Andersch, Alfred - Sansibar oder der letzte Grund (Inhaltsangabe Personen)

Schlagwörter:
Alfred Andersch, Interpretation, Inhaltsangabe, geschichtliche Hintergründe, Referat, Hausaufgabe, Andersch, Alfred - Sansibar oder der letzte Grund (Inhaltsangabe Personen)
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Referat

Inhaltsangabe: „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch

Gliederung / Inhalt

Einleitung

In dem Roman „Sansibar oder der letzte Grund“ von Alfred Andersch (1914-1980), geschrieben im Jahr 1957, geht es um fünf Personen, die die Rettung einer bedeutenden Figur, „Der lesende Klosterschüler“, jeweils aus ihrer beschreiben. Die Geschichte beginnt im kleinen Dorf Rerik an der Ostsee.

Die Geschichte spielt im Jahre 1937 in der kleinen Hafenstadt Rerik an der Ostseeküste. Zu dieser Zeit waren die Nationalsozialisten an der Macht.

Der Titel „Sansibar oder der letzte Grund“ steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Handlung des Buches. Daher kann ohne Weiteres die Frage aufkommen, woher dieser Titel herrührt. Für den Jungen symbolisiert der Ort Rerik Enge, Abhängigkeit und eingegrenzt sein. Beim Studieren einer Seekarte des Indischen Ozeans sticht ihm Sansibar ins Auge. Sansibar ist für ihn ein Gegenpol zu Rerik. Sansibar bedeutet für ihn Freiheit, Ferne und Abenteuer. Wenn er nicht aus Rerik ausbrechen könnte, wäre dies für ihn eine katastrophale Situation.

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Der Autor

Andersch wurde 1914 in München geboren. 1931 im Alter von 17 Jahren trat er dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) bei. Da Andersch ein Kommunist war und somit ein Gegner des nationalsozialistischen Regimes von Hitler, wurde er als dieses 1933 an die Macht kam verhaftet und in das KZ Dachau gebracht.

Als am Anfang der 40er-Jahre der 2. Weltkrieg im Gange war, wurde auch Andersch in die Deutsche Wehrmacht eingezogen. 1944 desertierte er jedoch an der deutschen Front und kam so für ein Jahr in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

1947 gab Andersch zusammen mit Hans Werner Richter die Zeitschrift „Der Ruf“ heraus. Diese wurde nach der 16. Auflage von der amerikanischen Militärregierung in Bayern verboten. 1955 begann Andersch mit der Niederschrift des Romans „Sansibar oder der letzte Grund“. 1957 wurde der Roman veröffentlicht. Die Hauptthemen sind Flucht und Freiheit (geistige Meinungsfreiheit etc.). Weitere Themen sind die Macht des Nationalsozialismus und die Verfolgung der Juden und Kommunisten, so wie die Stellung der Kirche in der Moderne, Kunst zur Zeit des Nationalsozialismus.

Weitere von ihm verfasste Werke sind: „Kirschen der Freiheit“, „Die Rote“, „Fahrerflucht“ etc. Für „Sansibar oder der letzte Grund“ erhielt Andersch 1958 den Deutschen Kritikerpreis. Andersch starb am 27.2.1980 an Nierenversagen in Berzona in der Schweiz.

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Inhaltsangabe

Im Jahre 1937 leben in dem kleinen Dorf Rerik der Pfarrer Helander, der Schiffer Knudsen und sein Schiffsjunge. Außerdem kommen noch zwei weitere Personen dort hin. Der Instrukteur Gregor kommt im Auftrag der Partei und die Jüdin Judith aus Hamburg kommt nach Rerik, weil ihre Mutter ihr geraten hat, von dort aus zu fliehen.

Es beginnt damit, dass der Junge Gründe aufzählt, warum er fliehen will. Doch ihm fällt der letzte Grund nicht ein. Zur gleichen Zeit kommt auch Judith Levin im „Wappen von Wismar“ an und erinnert sich an den Selbstmord ihrer Mutter.

Während der Junge und Knudsen das Schiff zur Ausfahrt fertig machen, kommt der Pfarrer Helander und fragt, ob Knudsen eine Figur, den „lesenden Klosterschüler“, nach Skillinge in Schweden bringen könne. Die Figur steht nämlich auf der Liste der nicht erlaubten Kunstwerke der Nazis. Diese würden bald kommen, um sie zu holen.

