Frank, Anne - ein kurzes Leben, das die Welt bewegte
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Referat
Anne Frank – Ein kurzes Leben, das die Welt bewegte
Ein junges Mädchen sitzt still an einem Schreibtisch in einem verborgenen Hinterhaus in Amsterdam. Draußen läuten gedämpft die Glocken der Westerkerk, während sie konzentriert in ein rot-weiß kariertes Tagebuch schreibt. Es ist Anne Frank, gerade einmal 13 Jahre alt, und sie hält in diesem Moment ihre Gedanken und Träume fest – ohne zu ahnen, dass diese Zeilen Jahrzehnte später Millionen von Menschen berühren würden. Anne Franks Leben war kurz und endete tragisch, doch durch ihr Tagebuch wurde sie weltberühmt und zu einem Symbol der Hoffnung. Ihre Biografie liest sich wie eine Geschichte voller Leben, in der kindliche Neugier, Angst und Mut, erste Liebe und tiefe Verzweiflung nah beieinander liegen.
Gliederung / Inhalt
- Kindheit in Frankfurt und Amsterdam
- Untertauchen im Hinterhaus
- Entdeckung und Deportation
- Das gerettete Tagebuch
- Veröffentlichung und weltweite Resonanz
- Das Tagebuch als literarisches Werk
- Debatten, Veränderungen und authentische Stimme
- Wirkungsgeschichte und Vermächtnis
Kindheit in Frankfurt und Amsterdam
Anne Frank wurde am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren. Ihre Eltern Otto und Edith Frank waren liberale, gebildete deutsche Juden, und Anne war das zweite Kind nach ihrer drei Jahre älteren Schwester Margot. Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte Anne behütet in Frankfurt. Sie war ein lebhaftes und aufgewecktes kleines Mädchen mit dunklen Haaren und wachen Augen. Die Familie Frank litt unter der immer aggressiver werdenden Judenfeindlichkeit im nationalsozialistischen Deutschland. Als Adolf Hitler 1933 an die Macht kam, entschieden sich die Franks schweren Herzens, Deutschland zu verlassen. Otto Frank fand eine Möglichkeit, in den Niederlanden ein neues Leben aufzubauen. Noch im selben Jahr zog die Familie nach Amsterdam, in der Hoffnung auf Sicherheit und Frieden.
In Amsterdam lebte sich Anne schnell ein. Sie lernte Niederländisch, fand neue Freunde in der Nachbarschaft und besuchte die Montessori-Schule. Das Mädchen war bekannt dafür, ein echter „Plappermaul“ zu sein – fröhlich, gesellig und oft am Schwatzen, sehr zum gelegentlichen Ärger ihrer Lehrer. Zu Hause erzählte sie ihren Eltern begeistert von Schulabenteuern oder las Bücher; sie liebte Geschichten und hatte eine blühende Fantasie. Annes Zimmerwände schmückten bald Bilder von Filmstars und berühmten Persönlichkeiten, die sie gesammelt hatte. So hingen etwa Fotos der britischen Prinzessinnen Elizabeth und Margaret und der Hollywood-Schauspielerin Norma Shearer an ihrer Wand – ein typisches Mädchenzimmer voller Träume von Glanz und Abenteuer, während draußen die politische Lage immer düsterer wurde.
Im Mai 1940 holte der Krieg die Franks ein: Die deutsche Wehrmacht besetzte die Niederlande. Für Anne änderte sich zunächst wenig an ihrem Alltag – sie spielte Tischtennis mit Freundinnen, kicherte über Kinostars und schrieb kurze Geschichten. Doch Schritt für Schritt verschärften die Besatzer die Maßnahmen gegen jüdische Einwohner. Anne durfte ab 1941 nicht mehr auf ihre geliebte Montessori-Schule, sondern musste das jüdische Lyzeum besuchen. Parks, Kinos und selbst Straßenbahnen waren für Juden nun verboten. Jeden Tag kam eine neue Schikane hinzu, und Anne spürte die Bedrohung, die sich wie ein Schatten über ihr unbeschwertes Mädchenleben legte. Die Familie plante insgeheim, sich notfalls zu verstecken. Verzweifelt hatte Otto Frank sogar versucht, Visa für die USA zu bekommen, um seine Familie in Sicherheit zu bringen – doch alle Fluchtwege blieben versperrt. So blieb als letzter Ausweg nur das Untertauchen.
