Eichendorff, Joseph von - Abschied (Gedichtanalyse)

Schlagwörter:
Joseph von Eichendorff, Analyse, Interpretation, Romantik, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Abschied (Gedichtanalyse)
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Referat

Abschied (1810) Joseph von Eichendorff

Abschied
von Joseph von Eichendorff

O Thäler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt’ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft’ge Welt,
Schlag’ noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!
 
Wenn es beginnt zu tagen,
10 
Die Erde dampft und blinkt,
11 
Die Vögel lustig schlagen,
12 
Daß dir dein Herz erklingt:
13 
Da mag vergehn, verwehen
14 
Das trübe Erdenleid,
15 
Da sollst du auferstehen
16 
In junger Herrlichkeit!
 
17 
Da steht im Wald geschrieben,
18 
Ein stilles, ernstes Wort
19 
Von rechtem Thun und Lieben,
20 
Und was des Menschen Hort.
21 
Ich habe treu gelesen
22 
Die Worte, schlicht und wahr,
23 
Und durch mein ganzes Wesen
24 
Ward’s unaussprechlich klar.
 
25 
Bald werd’ ich dich verlassen
26 
Fremd in der Fremde geh’n,
27 
Auf buntbewegten Gassen
28 
Des Lebens Schauspiel seh’n;
29 
Und mitten in dem Leben
30 
Wird deines Ernst’s Gewalt
31 
Mich Einsamen erheben,
32 
So wird mein Herz nicht alt.

(„Abschied“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.2 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Abschied“ von Joseph von Eichendorff wurde 1810 in der Epoche der Romantik verfasst. Es thematisiert, dass das lyrische Ich in eine Fantasiewelt in Form eines Waldes flüchtet, um dem hektischen Leben der Außenwelt zu entfliehen. Es lässt sich die Deutungshypothese aufstellen, dass der Wald als Schutz und Zufluchtsort vor dem chaotischen und hektischen Alltagsleben diene, da dieses Leben es nicht mit Glück erfülle und der gesellschaftliche Druck zu groß sei. Die Atmosphäre des Gedichts lässt sich als melancholisch, naturverbunden und sehnsüchtig beschreiben.

Das vorliegende Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen. Das Reimschema der jeweiligen Strophen besteht aus zwei Kreuzreimen (abab). Das Metrum ist ein dreihebiger Jambus mit wechselnder weiblicher und männlicher Kadenz. Somit ist festzustellen, dass es sich um einen monotonen und einheitlichen Gedichtaufbau handelt. Joseph von Eichendorff hat die Perspektive eines lyrischen Ichs gewählt.

Die Situation des lyrischen Ichs ist geprägt von Unsicherheit und dem Drang, dem alltäglichen Druck zu entfliehen. Anfangs befindet sich das lyrische Ich im Wald und grenzt sich von dem Leben, das außerhalb vom Wald stattfindet, ab. Es spricht davon, wie sein Gemüt mit Freude erfüllt ist, wenn der Wald am Morgen zum Leben erwacht und das „trübe Erdenleid“ (V. 14) vergeht. In diesem Abschnitt des Gedichts wird der Eindruck erweckt, dass das lyrische Ich all seine Sorgen in diesen Momenten eine Zeit lang vergisst und die anderen Menschen für ihn lediglich einen „Störfaktor“ darstellen. Jedoch wird dem lyrischen Ich zum Ende des Gedichts hin bewusst, dass es den Wald bald verlassen muss, um das Leben, die „buntbewegten Gassen“ (V. 27), noch vor seinem Tod zu entdecken. Hierbei lassen sich Parallelen zum Titel des Gedichts „Abschied“ ziehen.

Die zentralen Themen der Strophen beschäftigen sich mit den Motiven der Einsamkeit, des Reisenden, der Natur sowie dem Eskapismus. Bereits in der ersten Strophe wird klar, dass das lyrische Ich stark naturverbunden ist. Durch die Anapher „O Täler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald“ (V. 1/2) wird besonders die Liebe des lyrischen Ichs zum Wald deutlich. Dieser Eindruck wird ebenso durch das Wort „O“ (V. 1) gefestigt. Des Weiteren deutet die Antithese „Täler…Höhen“ (V. 1) auf die vielen verschiedenen Facetten des Waldes hin. Die Betrachtungsweise der Natur wird unterstützt durch den Pleonasmus „grüner Wald“ (V. 2). Diese beiden Verse weisen Merkmale der Epoche der Romantik auf, da die Themen der Freiheit und der Natur eine besondere Bedeutung finden.