Ein schwedischer Dampfer läuft ein und Judith kommt aus der Kneipe, ohne dem Wirt den Pass zu zeigen.

Gregor hat das Treffen mit einem Fischer aus Rerik in der Georgenkirche im Dorf arrangiert. Während er wartet, betrachtet er den Klosterschüler und sieht sich selbst in ihm. Als Knudsen eintrifft und die Angebote ablehnt, fragt Gregor ihn, ob er ihn mit nach Schweden nehmen könne. Helander kommt in die Verhandlung und fragt erneut, ob er den „Klosterschüler“ nach Schweden bringen kann. Als Knudsen verneint, schlägt Gregor dem Pfarrer vor, die Figur um Mitternacht aufs Schiff zu bringen. Helander willigt ein und gibt ihm den Schlüssel.

Der Junge will mit 16 nach Hamburg auf ein großes Schiff, doch er hat keinen Pass und ohne einen Pass wird man nicht genommen.

Judith geht nach der Ankunft der Schweden in die Kneipe und Gregor folgt ihr. In der Kneipe wird Judith von einem Schweden mit aufs Schiff gebracht, doch sie bleibt nicht sehr lange.

Schließlich fällt dem Jungen beim Lesen der letzte Grund ein: Sansibar.

Knudsen und Gregor vereinbaren, dass sie sich auf der Lotsinsel treffen wollen.

Helander wird vom Arzt untersucht und er sagt, dass er noch heute in die Klinik muss. Er überlegt sehr lange, ob er in die Klinik gehen soll oder den „Klosterschüler“ retten soll. Schließlich entscheidet er sich für die Rettung der Figur.

Als Judith vom Schiff kommt, fordert Gregor sie auf, mit ihm zu kommen. Nachdem sie den „lesenden Klosterschüler“ von Helander abgeholt haben, machen sie sich auf den Weg zum Treffpunkt. Am Ufer wartet schon der Junge mit dem Ruderboot auf sie. Sie werden mit sehr viel Glück nicht von dem Zollboot entdeckt und erreichen schließlich die Lotsinsel und das Boot. Da Knudsen nicht damit einverstanden war, dass Judith mitkommt, schlägt Gregor ihn und er willigt ein. Gregor entscheidet sich dazu, nicht mitzufahren.

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Geschichtliche Hintergründe des Buches

Der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 waren die Kommunisten machtlos. Sie waren nicht darauf vorbereitet Widerstand zu leisten. Als im selben Jahr der Berliner Reichstag (Regierungsgebäude) brannte, wurde die Schuld den Kommunisten in die Schuhe geschoben. Es wurden Abgeordnete der KPD verhaftet. Als das Ermächtigungsgesetz verabschiedet wurde, welches den Nazis fast unbeschränkte Befugnisse erteilte, war die KPD schon nicht mehr vertreten.

Sofort nach der Machtergreifung nahm Hitler die Verwirklichung seines antisemitischen Programms in Angriff. Es begann mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst und dem Verbot des Besuchs von kulturellen Veranstaltungen. Die Pässe wurden mit einem „J“ gekennzeichnet. Hitler antisemitisches Programm endete schließlich mit der Deportation in die Konzentrationslager und der Ermordung von 6 Mio. Juden.

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Struktur und der Stil

Das Buch ist ganzheitlich mit kurzen Passagen versehen. Längere Kapitel sind nicht zu finden. So entstanden schlussendlich ganze 37 Kapitel. Auffällig ist dabei, dass die Kapitel mit der Überschrift „Junge“ immer kursiv gedruckt sind, dies ist so, weil seine Gedanken häufig von der eigentlichen Handlung abschweifen. Die Sätze sind sehr kurz und sachlich gehalten, sie beschränken sich auf das nötigste und sind dennoch aussagekräftig.

Die gesamte Geschichte spielt sich innerhalb von 27 Stunden ab (Tag 1, 14 Uhr bis Tag 2, 17 Uhr).