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Untertauchen im Hinterhaus
Am 6. Juli 1942, an einem grauen Morgen, packte die Familie Frank eilig das Nötigste zusammen. Annes ältere Schwester Margot hatte einen Tag zuvor eine Vorladung für ein „Arbeitslager“ erhalten – ein vermutlich tödliches Schicksal. Das konnten die Eltern nicht zulassen. Also tauchten Otto, Edith, Margot und Anne Frank in ein vorbereitetes Versteck ab. Dieses befand sich in der Prinsengracht 263, im Hinterhaus von Ottos ehemaliger Firmenwerkstatt. Hinter einem drehbaren Bücherregal lag der Zugang zu ein paar kleinen, verborgenen Räumen – dem „Achterhuis“, wie man auf Niederländisch sagt, dem Hinterhaus.
Für Anne wirkte das plötzliche Untertauchen wie ein Abenteuer aus einem ihrer Bücher, doch die Realität im Versteck war beklemmend. Die Räume waren eng und karg möbliert. „Wie leer unser Zimmer anfangs aussah!“, notierte sie anfangs – doch gleich am ersten Tag klebte Anne ihre mitgebrachten Bilder und Postkarten an die Wände, um etwas Wärme und Farbe hineinzubringen. Bald blickten ihre geliebten Filmstars auch im Hinterhaus von den Tapeten und spendeten Trost. Neben den Franks zogen noch vier weitere untergetauchte Personen mit ein: Hermann und Auguste van Pels mit ihrem 16-jährigen Sohn Peter kamen nach einer Woche hinzu, und im November folgte der Zahnarzt Fritz Pfeffer. Plötzlich lebten acht Menschen auf engstem Raum miteinander. Unten im Vorderhaus arbeiteten tagsüber Angestellte in der Firma, die nichts vom Versteck ahnen durften. Also mussten Anne und die anderen von 8 Uhr morgens bis zum Feierabend am späten Nachmittag mucksmäuschenstill sein – kein Trampeln, kein lautes Reden, ja nicht einmal die Toilettenspülung durfte betätigt werden, um kein Geräusch zu machen. Jeder Fall eines umgekippten Stuhls oder lauten Schritts konnte das Ende bedeuten. Die Spannung war allgegenwärtig.
In dieser bedrückenden Situation begann Anne, ihrem Tagebuch all das anzuvertrauen, was sie niemandem sonst sagen konnte. Zum 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 – nur wenige Wochen vor dem Untertauchen – hatte sie dieses Tagebuch bekommen, ein albrot-kariertes Büchlein mit kleinem Schloss. Zunächst schrieb sie darin über typische Dinge eines Mädchens: über ihre Freundinnen, die Schulnoten, die Geschenke zum Geburtstag (ihre Mutter hatte ihr und den Gästen noch Kekse gebacken, es gab Erdbeertorte und Blumen) – und natürlich erwähnte sie auch den Beginn der Verfolgung. Doch im Versteck gewann das Tagebuch bald eine viel größere Bedeutung für sie. Weil sie niemandem außer ein paar Mitbewohnern begegnen konnte, wurde das Tagebuch ihr vertrautester Freund. Anne gab ihm den Namen „Kitty“ und begann jeden Eintrag wie einen Brief an eine imaginäre Freundin. „Liebe Kitty...“ schrieb sie und ließ dann ihre Gedanken frei fließen. Ob Angst vor dem nächsten Bombenangriff, Ärger über die Mitbewohner oder Freude über einen schönen Traum – alles vertraute sie Kitty an. Dieses Tagebuch wurde ihr seelischer Ausgleich im monotonen Versteckalltag.
Tatsächlich verlief kein Tag im Hinterhaus ohne kleine Dramen. Acht Menschen unterschiedlicher Art mussten miteinander auskommen: Da gab es Streit um Kleinigkeiten wie das Essen oder die Benutzung des einzigen Badezimmers, angespannte Stille, wenn unten Besucher im Lagerraum waren, oder bange Momente bei nächtlichen Geräuschen – war das ein Einbrecher oder schon die Gestapo? Anne, das einst so unbeschwerte Mädchen, erlebte nun Angst und Entbehrungen. Oft gab es nichts Frisches zu essen, manchmal knurrte der Magen. Im Winter war es bitterkalt, im Sommer stickig heiß unter dem Dach. Und doch versuchte man, eine Art Alltag zu gestalten. Die Helfer von draußen – Ottos treue Angestellte Miep Gies, Bep Voskuijl, sowie Johannes Kleiman und Victor Kugler – versorgten die Untergetauchten mit Lebensmitteln, Büchern und Neuigkeiten von der Außenwelt. Sie riskierten selbst ihr Leben, um ihren jüdischen Freunden beizustehen. Anne lernte in dieser Zeit viel über Menschlichkeit: Sie sah die selbstlose Hilfe der Retter, aber auch die Spannungen innerhalb der kleinen Gruppe im Versteck.
