Eichendorff, Joseph von - Frühlingsfahrt Die zwei Gesellen (Gedichtinterpretation)

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Joseph von Eichendorff, Analyse, Interpretation, Romantik, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Eichendorff, Joseph von - Frühlingsfahrt Die zwei Gesellen (Gedichtinterpretation)
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Referat

„Die zwei Gesellen“ oder auch „Frühlingsfahrt“ von Joseph von Eichendorff

Die zwei Gesellen
von Joseph von Eichendorff

Es zogen zwei rüst'ge Gesellen
Zum erstenmal von Haus,
So jubelnd recht in die hellen,
Klingenden, singenden Wellen
Des vollen Frühlings hinaus.
 
Die strebten nach hohen Dingen,
Die wollten, trotz Lust und Schmerz,
Was Rechts in der Welt vollbringen,
Und wem sie vorübergingen,
10 
Dem lachten Sinnen und Herz.
 
11 
Der erste, der fand ein Liebchen,
12 
Die Schwieger kauft' Hof und Haus;
13 
Der wiegte gar bald ein Bübchen,
14 
Und sah aus heimlichem Stübchen
15 
Behaglich ins Feld hinaus.
 
16 
Dem zweiten sangen und logen
17 
Die tausend Stimmen im Grund,
18 
Verlockend' Sirenen, und zogen
19 
Ihn in der buhlenden Wogen
20 
Farbig klingenden Schlund.
 
21 
Und wie er auftaucht' vom Schlunde,
22 
Da war er müde und alt,
23 
Sein Schifflein das lag im Grunde,
24 
So still war's rings in die Runde,
25 
Und über die Wasser weht's kalt.
 
26 
Es singen und klingen die Wellen
27 
Des Frühlings wohl über mir;
28 
Und seh ich so kecke Gesellen,
29 
Die Tränen im Auge mir schwellen
30 
Ach Gott, führ uns liebreich zu dir!

(„Die zwei Gesellen“ von Joseph von Eichendorff ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (25.9 KB) zur Unterstützung an.)

Gedichtanalyse

Der Aufbruch in die weite Welt, die Loslösung vom Zuhause und das Finden eines selbstständigen Lebensweges ist wesentlicher Aspekt der Weiterentwicklung eines jeden Einzelnen. In dem Gedicht „Die zwei Gesellen“, das 1818 von Joseph von Eichendorff verfasst wurde, geht es um zwei junge Gesellen, die sich von zu Hause aufmachen, um ihren eigenen Lebensweg zu beschreiten und die Welt zu entdecken. Während der eine Geselle schon nach kurzer Zeit seine Erfüllung in einer kleinbürgerlichen Idylle mit Frau, Kind und Haus gefunden hat, wird der andere Geselle von den Tücken des Lebens verführt und findet sich am Ende seines Lebens als gescheiterte Existenz wieder.

Am Anfang des Gedichts zeigt sich, dass sich „zwei rüstige Gesellen“ (V. 1) auf eine Entdeckungsreise begeben. Obwohl sie „erstmals“ (V. 2) allein ihr Zuhause verlassen, blicken sie der Reise „jubelnd“ (V. 3) und damit voller Vorfreude entgegen. Die Aufbruchsstimmung, die die erste Strophe des Gedichts prägt, wird auch durch das Motiv des Frühlings (vgl. V. 5) unterstrichen, das im Allgemeinen für Aufbruch und Neuanfang steht. Die Akkumulation „hellen, / Klingenden, singenden Wellen“ (V. 3 f.) und die damit einhergehende Verbindung von optischen und akustischen Wahrnehmungen verstärkt den Eindruck des optimistischen Aufbruchs. Das Metrum des Gedichts ist gekennzeichnet durch drei Hebungen in jeder Verszeile und eine unterschiedliche Anzahl an Senkungen. Dieser volksliedhafte Ton lässt vor allem die erste Strophe sehr lebendig erscheinen. Es wird der Eindruck erweckt, als könnten die beiden Gesellen die Reise gar nicht abwarten und als freuten sie sich darauf, von den „singenden Wellen“ (V. 4) in den „vollen Frühling“ (V. 5) mit hinausgetragen zu werden. Des Weiteren ist die erste Strophe durch das Auftreten von Enjambements gekennzeichnet, die das Motiv der „Wellen“ (V.4) des Frühlings auf sprachlicher Ebene unterstützen. Dazu kommt der Binnenreim „klingenden, singenden“ (V. 4) der die Bewegung und das Tönen der Wellen auf weitere Weise herausheben. Die Reimstruktur des Gedichts folgt dem Schema abaab, wobei in den a-Zeilen weibliche Kadenzen und in den b-Zeilen männliche Kadenzen auftreten. Die männliche Kadenz in der letzten Verszeile der ersten Strophe betont dabei besonders das Wort „hinaus“. Dadurch wird das Zeichen für den Aufbruch in besonderer Weise hervorgehoben.

