Lotse dem Untergang naht und seinen Kurs nicht halten kann. Dies bedeutet, er möchte darauf aufmerksam machen, dass durch Bismarcks Entlassung die Stabilität der europäischen Friedensordnung in Gefahr ist.

Außerdem ist er der Auffassung, dass Kaiser Wilhelm II. Schuld an der Entlassung Bismarcks hatte. Zudem scheint es, als würde er Wilhelm II. kaum politische Stärke im Kontrast zu Bismarck zuordnen. Dies wird unterstrichen, durch die Größe der beiden Personen. Während Bismarck zentral und groß im Vordergrund steht, ist Wilhelm II. klein und eher im Hintergrund abgebildet. Ebenso wird seine fehlende Kenntnis dadurch unterstrichen, dass er eine Krone trägt, was zum Führen eines Schiffes untypisch ist.

Die Aussage bzw. die Warnung, die der Karikaturist mit seiner Karikatur ausdrücken möchte, wird meiner Meinung nach treffend und gelungen vermittelt, da die Kernaussagen, wie das Abtreten des Amtes Bismarcks, durch darstellerische und sprachliche Mittel hervorgehen.

Als positives Beispiel lässt sich der selbstgefällige Blick Wilhelms anführen. Daraus ist deutlich abzulesen, dass sich seit Wilhelms Kaiserkrönung eine politische Wende vollzogen hat. Die vermutete Instabilität der europäischen Friedensordnung wird durch das Abtreten Bismarcks verdeutlicht und bestätigt sich letztendlich, indem das Schiff von seinem Kurs abkommt, was im historischen Kontext bedeutet, dass die Führung Wilhelms Deutschland 1914 in den Ersten Weltkrieg führte. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass John Tenniel selbst Engländer war, weshalb er die Absetzung Bismarcks als Bedrohung wahrnahm, während Deutschland es als notwendig empfand.

Somit ist die Sichtweise des Karikaturisten und seine Warnung sowie Kritik nachvollziehbar. Die Bildgestaltung und Symbolisierung lassen sich ebenfalls positiv beschreiben, da die jeweiligen Bedeutungen klar zu erkennen sind. Beispielweise ist deutlich zu erkennen, dass der Lotse, der das Schiff verlässt, Bismarck sein muss, da man ihn an seinem Körperbau und seinem Bart ausmachen kann.

Der Titel passt ausgezeichnet zur Karikatur, da der Treppengang Bismarcks stark in den Vordergrund gerückt wird. Jedoch ist der englischsprachige Titel „Dropping the Pilot“ treffender, als der deutschsprachige „Der Lotse geht von Bord“, da Bismarck von seinem Amt entlassen wurde. Das Wort „dropping“ ist demnach aussagekräftiger, als die deutschsprachige Übersetzung „von Bord gehen“. Trotz allem geht der Treppengang und somit die Entlassung Bismarcks stark hervor, was sich positiv bemerken lässt. Angesichts dieser Aspekte finde ich die Karikatur gelungen und überzeugend.

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