Anne selbst entwickelte sich im Hinterhaus vom verspielten Kind zur nachdenklichen jungen Frau. In den ersten Monaten unter Tage fühlte sie sich oft missverstanden – vor allem das Verhältnis zu ihrer Mutter Edith war schwierig. Die pubertierende Anne eckte mit ihrem starken Willen und ihrem Rededrang an. Sie stritt sich mit der Mutter, schmollte und schrieb im Tagebuch offen über diese Konflikte. Nur zu ihrem Vater Otto hatte sie ein inniges Verhältnis; er war ihr Vertrauter und „Lieblingsmensch“, und sie nannte ihn liebevoll Pim. Auch mit der ruhigen, braven Schwester Margot verglich Anne sich häufig: Sie fühlte sich im Schatten der „braven“ Margot und wollte doch ihren eigenen Weg finden. All diese Gefühle – Eifersucht, Trotz, Einsamkeit – vertraute sie Kitty an, schonungslos ehrlich. Und während draußen der Krieg tobte, tobte im Hinterhaus so manches Mal der ganz normale Familiensturm der Gefühle.
Doch es gab auch Lichtblicke. Anne las stapelweise Bücher über Geschichte, Mythologie und Literatur, die die Helfer ihr mitbrachten. Sie vertiefte sich ins Lernen, um nicht den Anschluss zu verlieren, und träumte davon, nach dem Krieg wieder die Schulbank zu drücken. Zum Geburtstag schmuggelten die Helfer sogar kleine Geschenke herein: So bekam Anne zu ihrem 14. Geburtstag ein Buch über die griechischen und römischen Sagen, zu ihrem 15. Geburtstag wieder Bücher und kleine Aufmerksamkeiten. Im Geheimen entdeckte sie auch die Freuden des Teenager-Daseins: Sie begann, sich für den gleichaltrigen Peter van Pels zu interessieren, der mit im Hinterhaus lebte. Anfangs neckten und ärgerten sich die beiden, doch mit der Zeit entwickelten sie zarte Gefühle füreinander. Heimlich trafen sie sich auf dem Dachboden unter dem Dachfenster, dem einzigen Ort, an dem ein Stück Himmel zu sehen war. Dort schauten Anne und Peter manchmal auf die Baumkrone einer Kastanie im Hinterhof und den wechselnden Himmel und träumten von Freiheit. Im Tagebuch schrieb Anne schüchtern von ihrem ersten Kuss mit Peter und wie verwirrend diese neue Liebe für sie war. Für ein paar Momente vergaßen die beiden Jugendlichen die Gefahr und fühlten sich wie normale Teenager.
Zugleich reifte in Anne der Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Durch das viele Schreiben merkte sie, welches Talent in ihr schlummerte. „Ich kann nicht anders, als schreiben“, notierte sie sinngemäß – Schreiben wurde ihr Lebenselixier. Im März 1944, als das Hinterhaus schon fast zwei Jahre lang ihr Gefängnis und zugleich Schutzraum war, hörte Anne im Radio eine besondere Nachricht: Gerrit Bolkestein, ein Minister der niederländischen Exilregierung, rief die Bevölkerung dazu auf, Tagebücher und Briefe als Zeugnisse des Krieges aufzubewahren. Anne lauschte gebannt. Plötzlich erkannte sie, dass ihr eigenes Tagebuch ein wichtiges Dokument sein könnte. Noch in der Enge des Verstecks begann sie, ihre bisherigen Einträge zu überarbeiten und in Romanform zu bringen. Sie schrieb Passagen neu, strich einige weniger wichtige Stellen und gab ihrem entstehenden Werk einen Titel: „Het Achterhuis“ – Das Hinterhaus. Voller Hoffnung stellte sie sich vor, dieses Buch nach dem Krieg veröffentlichen zu können. Neben dem Tagebuch schrieb sie auch kurze Erzählungen und sammelte schöne Sätze und Zitate anderer Autoren in einem Heft. All das tat sie, um sich als Schriftstellerin zu üben. So verwandelte sich das enge Versteck für Anne in eine kleine Schreibstube, in der sie gegen die Hoffnungslosigkeit anschrieb.