In den ersten 8 Kapiteln werden die 8 Personen vorgestellt. Dabei lässt Andersch die Darsteller häufig einander selbst vorstellen (Beispiele auf den Seiten: 54, 42/44, 48, 109). In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Personen zu Gruppen verknüpft, es werden Beziehungen und Konflikte zwischen den Charakteren beschrieben, bevor sich am Schluss die Wege wieder trennen.

Die Figur des Jungen zieht sich wie eine Leitmelodie durch den Text. Durch seine Figur wird man immer wieder zum Leitmotiv, der Freiheit und Unabhängigkeit, zurückgeführt.

Auffällig ist auch der andauernde Konflikt zwischen Gregor und Knudsen der ab Gregors eintreten in die Geschichte bis zum Schluss immer wieder erwähnt wird (Beispiel auf Seite: 136).

Man wartet während des Lesens ständig auf das Ende, man möchte wissen, ob und wer die Überreise wagen wird. Während des langen Hin und Her Rerik, gibt es aber immer wieder kleine Spannungs-Höhepunkte (Passkontrolle Judith, Helanders Hinrichtung, Kundsens Gefahr, wenn er so lange im Hafen bleibt etc.)

Das Buch ist in der Form der „berichtenden Erzählung“, in Form der „auktorialen Erzählsituation“ geschrieben. Andersch hat im Buch mit dem Jungen einen Erzähler gewählt, dessen Ansichten sich aber nicht mit den seinen überschneiden. Wichtige Werkzeuge dazu sind der innere Monolog und die erlebte Rede (Bsp. dachte er).

Den Figuren im Buch wurden typische Ausdrucksweisen auferlegt. Kundsen ist der grobe Fischer, der sehr barsch und abschüssig spricht. Gregor ist sehr trocken, klar und sachlich. Helander und Judith stellen die gebildeten dar, die sich mit einer gehobenen Sprache zu helfen wissen. Diese Aspekte lassen die Darsteller persönlicher und authentischer (echter) wirken (Beispiel S. 20 unten).

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Personen und die Skulptur des lesenden Klosterschülers

Der Junge ist ein 16-jähriger Einzelgänger, dessen Idol Huckleberry Finn ist. Er arbeitet auf dem Kutter des Fischers Knudsen. Aus den folgenden drei Gründen möchte er endlich von zu Hause weg:

  • in Rerik ist nichts los
  • Rerik hat seinen Vater getötet
  • Hinter der offenen See gibt es Sansibar

Sein Streben nach Freiheit richtet sich in erster Linie gegen die von den Erwachsenen geprägte spießbürgerliche Ordnung. Im Verlaufe der Handlung, die seine Abenteuergeschichte wird, durchlebt er aber einen Reifungsprozess vom pubertierenden Kind zum Jugendlichen, der die Notwendigkeit erkennt, Verantwortung zu übernehmen.

Zum einen erkennt er auch, dass in Rerik trotzdem etwas los ist, zum anderen beginnt er die Schwächen des Vaters zu erkennen und schließlich hat er einen Hauch von Sansibar entdeckt, indem er die offene See überwunden hat.

Aus diesen drei Gründen kann er den Gedanken an die Flucht in die schwedischen Wälder aufgeben und mit Knudsen nach Rerik zurückkehren.

Judith stammt aus großbürgerlich jüdischem Elternhaus in Hamburg. Sie ist gebildet, geschmackvoll gekleidet und auf Wunsch der Mutter, die kurz zuvor Selbstmord begangen hat, nach Rerik gekommen, um dort an Bord eines Schiffes zu gehen und Deutschland zu verlassen. Bislang musste sie noch nie allein Entscheidungen treffen. Für sie ist die Situation in Rerik sehr schwierig. Doch durch die zufällige Begegnung mit Gregor und durch die Flucht wird sie, wie der Junge erwachsen. Ihre kindlich-romantischen-Vorstellungen, in einer heilen, geborgenen Welt zu leben, zerbrechen.