In der zweiten Strophe werden die Intention und Motivation der beiden Gesellen beschrieben. Es scheint, als hätten die beiden jungen Männer große Erwartungen an den Verlauf der Reise, da sie „trotz Lust und Schmerz“ etwas „Rechts in der Welt vollbringen“ (V. 8) wollen. Die Gesellen möchten sich von den alltäglichen Problemen des Lebens nicht davon abbringen lassen, „nach hohen Dingen“ (V. 6) zu streben und ihre Wünsche zu erfüllen. Die Eindringlichkeit dieser Pläne wird durch den Einsatz der Anapher „Die“ am Versanfang von Vers sechs und sieben verdeutlicht. Insgesamt scheinen die beiden Männer eine positive Ausstrahlung zu haben und andere mit ihrer Vorfreude anzustecken. Die Reaktion der Personen, denen die Gesellen während ihrer Reise begegnen, wird durch die Personifikation „Dem lachten Sinn und Herz.“ (V. 10) eindringlich beschrieben. Nach der zweiten Strophe findet sich eine Art Zäsur im Gedicht, die auch durch einen Bindestrich in Verszeile zehn verdeutlicht wird. Der erste Geselle ist nun nicht länger in Form von Wandern in der Welt unterwegs, sondern hat bereits seine Entdeckungsreise beendet und Zufriedenheit in Form von bürgerlichem Leben gefunden.

Die dritte Strophe beschreibt das Leben des ersten Gesellen mit seinem „Liebchen“ (V. 11), das er auf seiner Reise gefunden hat. Das Paar erhält nicht nur „Hof und Haus“, betont durch eine Alliteration, von der Schwiegermutter finanziert (V. 12), sondern bekommt bald auch schon ein kleines „Bübchen“ (V. 13), um das sich der erste Geselle kümmert. Der volksliedhafte Ton, der das Gedicht prägt, unterstreicht dabei diesen Entwurf eines häuslichen Lebens. Es wird auf den ersten Blick das Bild eines idyllischen Lebens gezeichnet, das aber anscheinend vom nicht als erstrebenswert angesehen wird. Der Diminutiv, der die dritte Strophe in Form von Wörtern wie „Liebchen“ (V. 11), „Bübchen“ (V. 13) und „heimlichem Stübchen“ (V. 14) prägt, lässt die gesamte Lebenssituation des ersten Gesellen lächerlich erscheinen. Das Diminutiv und auch der anaphorische Strophenbeginn „Der erste, der fand ein Liebchen“ (V. 11) spiegeln so deutlich die Ironie wider, mit welcher das Leben des Gesellen wahrgenommen werden soll. Von dem ersten Gesellen selbst, wird seine Lage jedoch als angenehm empfunden, was daran deutlich wird, dass er mit dem Adjektiv „Behaglich“ (V. 15) beschrieben wird. Gleichzeitig ist ein gewisser Gegensatz zwischen dem beschaulichen Leben innerhalb der Stube auf dem Hof und der weiten Welt außerhalb dieses Lebens erkennbar, indem der Mann zwar in dem Haus sitzt, sein Blick jedoch hinaus auf das „Feld“ (V. 15) und die Natur gerichtet ist.

Ganz im Kontrast zu der zweiten Strophe, in der die Gesellen noch davon gesprochen haben, etwas Großes in der Welt zu vollbringen, scheint sich der eine Mann nun mit dem Leben auf dem Hof zufriedenzustellen. Der Stillstand, der fortan das Leben des ersten Gesellen prägt, wird auch durch den vorherrschenden Zeilenstil in der dritten Strophe verdeutlicht.