Im Frühsommer 1944 keimte neue Zuversicht auf: Die Alliierten waren in der Normandie gelandet, die Befreiung Europas schien greifbar. Anne und die anderen hörten heimlich BBC-Nachrichten, und Otto markierte auf einer Karte jedes Vorrücken der Front mit roten Stecknadeln. Am 6. Juni 1944 – D-Day – jubelte Anne insgeheim in ihrem Tagebuch: „Ist dies vielleicht der Anfang vom Ende des Krieges?“ Doch die ersehnte Rettung kam nicht rechtzeitig zu ihnen.
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Entdeckung und Deportation
Am Morgen des 4. August 1944 zerschlug sich Annes Hoffnung brutal. Plötzlich dröhnte schwere Stiefel auf der Treppe zum Hinterhaus. Die Tür wurde aufgebrochen, und bewaffnete Männer der deutschen Gestapo stürmten ins Versteck. Jemand musste sie verraten haben – bis heute ist unklar, wer der anonyme Tippgeber war, oder ob es ein zufälliger Fund bei Ermittlungen wegen Lebensmittelschmuggel war. Für die acht Untergetauchten gab es kein Entkommen mehr. Sie wurden verhaftet und abgeführt. In der Eile blieben Annes geliebtes Tagebuch und ihre losen Blätter achtlos auf dem Boden zurück.
Die Helferin Miep Gies betrat noch am selben Tag das verlassene Hinterhaus und entdeckte die verstreuten Aufzeichnungen. Sie ahnte, wie viel sie Anne bedeuteten, und sammelte die Tagebücher sorgsam ein. Miep versteckte die Hefte in einer Schublade, in der Hoffnung, sie Anne eines Tages zurückgeben zu können. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, welches Schicksal die Familie Frank und die anderen erwarteten würden.
Anne und die anderen Verhafteten wurden zunächst in das Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden gebracht. Von dort aus erfolgte am 3. September 1944 die Deportation in einem überfüllten Viehwaggon quer durch das besetzte Europa. Nach drei Tagen qualvoller Fahrt kam der Zug im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau an. Hier trennten die SS-Männer sofort die Männer von den Frauen. Anne musste sich von ihrem geliebten Vater Otto trennen; er wurde ins Männerlager geschickt. Es war das letzte Mal, dass Anne ihren Vater sah. Zusammen mit ihrer Mutter Edith und Schwester Margot gelangte Anne ins Frauenlager. Das zierliche Mädchen wurde zur Schwerstarbeit gezwungen, Hunger und Krankheit lauerten überall. Trotzdem blieb Anne einige Monate lang am Leben – vielleicht, weil sie mit Margot und Edith zusammen blieb und sie sich gegenseitig stützen konnten.
Im November 1944 dann ein weiterer Abtransport: Anne und Margot wurden von Auschwitz weggebracht ins Konzentrationslager Bergen-Belsen in Norddeutschland. Die beiden Schwestern, nur noch Schatten ihrer selbst, kamen in ein überfülltes Lager, in dem der Winter und die Typhusepidemie wüteten. Ihre Mutter Edith musste in Auschwitz zurückbleiben und starb dort bald an Entkräftung. In Bergen-Belsen teilten Anne und Margot das Schicksal so vieler: Vom Typhusfieber entkräftet, ohne ausreichende Nahrung und Pflege, starb zuerst Margot und kurz darauf, im Februar oder Anfang März 1945, auch Anne Frank. Sie war erst 15 Jahre alt. Nur wenige Wochen später, am 15. April 1945, befreite die britische Armee das Lager – doch für Anne und ihre Schwester kam die Rettung zu spät. Das fröhliche, schreibbegabte Mädchen von der Prinsengracht war eins von über einer Million Kindern, die dem Holocaust zum Opfer fielen.
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Das gerettete Tagebuch
Otto Frank, der Vater, überlebte als einziger der acht Versteckten die verschiedenen Lager. Er wurde in Auschwitz befreit und kehrte 1945 nach Kriegsende nach Amsterdam zurück. Voller banger Hoffnung suchte er nach Nachrichten über seine Frau und Töchter. Nach und nach erfuhr er das grausame Ausmaß des Verlustes: Edith war tot, Margot und Anne ebenfalls. Im Juli 1945 traf Otto zufällig zwei überlebende Schwestern, die mit Anne und Margot in Bergen-Belsen gewesen waren, und erfuhr von ihnen die letzten Lebensmomente seiner Kinder. Es war ein unfassbarer Schmerz für den Vater.