Zwischen Vers vier und fünf entsteht ein Bruch des Inhaltes, um den Kontrast zwischen Außenwelt und dem beheimateten Wald darzustellen. Durch die Alliteration des „D“ „Da draußen“ (V. 5) wird nochmals die Fremde verdeutlicht. Um aus diesem unvertrauten Umfeld zu entkommen, möchte das lyrische Ich nochmals in den Wald zurückkehren und die Nähe und Geborgenheit verspüren „Schlag noch einmal die Bogen / Um mich, du grünes Zelt!“ (V. 7–8). Die Metapher, dass der „grüne Wald“ das lyrische Ich „umschlägt“ lässt den Wald wie einen liebevollen Ort wirken und verleiht diesem mütterliche Züge. Die Metapher „grüner Wald“, welcher seiner Bedeutung nach das lyrische Ich „umschließt“, lässt ihn wie einen liebevollen, magischen Ort wirken mit mütterlichen Zügen.

Die zweite Strophe beginnt damit, dass der Wald dem mit Leid erfüllten Leben außerhalb vorgezogen wird. Diese Euphorie wird durch die vielen Anaphern des „D“ in den Satzanfängen gestützt (vgl. V.10-15). Wenn der Wald am Morgen „Wenn es beginnt zu Tagen“ (V. 9) zum Leben erwacht, erblüht der Wald im übertragenen Sinne zu einer Blume, die jegliche Sorgen und Leid vergessen lässt. Die Hyperbel „Die Erde dampft und Blinkt“ (V. 10) verdeutlicht erneut die Schönheit des Waldes, zudem wird durch das Motiv der Vögel die „lustig Schlagen“ eine positive Stimmung geschaffen. Dies lässt sich als Kontrast zum „trüben Erdenleid“ (V. 14) deuten. Inmitten dessen steht das menschliche Herz, welches aufgrund der Schönheit des Waldes sehr viel Freude empfindet „Dass dir dein Herz erklingt“ (V. 12). Der Wald wird hierbei auch als Ort der Wiedergeburt dargestellt. Er soll neue Frische, Glück und Vollkommenheit bringen „Da sollt du auferstehen, / In junger Herrlichkeit!“ (V. 15-16)

In der dritten Strophe wird die Euphorie der vorherigen Strophe gebremst. Es kommt in dem Gedicht zu einem ruhigen und stillen Teil „Da steht im Wald geschrieben“ (V. 17). Hierbei tritt wieder die Rolle der Mutter in den Vordergrund, denn das lyrische Ich wird ernst, aber dennoch lebensfroh auf den rechten Weg gebracht „Ein stilles, ernstes Wort / Von rechtem Tun und Lieben“ (V. 18-19). Das lyrische Ich, welches eine starke Naturverbundenheit hat und sich sehr heimisch fühlt im Wald, wird darauf hingewiesen, dass es den Wald verlassen muss, da der Mensch nicht dafür geschaffen ist, in der Natur zu leben „Und was des Menschen Hort“ (V. 20). Diese Erkenntnis wird dem lyrischen Ich langsam bewusst und es erkennt, dass es auf dieses Gefühl vertrauen muss (vgl. 21-23). Ihm wird zudem bewusst, dass es keinen anderen Weg gibt, als den Wald zu verlassen „Ward’s unaussprechlich klar.“ (V. 24).