Gregor ist ein junger KPD-Funktionär, der gewohnt ist, Parteiaufträge zuverlässig auszuführen. Er wird im Laufe des Romans zu der Person, die das Verbindungsnetz zu den anderen Personen knüpft und die Handlung vorantreibt. Ursprünglich ist er nach Rerik gekommen, um seinen letzten Parteiauftrag zu erledigen, doch als er in der Kirche den lesenden Klosterschüler entdeckt, ändert sich seine Einstellung zur Partei. Seine Unzufriedenheit mit sich selbst weicht einem „wunderbaren Gefühl“ einen „Genossen, den freien Leser“ gefunden zu haben. Durch die Begegnung mit Helander macht Gregor die Rettung der Plastik zur eigenen Sache. Im Laufe der Aktion „lesender Klosterschüler“ und „jüdisches Mädchen“ festigt sich seine Haltung, dass nur der selbstkritische handelnde Mensch, der auch das Wohl seiner Mitmenschen vertritt, frei wählen und handeln kann.

Knudsen lebt als Fischer mit seiner geistig behinderten Frau Bertha in Rerik. Weil er kein stummer Fisch sein möchte, der sich hilflos seinem Schicksal ergibt und weil er Angst hat „die Lust am Leben“ und die „Lust an der Liebe“ zu verlieren, willigt er schlussendlich auch ein, nach Schweden zu fahren. Am Schluss erkennt Knudsen, dass privates Handeln ohne die Partei trotzdem einen Sinn hat, sieht aber in sich nun wie in Gregor einen Deserteur.

Helander ist evangelischer Pfarrer an der Georgenkirche in Rerik. Im Ersten Weltkrieg wurde ihm nach einer Kriegsverletzung ein Bein amputiert. Helanders besonderer Sorge gilt dem „Lesenden Klosterschüler“, den „die Anderen“ als Beispiel „entarteter Kunst“ aus der Kirche entfernen wollen. Er möchte die Plastik, die er nicht so sehr als Kunstwerk, sondern als „Gebrauchtgegenstand“ und größtes „Heiligtum seiner Kirche“ betrachtet, retten. Da er in Rerik niemandem vertraut, muss er auf die Hilfe von Gregor und Knudsen hoffen.

Die zentrale Rolle im Roman spielt die Holzskulptur „der lesende Klosterschüler“. Sie wurde 1930 vom Künstler und Schriftsteller Ernst Barlach erschaffen.

Die Nazis zensierten während ihrer Diktatur diverse Kunst und Literatur. Ab 1936 war für Expressionisten keine freie künstlerische Betätigung mehr möglich. Viele Kunst- und literarische Werke wurden konfisziert und sogar vernichtet.

Es wurde vor allem folgende Kunst konfisziert:

  • Werke, die nicht der Ideologie der Nazis entsprach, deren Handlungen infrage stellte
  • Werke, die zum Nachdenken anregte.
  • Skulpturen, die nicht originalgetreu waren, sogenannte entartete Kunst
  • und natürlich jüdische Kunst und Literatur

Die Skulptur des lesenden Klosterschülers ist gerade deswegen gefährlich, weil sie eben zum Nachdenken anregt. Eine Passage aus dem Buch verdeutlicht dies. Sie soll aufzeigen, was den lesenden Klosterschüler für Pfarrer Helander so wichtig und für die Nazis so gefährlich macht. Sie schildert, wie fasziniert Gregor, beim Treffen mit Knudsen, in der Kirche zum ersten Mal die Figur studiert.

Er las aufmerksam. Er las genau. Er las sogar in höchster Konzentration. Aber er las kritisch. Er sah aus, als wisse er jeden Moment, was er da lese. Seine Arme hingen herab, aber sie schienen bereit, jeden Augenblick einen Finger auf den Text zu führen, der zeigen würde: das ist nicht wahr. Das glaube ich nicht. Er ist anders, dachte Gregor, er ist ganz anders. Er sieht aus wie einer der jederzeit das Buch zuklappen kann und aufstehen, um etwas ganz anders zu tun (...)

Gregor vergleicht darin die kritische Art des Klosterschülers mit seiner Haltung gegenüber dem kommunistischen Gedankengut. Er erkennt, wie unkritisch sie damals an der Lenin-Akademie die Texte in sich hineingelesen haben. Dies gibt ihm den endgültigen Ausschlag, die KPD zu verlassen. Er will wieder selbstständig denken und handeln. „Einer, der so las wie der da, war eine Gefahr“. Der lesende Klosterschüler verkörpert somit die individuelle, kritische geistige Freiheit, die einen Widerstand gegen jede Art der Gewaltherrschaft bietet.

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