In diesem Moment erinnerte sich Miep Gies an das, was sie aufbewahrt hatte. Sie übergab Otto Frank Annes Tagebuch und die losen Blätter, die sie aus dem Hinterhaus gerettet hatte. Otto nahm die kleinen karierte Bücher mit zitternden Händen entgegen. In den folgenden Wochen begann er langsam, Seite um Seite zu lesen – mehr als ein paar Seiten am Tag konnte er anfangs nicht ertragen. Was er dort entdeckte, rührte ihn zutiefst. „Für mich war es eine Offenbarung“, schrieb Otto später. Er erkannte beim Lesen eine Seite seiner Tochter, die ihm im Versteck verborgen geblieben war. Anne hatte in ihrem Tagebuch Gedanken und Gefühle offenbart, von denen Otto nichts geahnt hatte: ihre Ängste, ihr Groll gegen die Mutter, ihre ersten Liebesempfindungen und ihr erstaunlicher Mut und Optimismus trotz allem. In einer Eintragung hatte Anne sogar formuliert: „Ich will nicht umsonst gelebt haben… Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“ Dieser Satz schnitt dem trauernden Vater ins Herz. Er beschloss, Annes Wunsch zu erfüllen und ihr Schriftstellerinnen-Talent der Welt zugänglich zu machen.
Otto Frank sichtete die verschiedenen Hefte und losen Blätter. Anne hatte ja begonnen, ihr Tagebuch selbst zu überarbeiten. Also existierten teilweise zwei Versionen: die ursprünglichen Tagebuchhefte („Version A“) und Annes überarbeitete Fassung bis zum Frühjahr 1944 („Version B“). Otto tippte alles sorgfältig ab und erstellte daraus ein zusammenhängendes Manuskript. Dabei übernahm er meist Annes eigene Überarbeitungen und Ergänzungen, ließ aber einige sehr private Stellen aus – etwa einige Passagen, in denen Anne unverblümt über ihre körperliche Entwicklung und Gefühle schrieb, oder besonders harte Worte über ihre Mutter. Diese Kürzungen machte Otto aus Rücksicht und dem Gefühl, bestimmte intime Dinge seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Außerdem entschied er sich, zum Schutz der Beteiligten, bei der Veröffentlichung Pseudonyme zu verwenden: So wurden aus der Familie van Pels „van Daan“ und aus Fritz Pfeffer „Albert Dussel“ in der ersten Fassung, während die Franks ihren echten Namen behielten.
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Veröffentlichung und weltweite Resonanz
Zunächst war es schwierig, einen Verlag für das Tagebuch zu finden. Direkt nach dem Krieg interessierten sich nur wenige für die Aufzeichnungen eines jüdischen Mädchens. Doch dann verhalf ein Zeitungsartikel dem Werk zu Aufmerksamkeit: Der niederländische Historiker Jan Romein erhielt das Manuskript und veröffentlichte im April 1946 eine eindrucksvolle Rezension mit dem Titel „Kinderstimme“ im Het Parool. Darin schrieb er sinngemäß, Annes kindliche Stimme verkörpere all das Leid des Faschismus besser als jede Statistik. Dieser Artikel rüttelte die Leute auf. Schließlich erklärte sich ein Verlag bereit, das Tagebuch zu drucken. Am 25. Juni 1947 erschien in Amsterdam die Erstausgabe in niederländischer Sprache unter dem Titel Het Achterhuis. Dagboekbrieven van 14 Juni 1942 tot 1 Augustus 1944 (Das Hinterhaus. Tagebuchbriefe vom 14. Juni 1942 bis 1. August 1944). Das Buch fand anfangs eine kleine, aber bewegte Leserschaft. In den folgenden Jahren wurde es nochmals aufgelegt, und Übersetzungen folgten: 1950 erschienen Ausgaben in Deutsch und Französisch, 1952 schließlich in Englisch unter dem Titel The Diary of a Young Girl (dt. Das Tagebuch der Anne Frank). Besonders die englischsprachige Ausgabe – in den USA eingeleitet von einem Vorwort der ehemaligen First Lady Eleanor Roosevelt – erhielt viel Beachtung und Lob. Während das Buch in Großbritannien zunächst wenig Erfolg hatte, wurde es in Amerika ein Bestseller und auch in Deutschland und Frankreich von vielen gelesen. In Japan avancierte das Tagebuch ebenfalls überraschend schnell zu einem Bestseller, da man sich dort in der jungen Anne ein Symbol für das Leiden der Zivilbevölkerung im Krieg sah.