Während sich die Strophen eins bis drei mit der Gegenwart beschäftigten, geht es ab Strophe vier um Ereignisse, die sich in der Zukunft abspielen werden. Auch wenn das lyrische Ich von den Glücksgefühlen überwältigt ist, wenn es sich im Wald aufhält, wird diesem bewusst, dass es bald wieder in die Außenwelt zurückkehren muss, um sein Leben dort weiterzuführen „Bald werd‘ ich dich verlassen“ (V. 25). In Vers 26 kommt es zu einem Ausblick in die Zukunft. Hierbei geht es darum, dass das lyrische Ich in das Leben zurückkehren wird, welches es zuvor meiden und vergessen wollte. Dadurch fühlt es sich darin nicht so wohl wie vergleichsweise im Wald „Fremd im der Fremde geh’n,“ (V. 26). Das Polyptoton hebt hierbei diesen Gedanken hervor. Das lyrische Ich sieht die Außenwelt als Fremde an und fühlt sich selbst fremd in dieser Welt. „Auf buntbewegten Gassen“ (V. 27) kommt wieder Leben in das Gedicht. Diese Aussage stellt allerdings ein nicht so romantisches Leben dar, wie es im Wald geführt werden könnte, denn auf diesen Gassen ist es nicht möglich, ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmung oder Glück zu führen. Diese Aussage wird auch in dem nächsten Vers „Des Lebens Schauspiel sehn;“ (V. 28) bestätigt, da das Leben als gespielt und inzidiert dargestellt wird (vgl. V.5). Die beiden Welten, die im völligen Kontrast zueinanderstehen, treffen in Vers 29 „Und mitten in dem Leben“ aufeinander. Hierbei trifft eine Welt mit vollkommener Freiheit auf eine Welt, die wie ein Drehbuch wirkt, in dem jedes Leben wie vorherbestimmt und vorgeschrieben wirkt. Der Wald wirkt anfangs groß, mächtig und prachtvoll, allerdings nicht nur in seiner präsenten, sondern auch vermittelnden Gestalt „Wird deines Ernst´s Gewalt“ (V. 30). Jedoch ist der Ernst des Waldes auf gewisse Art und Weise mit der Ernsthaftigkeit des Lebens außerhalb gleichzusetzen, da dieses Leben das lyrische Ich erst zum Aufbruch bewegt hat. Allerdings kommt das lyrische Ich im Prozess des Aufbrechens wieder zu der Erkenntnis, dass es außerhalb vom Wald einsam ist und der Gedanke an den Wald ihn jung und lebendig halten wird auch wenn es ihn verlassen wird „Mich Einsamen erheben, / So wird mein Herz nicht alt.“ (V. 31-32).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die in der Einleitung aufgestellte Deutungshypothese bestätigt hat. Der Wald stellt eine Art Abgrenzung zur Realität dar. Er dient hierbei nicht nur als Zufluchtsort, sondern auch als ein Zuhause, indem sich das lyrische Ich vor dem Alltagsleben, welches es nicht glücklich macht, schützen kann. Jedoch wird klar, dass der Wald nicht dauerhaft vor dem Alltagsleben schützen kann und eine Rückkehr unvermeidbar ist. Allerdings stellt der Wald einen optimalen Zufluchtsort für einen Romantiker dar. Jener kann dort dem chaotischen Leben entfliehen und Momente voller Glück genießen.

Das Gedicht lässt sich der Epoche der Romantik zuordnen. Es weist sehr viele epochentypische Motive und Themen auf, sowie Merkmale der romantischen Kunstauffassung. Die Motive der Natur und Einsamkeit, welche im Einklang mit dem Freiheitsgefühl stehen, werden stark aufgegriffen. Ein weiteres Merkmal ist die weite Unendlichkeit der Natur. Hinzu kommt, dass das lyrische Ich seinem Alltag entfliehen möchte, was bedeutet, dass ein Eskapismus vorliegt. Ein weiteres Anzeichen ist die einfache, schlichte und monotone Gestaltung des Gedichts.

Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren und starb im Jahr 1857. Er war ein Vertreter der Romantik. Typisch für seine Lyrik war die Thematik der Natur, der Lust und der Sehnsucht nach der Vergangenheit. Er hat immer aus einer träumerischen Seelenstimmung heraus gedichtet, was bedeutet, dass er sich möglicherweise mit dem lyrischen Ich identifizieren konnte und seine Gefühle so zum Ausdruck gebracht hat. Er hatte eine starke Verbindung zu der Natur, da er in seiner Kindheit, nach der er sich sehr sehnt, sich oft in der Natur aufgehalten hat. In seinen Gedichten, wie auch in diesem, drückt er daher seine Sehnsucht zu der Natur und seiner Kindheit aus.

Ich ordne das Gedicht als sehr gelungen ein, denn zum einen hat Joseph von Eichendorff eine ausgeprägte bildhafte Sprache verwendet, die dem Leser die Situation und Atmosphäre näherbringt. Zum anderen wurde das Gedicht so gestaltet, dass der Leser den Inhalt einfach verstehen kann, aber ihm trotzdem noch ein großer Interpretationsraum gelassen wurde. Außerdem kann man sich als Leser gut mit dem lyrischen Ich identifizieren, da dessen Gefühle durch die sprachliche Gestaltung deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

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