Gawlitta, Kurt - Benennen wir die Zukunft selbst (Analyse)

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Kurt Gawlitta, Interpretation, Untersuchung der Argumente Kurt Gawlittas, Referat, Hausaufgabe, Gawlitta, Kurt - Benennen wir die Zukunft selbst (Analyse)
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Referat

Kurt Gawlitta „Benennen wir die Zukunft selbst!“

Aus urheberrechtlichen Gründen darf abi-pur.de den Text hier nicht direkt veröffentlichen. Der Text kann in der PDF-Datei „Abiturprüfung 2012 Deutsch, Grundkurs“ unter folgender URL abgerufen werden: https://media.frag-den-staat.de/files/foi/427439/D_12_x_G_HT_GG.pdf (Seite 2 & 3).

Gliederung / Inhalt

Analyse / Interpretation

Der von Kurt Gawlitta verfasste Kommentar „Benennen wir die Zukunft selbst!“ wurde im Jahr 2010 in den „Sprachnachrichten“, einem Themenheft des Vereins Deutscher Sprache, veröffentlicht und befasst sich mit der Veränderung der deutschen Sprache durch die vermehrte Nutzung von Anglizismen. Dabei appelliert Gawlitta für den Schutz der deutschen Sprache, um einem durch Anglizismen verursachten Sprachverfall entgegenzuwirken und die Sprache zukunftstauglich zu gestalten.

Der vorliegende Text lässt sich grundsätzlich in vier Teile gliedern. Im ersten Teil (Z. 1-12), der direkt ohne Einleitung in die Argumentation einsteigt, stellt Gawlitta die These auf, dass Deutsche ihre Zukunft selbst bestimmen sollten. Dabei argumentiert er zunächst, dass eine zukunftsorientierte und lebendige Sprache für neue Erscheinungen neue und vor allem eigene Begriffe finden müsse, weil es auch im Englischen so sei. Als deutsche Möglichkeit für ein solches Vorgehen beschreibt er beispielhaft das englische Wort „Laptop“ (Z. 4) mit der Alternative „Klapprechner“ (Z. 5). Fortfolgend geht Gawlitta darauf ein, dass im Deutschen stattdessen Anglizismen massenhaft etabliert werden würden, vorwiegend durch den Einfluss der Wirtschaft.

Im zweiten Teil (Z. 13 - 24) führt Gawlitta in Bezugnahme auf Goethe an, dass schon dieser Sprachen daran gemessen habe, wie gut sie anderssprachige Wörter absorbieren könnten. Dennoch schränkt der Autor dieses Gegenargument sofort ein, indem er eine Integrierbarkeit der vielen neuen Wörter zur Voraussetzung macht. Für die große Masse an Anglizismen führt Gawlitta den 7000 Wörter umfassenden Anglizismen-INDEX des Vereins Deutscher Sprache an, für die fragwürdige grammatikalische Integration verschiedene Möglichkeiten eines Plurals für das Wort „Laptop“ (Z. 22).

Der nächste Teil des Textes (Z. 25 - 32) befasst sich primär mit den als Warnung zu verstehenden gesellschaftlichen Auswirkungen, die die Infiltration von Anglizismen mit sich bringt. Dabei argumentiert der Autor vor allem, dass „Bequemlichkeit, Bildungsferne, Unterwürfigkeit und Profitgier“ (Z. 25 f.) zu einem Sprachverfall führen würden, das Verständnis vieler eingedeutschter Wörter Schwierigkeiten mit sich bringe und die Gesellschaft polarisiere. Umfragen, die Gawlitta jedoch nicht weiter spezifiziert, würden eine negative Einstellung der Bevölkerung hinsichtlich der beschriebenen Phänomene bezeugen.

Im letzten Textabschnitt (Z. 33-40) argumentiert Gawlitta, dass eine Stärkung der deutschen Gesellschaft in unter anderem Musik und Sport, national sowie international, wieder mehr Bewusstsein für die deutsche Sprache und ihre Entwicklung schaffen würde. Dadurch könne und müsse, so appelliert der Autor, der Sprachverfall verhindert werden.

Hinsichtlich der Gestaltung des Textes lässt sich feststellen, dass aufgrund der wenigen Absätze nicht durchgehend eine kohärente Struktur zu erkennen ist. Sprachlich ist der Text jedoch leicht verständlich und bedient sich der Alltagssprache, wodurch eine breite Leserschaft angesprochen wird.

Erste Anzeichen einer starken Leserlenkung zeigen sich gleich zu Beginn in der Überschrift, die den Leser direkt und appellierend anspricht.

Es lässt sich zudem sagen, dass Gawlitta eine starke Metaphorik im Zusammenhang mit dem Wandel der deutschen Sprache verwendet. So würden Deutsche beispielsweise aus ihrer Sprache „fliehen“ (Z. 7), sich an „fremde[n] Wortbrocken […] verschlucken“ (Z. 7 f.) und die Sprache selbst könne an zu vielen Wörtern „ersticken“ (Z. 16). Damit unterstreicht der Autor sehr deutlich seine ablehnende Haltung gegenüber Internationalismen in der deutschen Sprache und verbildlicht mögliche Gefahren für den Leser.

Ein weiteres häufig von Gawlitta verwendetes sprachliches Mittel stellen zudem rhetorische Fragen und darauffolgende Exklamationen dar. So wird der Leser direkt zum Nachdenken motiviert und gleichzeitig an ihn appelliert, was ebenfalls eine starke Leserlenkung bewirkt.

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Untersuchung der Argumente Kurt Gawlittas

Im Folgenden soll nun die Stichhaltigkeit von Kurt Gawlittas Argumenten näher untersucht werden.