Der wahre Siegeszug begann, als das Tagebuch die Theaterbühne und die Kinoleinwand eroberte. 1955 feierte in New York ein Broadway-Stück „The Diary of Anne Frank“ Premiere, adaptiert von Frances Goodrich und Albert Hackett. Das Theaterstück gewann den Pulitzer-Preis und machte Anne Franks Geschichte einem noch breiteren Publikum bekannt. 1959 folgte eine Hollywood-Verfilmung mit dem Titel Das Tagebuch der Anne Frank, die mit Oscars ausgezeichnet wurde. Diese Dramatisierungen stellten Anne als universelle Heldin dar – allerdings kritisieren spätere Historiker, dass Theater und Film die Darstellung etwas verharmlosten und zu sehr romantisierten. Trotzdem trugen sie dazu bei, dass aus dem Tagebuch ein weltbekanntes Mahnmal wurde. In Schulen rund um den Globus wurde Anne Franks Tagebuch in den Lehrplan aufgenommen und brachte Millionen Jugendlichen die Schrecken des Holocaust durch die Augen einer Gleichaltrigen nahe.
In den Jahrzehnten danach erschien das Tagebuch in immer neuen Auflagen und mehr als 70 Sprachen. Das schmale Buch, das in einem Hinterhaus in Amsterdam entstand, wurde zu einem der meistgelesenen Bücher der Welt. Anne Frank, das fröhliche Mädchen mit dem schmalen Lächeln, wurde postum zur Stimme der Opfer des Holocaust.
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Das Tagebuch als literarisches Werk
Was macht Annes Tagebuch so besonders? Zunächst einmal die Form: Es ist ein persönliches Tagebuch, doch Anne schreibt viele Einträge in Briefform an ihre imaginäre Freundin „Kitty“. Dadurch wirken die Texte wie vertrauliche Gespräche – der Leser schlüpft quasi in die Rolle des engen Vertrauten, der all ihre Geheimnisse erfährt. Das Werk umfasst den Zeitraum vom 12. Juni 1942 bis zum 1. August 1944 und ist im Grunde chronologisch aufgebaut wie ein Bericht über zwei Jahre im Versteck. Doch durch Annes eigene Bearbeitung entstand stellenweise schon ein Zusammenschnitt: Sie wollte eine zusammenhängende Geschichte formen. Dieser ehrgeizige Plan einer 15-Jährigen – ihr eigenes Leben als Roman aufzuschreiben – verleiht dem Tagebuch im Nachhinein eine literarische Dimension. So liest es sich spannender und dramaturgisch runder, als man es bei zufälligen Tagebucheinträgen erwarten würde. Tatsächlich bemerkte ein Kritiker später, Anne habe die Spannung eines gut konstruierten Romans in ihren Aufzeichnungen aufrechterhalten – mitten in der Wirklichkeit des Verstecks.
Besonders beeindruckend ist die sprachliche Qualität. Anne war beim Schreiben zwischen 13 und 15 Jahre alt, doch ihr Ausdrucksvermögen übertraf das vieler Gleichaltriger bei Weitem. Sie verfügte über einen erstaunlich großen Wortschatz und scheute sich nicht, auch komplexe Gedanken auszuformulieren. Ihre Sätze sind oft hypotaktisch, das heißt verschachtelt mit Nebensätzen, wenn sie etwa ihre tiefen Gefühle und Überlegungen beschreibt. Diese komplexen Sätze geben ihrem Stil eine gewisse Reife und erlauben es, Nuancen auszudrücken. Gleichzeitig findet man auch parataktische Passagen – kurze, einfache Sätze – besonders wenn sie lebendige Szenen schildert oder Eindrücke aneinanderreiht. Dieser Wechsel zwischen langen und kurzen Sätzen macht die Lektüre abwechslungsreich und erzeugt einen natürlichen Erzählfluss. Ihre Sprache ist direkt und ungefiltert emotional – man spürt beim Lesen ihr Lachen, ihre Wut, ihre Angst und ihre Hoffnung. Gerade diese Unmittelbarkeit rührt die Leser so sehr: Nichts wirkt gekünstelt, alles kommt authentisch aus dem Herzen einer Jugendlichen.
Inhaltlich vollzieht sich im Tagebuch eine deutliche Entwicklung der erzählenden Figur – nämlich Anne selbst. Am Anfang schreibt sie wie ein fröhliches, etwas kindlich-naives Mädchen über Schulgeschichten und Klatsch aus der Nachbarschaft. Doch mit jeder Seite sieht, wie Anne unter den außergewöhnlichen Umständen reift. Ihre Themen werden tiefgründiger: Sie grübelt über den Sinn des Lebens, über den Charakter der Menschen („Im Grunde sind die Menschen gut, aber…“ – diesen berühmten Gedanken formuliert sie im Juli 1944) und über ihre eigene Identität als junge jüdische Frau. Man kann fast zusehen, wie aus dem verspielten Kind allmählich eine reflektierte junge Erwachsene wird – ein Coming-of-Age in Echtzeit, festgehalten in einem Tagebuch. Literarisch gesehen macht dies das Werk zu weit mehr als einem historischen Dokument: Es ist auch die universelle Geschichte eines Mädchens, das erwachsen wird.