Die vierte Strophe thematisiert die Verführung des anderen Gesellen, dessen weiterer Lebensweg ganz im Gegensatz zu dem des ersten Mannes steht. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass auch der zweite Geselle von seinen ursprünglichen Zielen abgekommen zu sein scheint. Er ist den „tausend Stimmen im Grund“ (V. 17) ausgeliefert, die „sangen und logen“ (V. 16) und ihn dadurch vom rechten Weg abbringen. Diese „Stimmen“ können metaphorisch als falsche Versprechen gedeutet werden, auf welche sich der Geselle verlassen hat oder Meinungen, die sein Leben in negativer Weise beeinflusst haben. Die gesamte vierte Strophe ist durch akustische Wahrnehmungen geprägt, neben den „Tausend Stimmen“ (V. 17) scheinen auch „Verlockend Sirenen“ (V. 18) den Gesellen in den „farbig klingenden Schlund“ (V. 20) zu ziehen. Die Sirenen als Metapher für Verführung und Verlockung selbst, reißen den Gesellen ins Unglück. Durch die Personifikation der Sirenen, die den zweiten Mann in den „Schlund“ (V. 20) und damit im übertragenen Sinne ins Verderben ziehen, wird deutlich, dass der Geselle keine Chance hat, gegen die Verführung anzukommen beziehungsweise keinen Versuch unternimmt, sich dagegen zu wehren. Eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass sich die Metaphorik des Wassers durch das gesamte Gedicht zieht. Zu Beginn fühlen sich die beiden Gesellen wie von Wellen in die Welt hinausgetragen, nun wird der zweite Geselle von den „buhlenden Wogen“ (V. 19) in die Tiefe gezogen. Die Dynamik der Strophe wird neben der Wassermetaphorik zusätzlich auch durch das Auftreten der Enjambements und den damit verbundenen Hakenstil verstärkt. Die synästhetische Beschreibung („farbig klingend“ V. 20) der Verlockungen, die das Leben bereithält, stehen ganz und gar im Kontrast zu dem ruhigen und beschaulichen Leben, das der erste Geselle führt.
In der fünften Strophe muss sich der Geselle den Konsequenzen stellen, die sich daraus ergeben, dass sich der Mann den Lockungen hingegeben hat, anstatt seine ursprünglichen Ziele zu verfolgen. Als er wieder aus dem „Schlunde“ (V. 21) auftaucht, hat der Leser es nicht mehr mit einem rüstigen, tatkräftigen Gesellen wie zu Beginn des Gedichts zu tun, sondern vielmehr mit einem müden, alten Mann, dessen Leben nicht in rechten Bahnen verlaufen ist. Die negativ konnotierten Adjektive „müde“ und „alt“ (V. 22) zeigen dabei deutlich, dass es der Mann zwar geschafft hat, sich aus unvorteilhaften Verstrickungen, gefährlichen Beziehungen und ähnlichem zu befreien, nun am Ende seines Lebens angekommen ist. Das Symbol des „Schiffchens“, das auf dem Meeresgrund liegt, verbildlicht dabei das Versagen und Scheitern des Mannes. Die Atmosphäre des Gedichts lässt den zweiten Gesellen durch Auftreten von Begriffen wie „still“ und „kalt“ (V. 25) einsam und verloren wirken.

Mit der letzten Strophe wird ein Rückbezug zum Beginn des Gedichts hergestellt. Nun spricht das lyrische Ich aus der Ich-Perspektive und greift die Worte „Es singen und klingen die Wellen / des Frühlings“ (V.26 f.) der ersten Strophe erneut auf. Auffällig ist hierbei jedoch, dass das Präteritum, in welchem die ersten fünf Strophen verfasst sind, jetzt in Präsens übergeht. Das lyrische Ich berichtet jetzt nicht mehr von dem Lebensweg der Gesellen, sondern konzentriert seine Wahrnehmung auf die Gegenwart. Durch die Rückbesinnung auf die „kecken Gesellen“ (V.28), verändert sich die Stimmung des Lyrischen schlagartig. Die personifizierten Tränen (V.29), die dem lyrischen Ich in die Augen steigen, zeigen deutlich, dass das lyrische Ich über den Ausgang der Entdeckungsreise der beiden Gesellen entsetzt ist. Als letzte Möglichkeit bittet das lyrische Ich Gott mit dem Ausruf „Ach Gott, führ uns liebreich zu dir!“ (V.30) um Hilfe. Es scheint, als wäre der Hilferuf um göttliche Fügung die letzte Chance für das lyrische Ich, für sich selbst als auch für die Gesellen ein zufriedenstellendes Lebensende zu erreichen. Dass sich das lyrische Ich selbst auch mit in den Hilferuf miteinbezieht, wird durch das Pronomen „uns“ deutlich.

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