Zunächst einmal ist Gawlittas Behauptung, dass eine Sprache nur lebe, wenn sie eigenständig neue Wörter erschaffe (vgl. Z. 4 f.), nur bedingt schlagkräftig, denn es ist historisch bewiesen, dass Sprache nicht nur mit, sondern gerade von Wortimporten leben kann. Ein walisischer Experte für die englische Sprache, David Crystal, hat die Entwicklung von Sprache und Sprachvarianten sehr treffend beschrieben. Eine Sprache passe sich an ihr Umfeld und ihre Kultur an und finde Wörter für das, was in dem Interesse der Menschen liegt. So hätten schon vor Jahrhunderten britische Kolonialisten überall dort, wo sie sich in verschiedenen Ländern angesiedelt haben, neue Wörter für vieles Neue gefunden. Diese Wörter wurden laut Crystal oft ähnlich der regional schon dagewesenen Sprache übernommen.

In unserer Gesellschaft, in der die Globalisierung mehr und mehr Teil des Alltags wird, in der digitale Medien und die Arbeitswelt englischsprachig und im Interesse der Menschen liegen, ist eine solche Anpassung auch im Deutschen legitim. Sie zeigt geradezu, wie lebendig und flexibel unsere Sprache tatsächlich ist. Dass nicht gleich alle Menschen auf Anhieb mit jedem Wort vertraut sind, zeigt lediglich, dass ein sprachlicher Wandel nicht von heute auf morgen vollzogen werden kann, schränkt aber dessen Legitimität keinesfalls ein. Dem von Gawlitta eigentlich für die Gegenposition genannten Literaten Goethe kann man also in vielerlei Hinsicht zustimmen, dass die „Kraft einer Sprache [sich daran] erweise […], was sie verschlinge“ (Z. 14 f.).

Betrachtet man im Folgenden die von Gawlitta geforderte Integrierbarkeit neuer Wörter (vgl. Z. 18), so lässt sich dem fast vollständig zustimmen. Der Journalist Dieter Eduard Zimmer hat sich schon im Jahr 2007 in seinem in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichten Artikel „Fremdwörter müssen sich grammatisch integrieren lassen“ mit dem Thema beschäftigt. Dabei hat er ganz deutlich herausgestellt, dass Anglizismen, die den deutschen Wortschaft bereichern und erweitern, grammatisch in die Satzstrukturen eingebettet werden sollten.

An dieser Stelle kann man Kurt Gawlitta folglich zustimmen, dennoch ist der von ihm angeführte Anglizismen-INDEX (vgl. Z. 17) als nicht besonders stichhaltiges Beispiel zu betrachten. Dieser gleicht mehr einem Fremdwörterbuch, als dass er wirklich verwendete Anglizismen in der deutschen Sprache aufzeigt. Die Anzahl von über 7000 neuen Wörtern zeigt also kein Abbild der tatsächlichen Realität.

Gawlitta beteuert zwar, die Bevölkerung würde sich gegen die gesellschaftlichen Einflüsse der vermehrten Verwendung von Anglizismen aussprechen (vgl. Z. 31f.), doch er liefert dafür keinerlei Beweise. Wie kann sich eine solche Entwicklung vollziehen, ohne dass breite Bevölkerungsteile daran mitwirken? Der Journalist Rudi Keller beschreibt in seinem Artikel „das Trampelpfad-Modell des Sprachwandels“, dass sich Strukturen nur verändern können, wenn viele Personen daran beteiligt sind. Trampelpfade entstehen zum Beispiel auch nicht einfach so, sondern durch den Wunsch nach mehr Effizienz – und das nicht nur von einer Person. Die Pfade treten sich fest, genauso wie auch neue Wörter, Anglizismen, in der deutschen Sprache sich etablieren, weil ihr Gebrauch für viele Menschen neue, effizientere Wege und Möglichkeiten eröffnet. Daher kann an dieser Stelle Gawlittas Argumentation, der Wandel werde nicht von der breiten Masse der Bevölkerung getragen, eindeutig widersprochen werden.

Weiterführend ist die Aussage des Autors, ein stärkeres deutsches „Selbstbewusstsein“ (Z. 36) könne der deutschen Sprache wieder mehr Leben einhauchen, kontrovers zu beurteilen. Einerseits kann eine erfolgreiche Sprache, die mit kulturellen und alltäglichen Aspekten verknüpft ist, stärker in der Gesellschaft gefestigt werden – denn Sprache bedeutet vorwiegend zwei Dinge: Sie ist ein Kulturgut und gleichzeitig aber auch ein zweckdienliches Kommunikationsmedium. Sind diese beiden Funktionen auch in Zukunft gegeben, kann man Gawlitta zustimmen. Dennoch, die Globalisierung unserer Welt lässt sich nur schwerlich beeinflussen. Wer sagt, dass dabei die deutsche Sprache für uns immer am zweckdienlichsten ist? Auf internationaler Ebene, wie Dieter E. Zimmer in seinem Artikel betonte, rede man manchmal „besser mit deckungsgleichen […] und […] ähnlich lautenden Wörtern“.

Abschließend kann festgehalten werden, dass eine Festigung der deutschen Sprache als Kulturgut, aber auf der anderen Seite auch eine gewisse Flexibilität der Sprache, eine Offenheit gegenüber Internationalismen und eine Anpassungsfähigkeit für die Zukunft entscheidend sind. Eine Sprachentwicklung aufzuhalten, ist wohl nahezu unmöglich, doch die Mehrheit der Sprecher der Sprache wird einen Weg einschlagen, der uns die meisten, die effizientesten Möglichkeiten des Sprachgebrauchs bieten wird – denn so stark können sich Millionen von Menschen wohl kaum irren.

Dieses Video wurde auf YouTube veröffentlicht.

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