Anne gelingt es, im Mikrokosmos des Hinterhauses große Themen anzusprechen. Sie philosophiert über Gut und Böse im Menschen, über Krieg und Frieden, über Gott und die Welt. Mit erstaunlicher Klarsicht kommentiert sie etwa das Verhalten der Erwachsenen um sie herum – mal kritisch, mal mit Humor. Sie stellt fest, wie unlogisch Vorurteile sind, und sie träumt von einer besseren Zukunft. Dabei verliert sie nie völlig den Mut. Kurz vor der Verhaftung schreibt sie: „Trotz allem glaube ich an das Gute im Menschen.“ Solche Sätze – von einer 15-Jährigen in tiefster Not geschrieben – zeigen ihre außergewöhnliche Reife und humanistische Haltung. Kein Wunder, dass Leser auf der ganzen Welt diese Worte als überaus bewegend empfinden.
Kritiker haben das Tagebuch auch als literarisches Werk gewürdigt. Der amerikanische Lyriker John Berryman etwa bewunderte, wie ehrlich und präzise Anne den Prozess des Erwachsenwerdens darstellte – die Verwandlung eines Kindes in einen Menschen nannte er es sinngemäß. Andere lobten die universelle Aussagekraft: Ein sowjetischer Schriftsteller schrieb in den 1960ern über Anne, „eine Stimme spricht für sechs Millionen – die Stimme eines gewöhnlichen kleinen Mädchens.“ Viele sehen in Anne Franks Tagebuch nicht nur eine autobiografische Aufzeichnung, sondern einen modernen Klassiker der Literatur: ein Werk, das durch seine sprachliche Kraft und tiefe Wahrhaftigkeit zeitlos berührt.
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Debatten, Veränderungen und authentische Stimme
Natürlich blieb auch Annes Tagebuch nicht von Diskussionen verschont. In den ersten Ausgaben hatte Otto Frank, wie erwähnt, einige intime Inhalte weggelassen. Jahrzehntelang kannte die Öffentlichkeit eine leicht gekürzte Fassung. Erst 1995 erschien eine wissenschaftlich betreute Gesamtausgabe, in der alle bekannten Texte vollständig enthalten waren – auch Annes Passagen über ihre aufkeimende Sexualität und die kritischen Bemerkungen über ihre Mutter. Diese vollständige Edition zeigte noch deutlicher, wie ehrlich und ungeschönt Anne schrieb. So erfuhr die Welt z.B., dass Anne sich in ihren Einträgen auch neugierig mit ihrem eigenen Körper und dem Thema Liebe auseinandersetzte – Aspekte, die lange tabu erschienen, aber zu jedem Heranwachsen dazugehören. Ihr Bild als authentische Stimme eines Teenagers wurde dadurch nur verstärkt.
Leider sahen manche Feinde der Wahrheit in Annes Erfolg eine Bedrohung. Bereits in den 1950er Jahren und dann wieder in den folgenden Jahrzehnten gab es Versuche von Holocaustleugnern, das Tagebuch als Fälschung darzustellen. Diese Behauptungen entbehren jeder Grundlage – zahlreiche Gutachten und Untersuchungen haben die Echtheit von Annes Schriften bestätigt. Unter anderem untersuchten Experten das Papier, die Tinte und vor allem Annes Handschrift minutiös. Das niederländische Staatliche Institut für Kriegsdokumentation veröffentlichte 1986 eine umfassende kritische Ausgabe mit Faksimiles der Originalseiten, die endgültig bewies: Anne Franks Tagebuch ist echt, jede Zeile stammt von ihr selbst. Die absurde Unterstellung, Annes Vater oder andere hätten das Tagebuch erfunden, wurde in Gerichtsverfahren widerlegt. Dennoch tauchen solche Verschwörungsmythen bis heute gelegentlich auf – ein trauriger Beleg dafür, dass Annes Vermächtnis von manchen immer noch angefeindet wird. Doch die Stimme der jungen Anne hat all diese Angriffe überdauert und sich als wahrhaftig behauptet.
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Wirkungsgeschichte und Vermächtnis
Anne Franks Wunsch, „nach meinem Tod fortzuleben“, hat sich auf bewegende Weise erfüllt. Ihr Tagebuch hat sie unsterblich gemacht – und nicht nur sie, sondern stellvertretend auch die etwa 6 Millionen ermordeten jüdischen Menschen des Holocaust, denen sie ein Gesicht und eine Geschichte gibt. Annes Schicksal steht symbolisch für all die geraubten Leben, und doch ist es einzigartig durch die persönliche Perspektive, die sie selbst hinterlassen hat. Gerade weil Anne keine Heldin im klassischen Sinn war, sondern ein ganz normales Mädchen mit Stärken und Schwächen, fällt es so leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Leserinnen und Leser rund um die Welt fühlen mit ihr, lachen über ihre humorvollen Beobachtungen und weinen über ihr tragisches Ende. Durch Anne Frank wird das unfassbare Verbrechen des Holocaust greifbar – in Form eines einzelnen, vertrauten Lebens.
Das Tagebuch der Anne Frank ist heute in den meisten Ländern ein fester Bestandteil der Bildung. Zahlreiche Schulen behandeln es im Unterricht, um jungen Menschen die Geschichte des Nationalsozialismus und die Bedeutung von Toleranz und Menschlichkeit nahezubringen. Viele Leser berichten, dass Anne ihnen wie eine Freundin erscheint, die sie durch ihre Worte kennenlernen. Unzählige Briefe wurden an die Anne-Frank-Stiftung geschrieben von Menschen, die dank Anne Frank gelernt haben, Mut zu fassen oder Vorurteile zu hinterfragen. Ihre Worte „Trotz allem glaube ich an das Gute im Menschen“ sind zu einem Leitmotiv geworden, das Hoffnung in dunklen Zeiten spendet.
Gleichzeitig gab es um Annes Vermächtnis auch Debatten: Manche kritisieren, dass sie als symbolische Figur beinahe zu sehr idealisiert wurde und dabei die historischen Hintergründe in den Hintergrund treten könnten. Doch die meisten sind sich einig: Annes Zeugnis ist ein unschätzbares Geschenk an die Nachwelt. Es verbindet die persönliche Erinnerung mit einer universellen Botschaft von Menschlichkeit.
Das Haus an der Prinsengracht, in dem Anne ihr Tagebuch schrieb, ist heute ein Museum. 1960 wurde das ehemalige Hinterhaus als Anne-Frank-Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Besucher aus aller Welt – jedes Jahr Hunderttausende – zwängen sich durch die schmale verborgene Tür hinter dem Bücherregal und stehen ehrfürchtig in Annes kleinem ehemaligen Zimmer. An den Wänden sind noch immer die von ihr selbst angeklebten Bilder der Filmstars zu sehen. Das Versteck ist leer, die Möbel wurden entfernt, doch gerade die Leere lässt die Vorstellungskraft sprechen: Hier hat Anne gelebt, gehofft, gebangt und geschrieben. Viele Besucher verlassen das Haus mit Tränen in den Augen, zutiefst bewegt von der greifbaren Nähe dieses einstigen Mädchens.
Anne Franks Tagebuch hat eine beispiellose Wirkungsgeschichte. Es wurde vielfach adaptiert, zitiert und diskutiert. Theaterstücke, Filme, Dokumentationen, Graphic Novels – alle versuchen sie, dem Leben und Schreiben dieses Mädchens gerecht zu werden. Dabei bleibt das Original-Tagebuch das eindringlichste Zeugnis. Anne selbst konnte den Ruhm und die Resonanz nicht mehr erleben. Doch man kann sich vorstellen, wie erstaunt und stolz sie gewesen wäre: Ihr sehnlichster Wunsch, Schriftstellerin zu werden und etwas Bedeutungsvolles zu hinterlassen, ist wahr geworden. Ihre „Stimme aus dem Hinterhaus“ spricht noch immer zu uns, laut und klar, und erinnert daran, wohin Hass führen kann – und dass selbst in finstersten Zeiten ein lebensfrohes, kluges Mädchen der Welt Mut und Hoffnung schenken kann.
Anne Franks erzähltes Leben gleicht einer spannenden Geschichte, deren Ende man sich anders gewünscht hätte. Sie musste sterben, doch sie lebt weiter in ihren Worten. Ihre Geschichte macht neugierig – zunächst auf das junge Mädchen hinter dem berühmten Namen, dann auf das historische Geschehen um sie herum und letztlich auf die Frage, was wir selbst daraus lernen können. Vor allem aber mahnt sie uns mit leiser, eindringlicher Stimme: Lasst so etwas nie wieder geschehen.
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